Der iranische Armeechef General Abdulrahim Mussawi hat den regimekritischen Demonstranten mit einem Eingreifen des Militärs gedroht. «Der große Satan (USA), die Zionisten (Israel) und ihr neuer Wasserträger (Saudi-Araber) wollten dem Iran schaden … falls es notwendig gewesen wäre, würde sich auch die Armee an dem Kampf gegen die vom Teufel Verführten (Demonstranten) beteiligen», sagte Mussawi am Donnerstag nach einem Bericht des Nachrichtenportals Asriran. Mussawi sagte weiter, bis jetzt sei dies nicht notwendig gewesen. Im Iran protestieren seit gut einer Woche Gegner der politischen und religiösen Führung.
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi rief ihre Landsleute zu zivilem Ungehorsam und weiteren Protesten auf. Während die Demonstrationen gegen Führung und Klerus im Iran nachzulassen schienen, forderte sie «auf der Straße zu bleiben», wie die im Exil lebende Menschenrechtlerin und frühere Richterin der in London erscheinenden arabischen Tageszeitung Asharq al-Awsat (Donnerstag) sagte. Um Druck auf die Regierung auszuüben, sollten die Iraner auch Strom- und Wasserrechnungen und Steuern nicht bezahlen sowie ihre Gelder von den Konten der regierungseigenen Banken abziehen. Gewalt müsse aber vermieden werden.
Weitere Demonstrationen in der Nacht auf Donnerstag
Eine Woche nach Beginn der Proteste gab es in der Nacht auf Donnerstag weitere Demonstrationen. In sozialen Medien zeigten Aktivisten, Blogger und Journalisten Videos von einigen Kundgebungen, die unter anderem in den Städten Noschar im Norden, Sarrin Schar im Osten, Kermanschah im Nordwesten, Bandar Abbas im Süden oder Ahwas und Desful im Südwesten gefilmt worden sein sollen. Ein Video zeigte Menschen, die Slogans gegen den obersten iranischen Führer Ajatollah Ali Chamenei skandierten. Die Berichte ließen sich unabhängig zunächst nicht bestätigen.
Das Ausmaß der Proteste blieb unklar. Innenminister Abdulurea Rahmani Fasli sagte der Nachrichtenagentur Isna am Donnerstag, an den Protesten hätten bisher «höchstens 42.000 Menschen» teilgenommen.
Beobachter halten das für untertrieben. Der Forscher M. Ali Kadivar, der an der renommierten Brown-Universität in den USA zu Protestbewegungen im Iran arbeitet, registrierte bis Donnerstag Proteste in 75 Städten. Er hatte erklärt, das Momentum scheine sich aber zu verringern. Die Zahl der neu hinzukommenden Städte schrumpfe offenbar. Am Freitag, einem freien Tag, könne es nach den Mittagsgebeten mehr Kundgebungen geben.
Welle von Festnahmen
Die Welle der Festnahmen wurde am Donnerstag fortgesetzt. Unter den Festgenommenen soll ein EU-Bürger sein, der nach offiziellen Angaben in der Stadt Borudscherd im Westen des Landes in Haft ist. Der Justizchef der Stadt, Hamid-Resa Bolhassani, sagte der Nachrichtenagentur Tasnim, der Mann sei von europäischen Geheimdiensten ausgebildet und nach Borudscherd entsandt worden, um dort Proteste zu leiten. Er sagte nicht, aus welchem Land der Mann stammt und ob er auch die iranische Nationalität hat.
Ajatollah Ali Chamenei, das politische und religiöse Oberhaupt im Iran, hatte ausländische Kräfte beschuldigt, für die Eskalation der Proteste im Land verantwortlich zu sein. Insgesamt sollen weit über 1.000 Menschen festgenommen worden sein.
Auf neue Todesopfer oder Verletzte gab es am Donnerstag nur Hinweise. Laut der Nachrichtenagentur Tasnim sollen Sicherheitskräfte ein «Terrorteam ausgelöscht» haben, das mit der «Fortführung der Rebellion mithilfe von Sprengsätzen (…) und der Ermordung Unschuldiger» beauftragt gewesen sei. Schon bis zum Dienstag waren mindestens 19 Menschen – die meisten Demonstranten – getötet worden.
Führung verlangsamt Internet
Es blieb schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Verbreitung von Informationen aus den Reihen der Demonstranten wird behindert. Die iranische Führung verlangsamt teils das Internet und hat einige soziale Medien ganz blockiert.
Gleichzeitig fielen die von der iranischen Führung organisierten Gegenproteste, die zeigen sollen, dass das System noch vom Volk unterstützt wird, auch am Donnerstag wieder sehr viel größer aus als die regimekritischen Demonstrationen. Einige gab es schon am Morgen, zum Beispiel in Isfahan, Maschad oder Ardabil. Am Vortag waren Hunderttausende Menschen für die Führung marschiert.
Die regimekritischen Proteste wiederum spielen sich weiterhin weitgehend spontan und führerlos vor allem in ländlichen, armen Gebieten ab. In den großen urbanen Zentren wie der Hauptstadt Teheran gab es nur wenige Kundgebungen. Die Mittelschicht hält sich bisher weitgehend aus dem Protesten heraus. Sie fürchtet, dass gewalttätige Proteste den vorsichtigen Reformkurs unter Präsident Hassan Ruhani beschädigen und Hardliner zurückbringen könnten.
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