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Was gerade im Iran passiert

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Seit sechs Tagen wüten Proteste im Iran. Mindestens 19 Menschen sind dabei getötet worden. Das Mullah-Regime hat unterdessen Hunderte Demonstranten eingesperrt, Geheimdienste sowie Generalstaatsanwaltschaft erhöhen unterdessen die Repression. In welchen geopolitischen und wirtschaftlichen Kontext sich all dies einbettet, lesen sie hier – und in unserem zweiten Text über den Syrienkrieg.

Rolle der Kurden

Auch im Iran sind die Kurden eine unterdrückte Minderheit. Sie gehören zu den wichtigsten Unterstützern der aktuellen Proteste gegen das Regime. Der Iran half der Zentralregierung im Irak, die Unabhängigkeitsbewegung des irakischen Kurdistans zu ersticken, um so mittels einer Pipeline das dortige Erdöl an sich zu reißen, berichtete Business Insider jüngst. Die iranischen Revolutionsgarden sollten die Öl-Exporte kontrollieren. Die Kurden im Iran nutzen nun die Gunst der Stunde, um Revanche zu nehmen. Auch im Irak, das wegen des Kampfes gegen den IS von schiitischen Milizen u.a. aus dem Iran überflutet wird, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Iranern. Unterdessen wurden am Dienstag nach drei Monaten zwei Grenzübergänge im Iran zu den Kurdengebieten im Nordirak wieder geöffnet.

Immer wieder werden die heutigen Proteste mit jenen aus dem Jahr 2009 verglichen. Es gibt jedoch einen großen Unterschied. Die Proteste haben dieses Mal außerhalb der Hauptstadt begonnen, in Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Landes. Erst danach entzündeten sie sich in anderen Orten, um letztendlich Teheran zu erreichen. Die Rolle der Kurden ist in diesem Kontext wichtig. Ein weiterer Unterschied im Vergleich zu 2009 ist die Tatsache, dass die Proteste damals rein politisch waren, sich heute aber vor allem gegen die schlechte Wirtschaftssituation richten.

Worum es beim Nukleardeal ging

Nach Jahren des Ringens einigten sich die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran am 14. Juli 2015 in Wien auf ein Abkommen: kontrollierte Reduzierung der iranischen Uranbestände und – im Gegenzug – die Lockerung westlicher Sanktionen. Der Iran unterwarf seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die internationale Atomenergiebehörde. In den ersten zehn Jahren müssen mehr als zwei Drittel der bestehenden Kapazitäten zur Urananreicherung stillgelegt werden. Die Zahl installierter Zentrifugen soll von 19.000 auf rund 6.000 sinken. Uran darf nur noch auf 3,67 Prozent angereichert werden – dieser Anreicherungsgrad reicht für die Nutzung in Kraftwerken aus. Für eine Atombombe wäre auf 90 Prozent angereichertes Uran nötig. Die Menge von bereits angereichertem Uran wird für 15 Jahre von mehr als 10.000 auf 300 Kilogramm reduziert. Iran hatte einen Anreicherungsgrad von bis zu 20 Prozent erreicht.

 

Die wichtigsten politischen Institutionen der Mullahs

Führer der islamischen Revolution: Ajatollah Ali Chamenei ist das geistliche Oberhaupt und zugleich die höchste Autorität des Landes (siehe S. 5).

Expertenversammlung: wählt den Revolutionsführer und kann ihn entlassen.

Präsident: Er ist Staats- und Regierungschef. Wird vom Volk alle vier Jahre gewählt. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er ernennt Minister, denen das Parlament zustimmen muss.

Parlament: Das Einkammerparlament wird alle vier Jahre vom Volk gewählt und kann den Präsidenten durch ein Misstrauensvotum abwählen.

Wächterrat: Dieser Verfassungsrat prüft die Vereinbarkeit der verabschiedeten Gesetze mit Grundsätzen des islamischen Rechts. Bei allen Wahlen entscheidet er über die ideologische und religiöse Zuverlässigkeit von Kandidaten. Die zwölf Mitglieder des Rates werden je zur Hälfte vom geistlichen Führer und vom Parlament ernannt.

Irans Wirtschaft

Hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerung sind zwei der wichtigsten Schlagwörter rund um Irans kränkelnde Wirtschaft. Das Ende der Sanktionen nach dem Nukleardeal hat den Iranern bislang keine Vorteile gebracht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12,5 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 30 Prozent. Bis zum 20. März 2017 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 12,5 Prozent. Dies allerdings fast ausschließlich wegen des Anstiegs der Öl-Exporte. Auch der Blick auf die „wahrgenommene“ Korruption zeigt, ein Unwohlbefinden in der iranischen Bevölkerung. Die finanziellen Hilfen für die militärischen Partner im Ausland stoßen zudem auf sehr viel Unverständnis und haben teils zu rassistischen Ressentiments gegen Araber geführt.

Die zentralen Figuren

Auch wenn das politische System Freiraum bei der Wahl der Abgeordneten und des Staatschefs lässt, entscheidet eine Person im Vorfeld, wer es in die engere Auswahl schafft: Ajatollah Ali Chamenei. Er ist Irans oberster geistlicher Führer und Nachfolger des legendären Ajatollah Ruhollah Chomeini, der 1989 starb. Chamenei hat seine Macht seitdem zementiert und gilt bis heute als Chefstratege Nummer eins im Iran. Selbst Hassan Ruhani ist Präsident von Chameneis Gnaden. Der Nukleardeal wäre etwa ohne grünes Licht von Chamenei, der auch Oberkommandeur der Armee und der Revolutionsgarden ist, undenkbar gewesen.

Revolutionsgarden

Sie sind die mächtigsten bewaffneten Kräfte des Iran und die Speerspitze im regionalen Machtkampf: die Revolutionsgarden. Qassem Soleimani, Kommandeur der al-Quds-Einheit, einer Division der Revolutionsgarden, ist spätestens seit dem Syrien-Krieg ihr bekanntestes Gesicht. Die Garden sollen 125.000 bis 300.000 Mann zählen. Die USA werfen ihnen vor, eine Terrorgruppe zu sein. Das offizielle iranische Militär soll rund 520.000 Mann zählen. Die Garden sind mit moderner Waffentechnologie sowie mit eigenen Heeres- und Marineeinheiten ausgerüstet. Sie sind auch im Kampf gegen politische Gegner im Inland im Einsatz.

Der (Un-)Populäre

Vom Westen wurde er als Hoffnungsträger gefeiert, zu Hause ringt er mit konservativen Kräften: Präsident Hassan Ruhani. Er gehört zu jener Generation, die im Ausland studierte, gleichzeitig aber ein schiitischer Rechtsgelehrter ist. Er wurde 2013 zum ersten Mal für seine vergleichsweise gemäßigte Innenpolitik gewählt. Der Nukleardeal von 2015 gehört zu seinen Erfolgen. Allerdings hat der Iran unter Ruhani kein Geheimnis daraus gemacht, die Hegemonie in der Region an sich reißen zu wollen. Trotz des Deals hat sich die wirtschaftliche Lage im Land unter Ruhani verschärft. Der iranische Militarismus ist zudem kostenintensiv.