Nach mehr als 24-stündigen Sondierungen über eine neue große Koalition in Deutschland ist den Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD ein Durchbruch gelungen.
Die drei Vorsitzenden, Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und vor allem Martin Schulz (SPD), wollen ihren Parteien die Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen empfehlen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitagmorgen in Berlin aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Allerdings müssen die jeweiligen Sondierungsgruppen dem Ergebnis der Spitzen noch zustimmen. Tun sie das, müsste der SPD-Parteitag in der kommenden Woche Ja sagen.
28 Seiten mit Vereinbarungen
Das vorläufige Sondierungspapier hat einen Umfang von 28 Seiten. In Berlin berieten am Morgen zunächst die jeweiligen Sondierungsgruppen über dessen Annahme. Anschließend sollte die große Gruppe der rund 40 Sondierer erneut zusammenkommen. Offen war zunächst, mit welcher Formulierung Schulz den Gremien seiner Partei die Aufnahme offizieller Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU vorschlagen wird.
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl dürfte die Hürde für die SPD-Spitze besonders hoch sein. Sie braucht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen die Zustimmung eines Parteitags am 21. Januar in Bonn. Die SPD-Spitzen, voran Schulz, wollen in den nächsten Tagen bei der Parteibasis für eine Neuauflage der ungeliebten großen Koalition werben. Die SPD-Jugendorganisation Jusos will dagegen Widerstand mobilisieren. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert tourt deswegen durch mehrere SPD-Landesverbände, wie er der dpa sagte.
Bis zum Schluss rangen die Sondierer dem Vernehmen nach um die künftige Finanzpolitik sowie um den Bereich Migration und Flüchtlinge. Aber auch bei Themen wie Rente und Gesundheit hakte es lange Zeit. Ein Scheitern der Sondierungen war bis zuletzt nicht ausgeschlossen worden, ebenso eine Vertagung.
Lange Wunschliste
Merkel und Schulz hatten am Donnerstagvormittag vor Beginn der letzten Sondierungsrunde den Willen zur Einigung bekräftigt. Zugleich war aber klar, dass noch «große Brocken» aus dem Weg geräumt werden mussten.
Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gerungen. Obwohl immer wieder ein finanzieller Spielraum von 45 Milliarden Euro für eine künftige Regierung genannt worden war, summierten sich die Kosten für gewünschte Einzelvorhaben zum Teil auf rund das Doppelte. Darunter waren Vorschläge wie die Einführung einer solidarischen Lebensleistungsrente, mit der die Renten von langjährigen Geringverdienern aufgebessert werden könnten. Außerdem ging es um eine zusätzliche Unterstützung der Kommunen im zweistelligen Milliardenbereich.
Schwierig waren die Gespräche auch im Zusammenhang mit der SPD-Forderung nach einer Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent. Wenn diese Anhebung linear erfolgt, könnte dies auch niedrigere Einkommen treffen. Der CDU/CSU ist es im Gegenzug wichtig, beim Abbau der nach der deutschen Wiedervereinigung eingeführten Sondersteuer Solidaritätszuschlag voranzukommen, wie es hieß. Zugleich pochte sie dem Vernehmen nach angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die «schwarze Null» – also den Verzicht auf neue Schulden im deutschen Haushalt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können