Die Rede hätte auch von einem farblosen Republikaner sein können: US-Präsident Donald Trump hat sich in Davos bis auf einen kleinen Ausrutscher beherrscht. „America first“ bedeute nicht „America alone“. Stimmt dies und wie kohärent waren die jüngsten Signale der US-Regierung? Eine Analyse.
Zyniker würden nach Trumps Rede behaupten: Das passiert, wenn man Spin Doctors wie Steve Bannon entlässt. Wie so oft hat der ansonsten polternde US-Präsident seine Rede vom Teleprompter abgelesen. Allerdings gab es dieses Mal keine martialische Sprache und Kampfansagen.
Er klang wie ein Mainstream-Republikaner. Die sonst für ihn typischen reaktionären Töne fehlten – bis auf seinen Seitenhieb gegen die Medien in der Fragerunde mit dem Präsidenten des Davoser Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab. America first, pro Business, niedrige Steuern, viel Geklopfe auf die eigene Schulter und eine Mischung aus Wirtschaft und Außenpolitik: dies waren Trumps zentrale Punkte seiner knapp 15-minütigen Rede. Selbst der seit Tagen angekündigte Handelskrieg und die Angst vor einem stärkeren US-Protektionismus klangen zumindest in seiner Rede ein wenig anders. Er deutete seine Bereitschaft an, nicht nur bilaterale, sondern auch multilaterale Handelsabkommen aushandeln zu wollen. Die Botschaft galt vor allem Staaten, mit denen er nicht mehr mittels TPP Freihandel betreiben will.
Kleiner Provinzfürst
Allerdings wirkte Trump wie der kleine Provinzfürst einer Handelskammer, als er für US-Unternehmen und den Standort USA an sich warb. Gerade hier wurde er nicht müde, auf die ach so tollen Steuererleichterungen hinzuweisen.
Gerade dies verdeutlichte, wie wenig Trump die klassische und streitbare Rolle der USA als selbsternannter Wirtschaftsmacht umdefiniert. In seiner Weltordnung diktiert Washington nicht mehr das multilaterale Umfeld, in dem Handel betrieben wird, sondern die Handelspartner werden mal einzeln oder im Grüppchen angelockt. Allerdings ist diese Taktik ein zweischneidiges Schwert, wenn sich der Präsident einer Wirtschaftsmacht wie der USA wie ein Salesman verkauft. Geschadet hat es ihm wohl nur auf dem politischen, nicht aber auf dem wirtschaftlichen Parkett. Denn die europäischen Wirtschaftsbosse haben sich in Davos bei einem Abendessen mit Trump darin überboten, sich anzubiedern (siehe Kasten). Außerdem will Trump, wie seine Amtsvorgänger wohl heimlich auch, keine internationale Partnerschaft, sondern vielmehr eine loyale Gefolgschaft, die seinem Staat alleine dient.
Besonders zynisch waren wie immer seine Aussagen mit Blick auf die Einwanderung. Hier meinte er etwa: „Die beste Absicherung gegen Armut ist ein dicker Gehaltsscheck.“ Statt des bisherigen Systems mit Familiennachzug werde Amerika sein Einwanderungsrecht umstellen. In Zukunft werde demnach eine Einwanderungserlaubnis von den mitgebrachten Kenntnissen der Antragsteller abhängig gemacht. Auf diesem könne man am besten den dicken Scheck erhalten …
Doch Trump koppelte diesen wichtigen Teil der US-Wirtschaft nicht an tiefgreifende Überlegungen. Konkret wurde er nur beim zuletzt heiß diskutierten „Freihandel vs. Protektionismus“. Hier wurde er vergleichsweise deutlich: „Die Vereinigten Staaten werden bei unfairen Handelspraktiken nicht mehr wegschauen. Wir können keinen freien und offenen Handel haben, wenn manche Länder das System auf Kosten anderer ausnutzen.“
Die zentrale Aussage
Doch gerade hier zeigte sich Trump im Vergleich zu den Bannon-Monaten, zumindest was seine Rhetorik betrifft, versöhnlicher. Seine „America first“-Doktrin habe deswegen Priorität. Der Kernsatz seiner Rede war hingegen: „Amerika zuerst bedeutet nicht Amerika alleine.“
Allerdings deutet momentan wenig darauf hin, dass Trump tatsächlich solch einen Kurs fahren will. Seine Regierung hat zuletzt Zölle von bis 30 Prozent auf den Import von Solarmodulen und gar bis zu 50 Prozent auf Waschmaschinen verhängt. Außerdem will er gegen die im Nachbarland Kanada produzierte CS100 von Bombardier Strafzölle in Höhe von satten 300 Prozent durchboxen. Insofern scheint der US-Präsident auch hier wie so oft Drohkulissen aufzubauen, um seine Handelspartner gefügig zu machen. Mindestens genauso irritierend waren die „Good cop, bad cop“-Rollenspiele von Trump und seinen verschiedenen Ministern. US-Finanzminister Steven Mnuchin sorgte mit der Aussage, ein schwacher Dollar sei gut, für Wirbel. Mnuchins Aussage sei falsch interpretiert worden, meinte dagegen der US-Präsident in Davos. Seine Regierung wolle einen stärkeren Wechselkurs anstreben.
