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Parteibüro im Todeslager

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Seit den Jugoslawienkriegen der 90er-Jahre setzen die Nachfolgestaaten konsequent auf die Aufpolierung der eigenen Geschichte. Die eigene Nation wird ausschließlich als Opfer, die einstigen Kriegsgegner werden als Täter gezeichnet. Ob in Kroatien oder Serbien: Auch das Gedenken an die Opfer des Holocaust bleibt von der Geschichtsklitterung nicht verschont.

Der kommunale Stimmenstreit in Serbiens Hauptstadt Belgrad macht auch vor dem früheren NS-Todeslager nicht halt. Ausgerechnet vor dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust am 27. Januar ließ die regierende Fortschrittspartei (SNS) vergangene Woche ein großdimensioniertes Parteilogo über die Fassade des Pavillons auf dem einstigen Messegelände «Staro sajmiste» spannen. Ein weiteres Spanntuch weist seitdem ein Nebengebäude als neues Lokalbüro der Partei von Staatschef Aleksandar Vucic aus.

Nach empörten Protesten von Menschenrechtlern hat die nationalpopulistische SNS das größere Parteibanner zwar wieder abhängen lassen. Doch die Kritik an dem neuen Büro auf dem Gelände des Todeslagers, in dem während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg über 10.000 Menschen ihr Leben verloren, weist der lokale SNS-Chef Aleksandar Ciric als «unbegründet» zurück. Das Gebäude, in dem sich das Parteibüro befinde, sei erst nach dem Krieg errichtet worden: Die Kritiker wollten nur «die Erfolge der Partei» diskreditieren.

«Zentrum für die Holocaust-Forschung»

Zu Jahresbeginn hatten die Stadtväter noch angekündigt, Staro Sajmiste mit neuen Museen zum «regionalen Zentrum für die Holocaust-Forschung» zu machen. Doch der pietätlose und unsensible Umgang mit der seit Jahren völlig verwahrlosten Gedenkstätte ist nach Ansicht von Kritikern typisch für eine Politik, die einerseits Serbien als ewiges Opfer feindlicher Aggression zu zeichnen pflegt, andererseits heimische NS-Kollaborateure wie den Tschetnikführer Draza Mihajlovic oder Kriegspremier Milan Nedic posthum reinzuwaschen sucht.

In Serbien würden nur die Kämpfe gegen den Faschismus gefeiert, klagte unlängst der Auschwitz-Überlebende Ivan Ivanji in einem Interview mit der Deutschen Welle: «Aber es wird nicht der Opfer gedacht. Sie sind nicht interessant.» Auch Kroatien setzt seit den Jugoslawienkriegen der 90er-Jahre auf die konsequente Aufpolierung der eigenen Geschichte: Nach Kräften müht sich Zagreb, die Verbrechen des kroatischen Ustascha-Regimes während des Zweiten Weltkriegs zu relativieren und zu verharmlosen.

«Propaganda»

Wegen der wiederholten Behauptung von Würdenträgern, dass das größte nicht von Deutschen geführte Vernichtungslager Jasenovac ein reines «Arbeitslager» gewesen sei und Jugoslawiens sozialistische Machthaber die Zahl von mindestens 83.000 namentlich erfassten Todesopfern absichtlich überhöht hätten, blieben die empörten Opferverbände bereits 2016 der offiziellen Gedenkfeier erstmals fern.

Eher peinlich wirken auch Zagrebs Reaktionen auf eine vom serbischen Außenminister Ivica Dacic in der vergangenen Woche eröffnete Ausstellung über das KZ Jasenovac im UN-Sitz in New York. Belgrad wolle die Öffentlichkeit mit falschen Angaben «manipulieren», so das kroatische Außenministerium in einer offiziellen Reaktion gegenüber der Nachrichtenagentur Hina: Es verurteile den Versuch, den UN-Sitz «für Propagandazwecke zu missbrauchen».

Auf wenig Verständnis stößt der Protest bei dem israelischen Historiker und Ausstellungsmacher Gideon Greif. Die kontrovers diskutierten Todeszahlen in Jasenovac würden in der Ausstellung gar nicht thematisiert, versichert Greif. Geschichte solle man von Politik trennen – und den Historikern und nicht den Regierungen überlassen, so seine Empfehlung: «Niemand sollte vor dieser Ausstellung Angst haben. Denn sie ist den Opfern und dem Gedenken an sie gewidmet.»