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Ein erster Blick in das Trump-Enthüllungsbuch

Ein erster Blick in das Trump-Enthüllungsbuch

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Der US-Journalist Michael Wolff hat 18 Monate im Trump-Universum verbracht – und erlebte dabei hautnah den Wahlkampf und den Anfang von Trumps Regierungszeit. Dabei interviewte er rund 200 Personen im Umfeld des US-Präsidenten sowie «The Donald» selbst.

Weil der US-Präsident mit einer Klage gegen das Buch drohte, ist «Fire and Fury: Inside the Trump White House» (Feuer und Wut: In Trumps Weißem Haus) jetzt früher als geplant in den USA erschienen – und platzierte sich prompt auf der Bestsellerliste von Amazon. Auch wir haben einen ersten Blick in die E-Book-Version des Buchs geworfen und einige brisante Zitate gefunden (siehe Diashow).

Umstrittener Autor

Der Autor Michael Wolff ist nicht ganz unumstritten. Zwar erhielt der Medienkolumnist einige renommierte Preise für seine Arbeiten, doch wird ihm auch ein Hang zur Übertreibung nachgesagt. Neben die erwartbare Kritik aus dem Weißen Haus gesellt sich auch jene der Washington Post, eines Blattes, das sonst nicht gerade für einen feinfühligen Umgang mit dem US-Präsidenten bekannt ist. Doch Wolff hält dagegen und sagt, dass er sämtliche Zitate und Behauptungen in «Fire and Fury» mit entsprechenden Aufzeichnungen belegen könne.

Also doch keine Fake News, wie Trump inflationär oft Kritik abtut? Seriöse Schreiber behaupten, Wolff habe für das Buch «Quellen verbrennen» lassen: Sie hätten Ähnliches durch ihre Quellen in Erfahrung gebracht, es aber – weil zur Verschwiegenheit ermahnt – nicht benutzt. Wolff aber tat es.

Für «The Donald» ist das Buch eine einzige Katastrophe. In seinem Umfeld sollen alle von Anfang an an seiner Regierungsfähigkeit gezweifelt haben. Der Autor selbst äußerte sich in der «Today Show» dazu: «Jeder beschrieb ihn auf die gleiche Weise. Sie sagten, er sei wie ein Kind.» Dazu schreibt Wolff gleich am Anfang seines Buches (auf Seite 2): «Du haust Donald auf den Schädel und er macht weiter. Er weiß noch nicht einmal, dass du ihn geschlagen hast.»

Fernsehen kann er selbst

In der Mitte des Buches beschreibt der Autor den Umgang Trumps mit den Medien. Hope Hicks, dessen Wahlkampfhelferin und Sprecherin, hatte unter anderem die Aufgabe, den Präsidenten über die geschriebene Presse zu informieren. Dabei sollte sie ihm möglichst gute Nachrichten überbringen. Doch das war nicht immer einfach. Immerhin: Fernsehen konnte Trump selbst. Über die drei Fernsehbildschirme in seinem Schlafzimmer verfolgte er die Berichterstattung.

An einer anderen Stelle heißt es: Trump las nicht. Er überflog noch nicht mal. War es gedruckt, hätte es ebenso gut nicht existieren können. (…) Er war post-literarisch: alles Fernsehen.

 

 

Im Wahlkampf rechnete Trump wohl nicht wirklich damit, einmal Präsident zu werden: Das Leitmotiv für Trump bezüglich seines eigenen Wahlkampfs war, wie läppisch er war und dass jeder, der involviert war, ein Loser war. Er war auch überzeugt, dass die Clinton-Leute brillante Gewinner waren: «Sie haben die Besten und wir haben die Schlechtesten», sagt er andauernd. Mit Trump verbrachte Zeit im Wahlkampf-Flieger war oft eine epische Erfahrung im Niedermachen: Jeder um ihn herum war ein Idiot. (Seite 10)