Dass es jedoch starke Zweifel hieran gibt, zeigte die Reaktion einer Person: EZB-Chef Mario Draghi. Die rasante Abwertung des Dollars geht laut Draghi zum Teil auf das verbale Gepolter der US-Regierung zurück. So sei der starke Anstieg des Euro zum Teil auch auf Bemerkungen zurückzuführen, die einer wichtigen Vereinbarung widersprächen: Es ist ein No-go, Währungen hoch- oder runterzureden. Dass US-Handelsminister Wilbur Ross in Davos nachgelegt hatte und meinte, jetzt besetzten die US-Truppen ihre Verteidigungsmauern, zeigt, wie stark die aktuelle US-Regierung mit der Rhetorik spielt. Am Tag darauf meinte er: „Wir sind das am wenigsten protektionistische Land.“
Besagte Episoden zeigen, dass Trump und seine Regierung in ihrem Handeln vor allem eins sind: unberechenbar.
Europäische Firmenbosse und Lobhudelei
In seiner Rede schwärmte Trump gestern von seinen neuen „15 Freunden“. Doch wer war gemeint? Am Vorabend hatte Trump Europas Wirtschaftselite zum Abendessen getroffen und sie ähnlich wie bei seinen Inszenierungen bei öffentlichen Kabinettssitzungen für eine peinliche Lobhudelei-Inszenierung instrumentalisiert. Dies ging so weit, dass das Weiße Haus selbst das fast 20-minütige bitterpeinliche Video veröffentlichte. Beim gemeinsamen Abendessen sitzen Trump und die Firmenbosse von handverlesenen europäischen Firmen oder ausländischen Konzernen mit Sitz in Europa. Demnach gesellten sich um den Dinner-Tisch unter anderen die CEOs von Siemens, SAP, Adidas, Bayer und Thyssen-Krupp. SAP-CEO Bill McDermott wurde sogar direkt neben Trump platziert. Nach dem Abendessen wurde von Wirtschaftsmedien berichtet, Trump fühle sich im Kreis der Firmenbosse wohler als bei Meetings mit anderen Staatsoberhäuptern.
Als die Kameras ausgeschaltet wurden, habe es richtige Diskussionen gegeben, heißt es in mehreren Medienberichten. Gerade an diesen Kameras hätten sich einige CEOs gestört, denen es wohl peinlich ist, wenn andere ihre Hypokrisie und ihr schmieriges Anbiedern in Bild und Ton nachverfolgen können. Trump soll allerdings vor dem Essen gefragt haben, ob die Kameras o.k. seien. Wenn es um Business geht, sind sich die Herren für nichts zu schade …
Wollte Trump Sonderermittler Robert Mueller entlassen?
Donald Trump wies gestern in Davos Medienberichte zurück, gemäß denen er Sonderermittler Robert Mueller entlassen wollte. In einem Video sieht man Trump, wie er gefragt wird, ob er Mueller tatsächlich entlassen wollte. Die Antwort war typisch Trump: Alles nur „Fake News“. Es sei „typisch New York Times“, sprich falsche Geschichten. Die Times hatte berichtet, Trump habe Mueller im Juni 2017 entlassen wollen. Allerdings habe sein Rechtsberater Donald „Don“ F. McGahn II. ihm davon abgeraten und ihm gedroht, er werde eher selbst zurücktreten, als die Entlassung von Mueller in die Wege zu leiten. Nur deshalb soll Trump Mueller nicht entlassen haben. Er gilt als knallharter Jurist.
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