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Die S-Frage

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Der Staat darf sich auch in der Allgegenwart des Neoliberalismus nicht zum Schatten seiner selbst machen, findet Alvin Sold.

Zumindest eine der beiden Luxemburger Volksparteien steckt in der Krise: die LSAP. Seit ihrem letzten großen Wahlsieg (1984) hat sie dramatisch verloren; damals konnte sie noch auf Augenhöhe mit der anderen, der CSV, verhandeln.

Zum begrifflichen Verständnis: Volkspartei ist, laut Dieter Nohlen, «eine Selbstbezeichnung von Großparteien, welche durch Ausweitung ihrer Wählerbasis nach möglichst vielen Stimmen für strategische Mehrheiten streben». In Deutschland vollzog die SPD diesen Schritt mit ihrem Godesberger Programm von 1959: Es war der Wandel von einer sozialistischen Arbeiterpartei hin zu, eben, einer Volkspartei.

Streng genommen hat sich die Luxemburger LSAP nie einen vollständigen theoretischen Unterbau nach dem Godesberger Modell gegeben, aber im Zuge der demografisch-soziologischen Umschichtungen öffnete sie sich für die Belange neuer Klientelen und geriet somit zunehmend in die bekannte Widersprüchlichkeit: Wie bleib ich bei meinen Wurzeln und wachse trotzdem auf anderem, breiterem Grund?

Die Wurzeln haben nicht, wie oft gemeint, heutzutage «nur» noch romantische Triebe; dem harten Kern sind die Fakten aus der knallharten Kapitalistenzeit von 1880 bis, sagen wir mal, 1936 durchaus bekannt. Damals brauchte die ausgebeutete Arbeiterschaft eine kämpferische politische Speerspitze, um elementarste Rechte zu erstreiten.
An diesem selbstlosen Einsatz der sozialistischen Urgroßväter werden die heutigen sozialdemokratischen Berufspolitiker der LSAP noch immer gemessen, wenn das Gefühl aufkommt, es ginge in der sogenannten Wohlstandsgesellschaft nicht gerecht zu und die Ungleichheit würde wachsen.

Jetzt sind wir bei der S-Frage.

S steht hier für Sozialstaatlichkeit. Der moderne, demokratisch-pluralistische Staat hat nicht nur ein Rechtsstaat zu sein, der die Freiheiten und das Eigentum schützt, sondern es ist Voraussetzung für das Einvernehmen, für den «sozialen Vertrag» zwischen den Staatsbürgern, dass er die maximal mögliche soziale Solidarität anstrebt.

Geschieht solches in Luxemburg unter dem Impuls der regierenden LSAP, gleich wer die Partner auch sein mögen?

Ein Blick auf die politische Großwetterlage zeigt, dass die Hegemonie der neoliberalen Macher im «Westen» viele Staaten zum Abbau von Leistungen (Renten, medizinische Versorgung, Alterspflege, Arbeitslosengeld) im Sinne des sozialen Ausgleichs gezwungen hat, und mehr noch, zum Verzicht auf Investitionen in Infrastrukturen und Einrichtungen, Bildung, Forschung, Kultur, nach dem Motto: «Privat kann es besser.» Für die Besserverdiener, möchten wir anfügen.

Privat kann vieles gut. Private Leistung und Mehrleistung sollen natürlich gewürdigt und gefördert werden, aber dafür braucht man den Staat doch nicht schrittweise zum Schatten seiner selbst zu machen. Luxemburger Sozialisten, gleich ob sie sich als solche im ursprünglichen Sinne oder auch einfach als Sozialdemokraten vergleichbar mit den deutschen verstehen, sollten immer und überall für die durchdachte, im edlen Solidaritätsgedanken gedeihende Sozialstaatlichkeit eintreten.

Was im Endeffekt auf die Forderung zu bringen ist: Mehr Staat wagen.

Wagt mehr Staat, wagt den guten Staat, der den sozialen Ausgleich dort bewirkt, wo die Marktwirtschaft unsoziale Zustände bewirkt, wie eben hier, zuhause, im tatsächlich reichen Luxemburg.

Frank Bertemes
5. Februar 2018 - 14.13

Bonjour, Här Sold !

Een absolut zoutreffenden Editorial, ee Samsdeg !