Als die einflussreichen Multimilliardäre Mercers ihren Plan präsentierten, den Wahlkampf zu übernehmen, um Steve Bannon und Kellyanne Conway einzubringen, lieferte Trump keinen Widerstand. Er äußerte nur großes Unverständnis, warum jemand so etwas tun wollte. «Diese Sache» (der Wahlkampf, die Red.), sagte er den Mercers, «ist so fucked up.» (Seite 12)

Offensichtlich ging nicht nur Trump nicht von einem Wahlsieg aus: Mike Flynn, Trumps zukünftiger Berater für nationale Sicherheit, (…) bekam von Freunden gesagt, es sei keine gute Idee gewesen, von den Russen 45.000 Dollar für eine Rede zu nehmen. «Es wäre nur ein Problem, wenn wir gewinnen würden», sagte er dann beruhigend, wissend, dass es also kein Problem wäre. (Seite 16)

Trumps Verhalten gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt, so der Autor. Manchmal breche «The Donald» in Jähzorn aus. Als die ersten Hochrechnungen ihn als möglichen Präsidenten voraussagten, kam es bei ihm zur Metamorphose: Innerhalb einer Stunde, wie Steve Bannon nicht unamüsiert bemerkte, verwandelte sich der berauschte Trump in einen ungläubigen Trump und dann in einen ziemlich entsetzten Trump. Aber was noch kommen sollte, war die letzte Verwandlung: Plötzlich wurde Donald Trump zu einem Mann, der glaubte, dass er es verdiente und vollkommen fähig wäre, Präsident der USA zu sein. (Seite 18)

Fast schon schizophren

Und noch eine Passage zu Trumps fast schizophrenen Verhaltenszügen: Er war oft selbstsicher, aber ebenso oft war er wie gelähmt, weniger ein Inselbegabter als eine Figur voller stotternder und gefährlicher Unsicherheit, dessen instinktive Antwort war, einfach auszuschlagen, als ob sein Bauch, so still und verwirrt er auch war, tatsächlich ein klarer und machtvoller Wegweiser wäre.

Bei manchen Vorgängen scheint der US-Präsident nicht ganz durchzublicken und schustert sich seine eigene Realität zusammen. Die Zeitung Washington Post schreibt, dass sich der neue Justizminister Jeff Sessions zweimal mit dem russischen Botschafter Sergej Kislyak getroffen habe. Trumps Reaktion: «So what?» Trump weckt den Eindruck, nicht zu verstehen, was daran schlimm sei, sich während des Wahlkampfes mit den Russen getroffen zu haben. «There is nothing wrong with that.» Für ihn war die Washington-Post-Story ein Versuch, Sessions etwas anzuhängen. Sessions habe doch gesagt, er habe sich nicht als «campaign surrogate» mit den Russen getroffen, so der Präsident. «Also hat er es auch nicht. Fall abgeschlossen. Fake News.» (Seite 151)

Drahtzieher hinter dieser Geschichte war Trumps Meinung nach die Obama-Administration. Dass die Justiz nun in dieser Angelegenheit ermittle, sei gut, da sie ja dann endlich gegen die Obama-Regierung ermittle, so Trumps Logik.

Obamacare? Who cares?

Trump war auch die Gesundheitsreform seines Vorgängers ein Dorn im Auge. Aber nur scheinbar. Denn persönlich interessierte ihn das Thema kaum, wie folgender Textauszug zeigt: Trump hatte wenig oder gar kein Interesse daran, das zentrale Ziel der Republikaner – nämlich die Abschaffung von Obamacare – durchzusetzen. Als übergewichtiger 70-Jähriger mit verschiedenen körperlichen Phobien (so log er etwa über seine Größe, um einen Body-Mass-Index zu vermeiden, der ihn als fettleibig einstufen würde) fand er persönlich Gesundheitsvorsorge und medizinische Behandlungen aller Art ein widerliches Thema. Die Details der umstrittenen Gesetzgebung waren für ihn besonders langweilig – seine Aufmerksamkeit verflog beim ersten Wort einer entsprechenden Diskussion. (Seite 163)

Von Eric Rings und Frank Goebel