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Deutschland: SPD streitet über Nachbesserungen an Sondierungspapier

Deutschland: SPD streitet über Nachbesserungen an Sondierungspapier

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Bei den Sozialdemokraten gibt es viel Unzufriedenheit über die Ergebnisse der Sondierungen. Die CSU reagiert gereizt. Das zeigt: Eine Fortsetzung von Schwarz-Rot ist noch lange nicht ausgemacht.

Unionspolitiker haben gereizt auf SPD-Forderungen nach deutlichen Änderungen am Ergebnis der Sondierungen für ein neues schwarz-rotes Bündnis reagiert. Eine Woche vor dem SPD-Parteitag in Bonn, der für den Start von Koalitionsverhandlungen entscheidend ist, lieferten sich an den Sondierungen beteiligte Spitzenpolitiker von CSU und SPD einen verbalen Schlagabtausch. Bei der ersten Abstimmung an der SPD-Basis über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen siegten die Gegner. Ein entsprechender Juso-Antrag bekam bei einem SPD-Landesparteitag in Sachsen-Anhalt eine knappe Mehrheit.

Die SPD lässt am 21. Januar erstmals einen Bundesparteitag über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden. Obwohl sich auch frühere Kritiker positiv zu den Sondierungsergebnissen geäußert hatte, ist nach wie vor offen, ob es bei dem Delegiertentreffen in Bonn grünes Licht gibt. Macht der Parteitag den Weg frei, stimmen am Ende noch die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag ab. Auch hierbei könnte die Fortsetzung von Schwarz-Rot noch scheitern.

Rückhalt von den Stellvertretern

Mit den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer und Manuela Schwesig – beide lange skeptisch gegenüber einem solchen Bündnis – setzen sich wichtige Ministerpräsidentinnen inzwischen für den Start von Koalitionsverhandlungen ein. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Dreyer sagte der Deutschen Presse-Agentur, manchmal könnten auch «Zweckgemeinschaften ganz gute Arbeit leisten». Ihre Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Schwesig, sagte im NDR, die Bürger erwarteten, dass endlich eine Regierung zustande komme.

In Koalitionsverhandlungen werde man auch «über die Bürgerversicherung noch einmal sprechen müssen», sagte Dreyer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Sprecher der SPD-Linken in der Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sprach auf NDR Info zwar von Erfolgen bei der Bildungs- oder Europapolitik. «Aber es sind andere Dinge, beispielsweise die Bürgerversicherung, nicht erreicht worden.»

CDU-Vize Thomas Strobl sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montag): «Die Union ist strikt dagegen, einzelne inhaltliche Punkte noch einmal aufzumachen: Das Sondierungspapier ist die Grundlage für alle weiteren Gespräche. Grundlegende Dinge, die da nicht drin stehen, kommen auch nicht in einen Koalitionsvertrag.» Namentlich nannte er die Bürgerversicherung. «Es wird mit der CDU keine Gespräche über die Einheitskasse geben», sagte Strobl.

Koalition mit Bedingungen

Wie Dreyer pochte SPD-Parteivize Ralf Stegner auf ein Verbot von Job-Befristungen ohne sachlichen Grund. «Ich bin für Koalitionsverhandlungen. Eine Koalition aber bilden sollte die SPD nur, wenn auch die sachgrundlose Befristung fällt», sagte er der «Welt am Sonntag». «Diesen Punkt sollte der SPD-Parteitag am 21. Januar klarmachen.» Zugleich mahnte er seine Parteifreunde, sich nicht von der CSU beeinflussen lassen. «CSU-Lautsprecherei und manche Falschbehauptung sollten uns dabei überhaupt nicht jucken.»

Das dürfte eine Retourkutsche auf den Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gewesen sein. Dieser hatte der «Bild am Sonntag» gesagt, SPD-Chef Martin Schulz müsse jetzt «zeigen, dass die SPD ein verlässlicher Koalitionspartner sein kann und er den Zwergenaufstand in den Griff bekommt». Gemeint war offensichtlich der Versuch der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos und anderer Kritiker aus der SPD, ein Ja des Parteitags zu Koalitionsverhandlungen zu verhindern.

Auch Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) pochte auf die Sondierungsergebnisse: «Natürlich gilt alles. Die von allen Delegationen einstimmig beschlossene Sondierungsvereinbarung ist mit 28 Seiten doch fast schon ein Koalitionsvertrag», sagte der Landesfinanzminister der «Bild am Sonntag». Die Gegner einer großen Koalition in der SPD schmorten «offenkundig lieber im eigenen Saft, anstatt sich um die Anliegen der Menschen zu kümmern».

Klöckner rügt SPD-Verhandler

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner twitterte: «Diejenigen, die aus der SPD-Sondierungsgruppe nur wenige Stunden danach massive Änderungen darin fordern, stellen sich selbst ein sehr schlechtes Arbeitszeugnis aus!»

Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte dem «Tagesspiegel am Sonntag», eine Fortsetzung von Schwarz-Rot ohne entscheidende Veränderungen überzeuge ihn nicht. Er finde im Sondierungspapier zwar «gute Ansätze» in der Bildungspolitik und für bessere Arbeit und Ausbildung, befand das SPD-Präsidiumsmitglied. Aber: «Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht.» Müller fügte hinzu: «Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also.»

Vor dem Nein des SPD-Parteitags in Sachsen-Anhalt zu Koalitionsverhandlungen am Samstag hatte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) für eine Neuauflage von Schwarz-Rot geworben. Er kritisierte das SPD-Entscheidungsverfahren mit einem zwischengeschalteten Parteitag. Die Entscheidung müsse den SPD-Mitgliedern überlassen bleiben, sagte der frühere Parteichef. Das Verfahren sei nicht nur ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Parteivorstand. «Das ist auch ein Misstrauen gegenüber der eigenen Basis», sagte Gabriel. «Wenn wir die Basis immer hochhalten, dann muss ich sie auch entscheiden lassen.»

Deutsche wollen Groko

Einer Umfrage zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Bürger, dass der SPD-Parteitag Verhandlungen zustimmt. Entsprechend äußerten sich in der Infratest-dimap-Umfrage für die «Bild am Sonntag» 60 Prozent der 500 Befragten, 30 Prozent wollen das nicht.

Laut einer anderen Umfrage glaubt eine Mehrheit der Bundesbürger allerdings nicht daran, dass Schulz seine Parteibasis letztlich vom Eintritt in eine GroKo überzeugen kann. 45 Prozent der Befragten beantworteten eine entsprechende Frage in einer Civey-Erhebung im Auftrag der Funke-Mediengruppe mit «eher nein» oder «nein, auf keinen Fall». Rund 38 Prozent zeigten sich gegenteiliger Meinung.