Et ass nämlech genee dat, wat ee muss soen – d’ Stäerkung vun den ëffentlechen Déngschtleeschtungen, eng geziilt Schwächung vum Grousskapital a bedeitend méi Ënnerstëtzung vu klengen a mëttlere Betriiber – ee gesonden Handel an ee staarkt Handwierk fördert de Mëttelstand, deen eis Economie dréit.

Dat grousst Fragezeichen fir d’Zukunft ass allerdings d’Digitaliséierung mat all senge Konsequenzen - déi grouss Erausfuerderung, där mir eis all ze stellen hunn – an dat net nëmmen d’Politik!

Natierlech och ee politëschen Topic am Kader vun der S-Fro….

Mir sinn am Gesamtkontext vun der S-Fro jiddefalls gespaant op de Wahlprogramm vun der LSAP !

Bescht Gréiss an Iech eng gutt Woch!

Fränz
4. Februar 2018 - 15.30

Was für eine Freiheit meinen Sie? Die Freiheit zu rasen? Die Freiheit Steuern zu hinterziehen? Die Freiheit Wohnungen und Bauplätze Jahrzehntelang für ihre Kinder zu 'reservieren'?

Fränz
4. Februar 2018 - 15.28

Ja, aber sie haben keine sogenannte 'christlichen' Sozialen wie wir, in einem Land wo weniger als 1% Kirchgänger sind und wo fast 70% der Kinder nicht mehr getauft werden.

Rinck Daniel
4. Februar 2018 - 13.26

Echt traue mech bal net et ze soen: Ech stëmmen dem Här Sold zou. Hien huet Recht! War et net de Willy Brandt dee gesot huet: Fir d'éischt de Staat an dann Partei.
Eng Partei déi sech dorun hält gëtt automatesch och vun de Bierger respektéiert, gewielt.

Alvin Sold
4. Februar 2018 - 12.37

Mich wundert, dass keiner in dieser Diskussion die Kernfrage stellt:
Versteht sich die LSAP im Sinne des eingangs zitierten Nohlen als eine "Volkspartei"?
Wenn ja, dann macht sie vieles falsch, das meiste wohl in der Selbstdarstellung, denn die CSV-Konkurrenz läuft weg und davon. Aus meiner Sicht kann eine linke Volkspartei durchaus als die Partei gesehen und gefühlt werden, die am besten für breite und tiefe Sozialstaatlichkeit steht. Aber das will vermittelt sein!
Wenn nein, dann müsste sie sich als als Interessenpartei outen und sehr viel härter für die Forderungen ihrer spezifischen Klientel eintreten.

Scholnier
4. Februar 2018 - 12.27

Herr Sold, d'Post ,CFL, Öffentlechen Transport sin dat beschten Beispill vun Privatiseierung wéi et net soll sin.Schlechten oder manner Service, méi schlecht Arbechtskonditiounen an manner Pai.

Jak
4. Februar 2018 - 8.53

Verkehr,Schulen,Subventionen,Theater,Sportanlagen,Medizin,Sicherheit....alles Staat,Herr Radikal.
Privat ist für die Reichen

Scholnier
4. Februar 2018 - 8.02

Noch mehr Staat? Seit den 90 ziger Jahren haben wir uns zu einer "Verbotsgesellschaft" entwickelt. In allen Bereichen des Lebens bishin in die Familuen , mischt der Staat sich ein. Die einstigen Freiheiten haben wir schon längst eingebüßt. Geschickt manipuliert die Politik, die Wirtschaft unsere Demokratie, gaukelt mit Taschenspielertricks uns den modernen, demokratischen-pluralistischen Rechtsstaat vor. Der Bürger mit digitalem Müll zugemüllt ,hat längst das Denken aufgegeben, meint auf einer heilen Weltschiene zulaufen und doch wurde er längst zum Sklaven der auf Bilderberg-Konferenzen beschlossenen Richtlinien. Wer von Sozialstaat predigt, doch die Streichungen der sozialen Errungenschaften im letzten Jahrzehnt widerstandlos hingenommen oder verfügt hat , ist nicht glaubhaft. Wie meinte Hubert Vedrine diese Woche im Tageblatt:"Menschen wollen bleiben, wer sie sind."

Jak
3. Februar 2018 - 23.40

Herr Sold,
sie liegen absolut nicht falsch. Die skandinavischen Länder haben laut Umfragen die zufriedensten Bürger Europas und sie bezahlen die höchsten Steuern. Das was wir am meisten fürchten scheint also glücklich zu machen. Dasselbe gilt für Renten- und Sozialleistungen. Luxemburg steht sehr gut da im internationalen Vergleich und viele beneiden uns. Nur sollten die Privatisierungen nicht übertrieben werden und schon gar nicht wenn dabei der Staat seine Kontrolle aufgeben muss. Wenn Bildung,Sicherheit,Medizin usw. privatisiert werden,werden die Schwächsten der Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Ein Blick in die USA genügt. Und ich wiederhole mich.Diese Regierung hat gute Arbeit geleistet und ich verstehe nicht wieso die Mittelalterpartei jetzt wieder soviel Aufwind hat. Hat das mit der kantschen Unmündigkeit der Bürger zu tun?Aber die Wahlen sind ja noch nicht vorbei.

Pir
3. Februar 2018 - 19.48

Eine Volkspartei, welche die "Sozialstaatlichkeit" als oberstes und letztes Ziel hätte. Jo, mä da muss emol eng grouss Debatt iwwert d'Elementer vun deem Konzept kommen. An schliesslech e Programm, dee a wesentleche Froen net därf an enger Koalitioun verwässert ginn. Utopia, Hār Sold!

super biker
3. Februar 2018 - 18.37

Willi Brand sagte vor etwa 50 Jahren ." Wir wollen mehr Demokratie wagen." Dabei meinte er nicht ,wir wollen mehr Kapitalismus wagen . Denn beides ,Demokratie und Kapitalismus, ist nicht ein und das Selbe

super biker
3. Februar 2018 - 18.27

Doch eine Arbeiterpartei macht Sinn, denn es gibt noch viele Arbeiter auch wenn die Arbeiter in Luxemburg vom Gesetz nicht mehr so genannt werden.

super biker
3. Februar 2018 - 18.21

@Radikal
Naturlich brauchen wir mehr Staat und vor allem brauche wir mehr Sozialstaat ,anstatt weniger Sozialstaat.

Alvin Sold
3. Februar 2018 - 14.27

Jak, ihre Beschreibung passt auf das Flickwerk zu, das der Sozialdemokratie JETZT zugewiesen ist. Sie repariert, wo sie kann und wie sie kann, und hat dafür nur das Geld, das ihr von unfassbaren (im ersten Sinne des Wortes) Kräften zugestanden wird. - "Meine" Sozialstaatlichkeit besteht aus der Sumnme der sozialpolitischen Leistungen, und der staatlichen Investitutionen, die für den Aufbau einer wirklich demokratischen, solidarischen, un-ausbeuterischen Gesellschaft notwendig sind. Liege ich denn, Ihrer Ansicht nach, falsch, wenn ich solches PROGRAMMATISCH von den EU-Sozialisten/Sozialdemokraten verlange? Und müsste Luxemburg nicht mindestens so gut in dieser politischen Disziplin werden, wie die besten Skandinavier? Haben "wir" nicht sogar mehr Geld zur Verfügung als die?

Adrien Schrobiltgen
3. Februar 2018 - 11.53

die heutige LSAP wird weiter an Boden verlieren - keine klaren Kanten sondern nur Grauzonen - sich um die kleinen uns schwachen zu kümmern ist der einzige Weg in die Zukunft

Jak
3. Februar 2018 - 11.08

Sozialstaatlichkeit---
Wenn der Staat und die politischen Kräfte die ihn repräsentieren darauf reduziert werden,die Verluste und Folgekosten der Liberalisierung aufzufangen,dann wäre das ein Staat in der Schwundstufe, ein gescheiterter Staat. Alles " Soziale " würde verschwinden. Profite würden privatisiert und Verluste verstaatlicht.
Demokratie wäre dann nur noch ein Spiel an der Oberfläche unter der sich die Wirtschaftsakteure und Profitinteressen ohne jegliche staatliche Kontrolle durchsetzen.

Radikal
3. Februar 2018 - 10.20

"Sozialstaatlichkeit": Herr Sold, ich lass mir den Begriff auf der Zunge vergehen! Bitte mit Inhalt füllen! Definieren!

Cathy
3. Februar 2018 - 10.09

Guter Kommentar. Legt die Hintergründe offen. Eine reine Arbeiterpartei macht in Luxemburg wohl kaum noch Sinn, wenn die Beteiligung an der Regierung ein realistisches Ziel sein soll.

Radikal
3. Februar 2018 - 10.02

Noch mehr Staat = noch mehr Einmischung der Obgrigkeit in mein Leben. Nein!