Papy Hannibal Flynt, so nennt sich der angeblich älteste DJ der Welt. Der 88-Jährige tritt in Clubs weltweit auf und pendelt zwischen seinem Wohnsitz in Paris und Luxemburg. Am vergangenen Freitag legte der Franzose mit amerikanischen Wurzeln auf der Luxuriant Christmas Party im «Soho» in Hollerich auf. Und das zwischen 2 und 4 Uhr morgens! Schafft man das in dem Alter überhaupt noch? Wir haben den «mysterious electronic music composer and DJ», wie er sich selbst nennt, zum Interview getroffen.
Bereits bei dem für Franzosen typischen Begrüßungskuss ahne ich, dass mit den Wangen des alten Herren etwas nicht stimmt. Sobald er mir gegenübersitzt, wird mir klar: Er trägt eine Maske, und zwar eine äußerst gut gemachte. Sogar an kleine Details wie die für Senioren typischen Nasenhaare hat er gedacht.
Auch seine Hände und Unterarme sind aus Gummi und zeigen unzählige bunte Tattoos. Bei einem gewissen Abstand würde keiner infrage stellen, dass es sich bei Hannibal Flynt um einen, zugegeben sehr außergewöhnlichen, aber betagten Herren handelt. Auch sein Kopf und sein Nacken, übersäht von Altersflecken, sind mit jugendlichen Tattoos versehen. Auf seiner linken Hand prunkt groß sein Geburtsjahr: 1929.
Hannibal Flynt, der sich in Zwischenzeit bereits einen Namen in der Szene gemacht hat, bleibt allerdings trotz offensichtlicher Anzeichen knallhart bei seiner Story. Der Krieg habe ihn geprägt, so Flynt, dessen wahre Identität sowie auch sein wirkliches Alter wohl ein Geheimnis bleiben werden. Auf Fragen zu seiner Vergangenheit antwortet er nur knapp.
Trotzdem vermittelt der Künstler eine wichtige Message: Jeder soll tun, was ihn glücklich macht und was er möchte, keiner soll sich in eine Schublade stecken lassen.
Tageblatt: Sie haben am Freitag im «Soho» in Luxemburg aufgelegt. Wissen die Luxemburger, wie man Party macht?
DJ Papy Hannibal Flynt: Ich liebe Luxemburg! Ich spiele nicht oft genug hier, das will ich unbedingt ändern. Dieses Multikulturelle gefällt mir am besten. Hier habe ich schon Menschen aus aller Welt kennengelernt. Es ist ein sehr offenes Land, in dem alle zusammen im Einklang leben, und das finde ich echt super.
Seit wann sind Sie eigentlich DJ und wie kam es dazu?
Ich bin seit 2013 DJ. Ich habe nach einem Sinn im Leben gesucht und da sind mir junge Menschen begegnet, die mir gesagt haben: «Papy, wieso wirst du eigentlich nicht DJ?» So kam ich auf die Idee, DJ und Musikproduzent zu werden. Damit will ich zeigen, dass auch alte Menschen dem Leben noch einen Sinn geben können.
Sie hatten schon ein langes Leben, bevor Sie DJ wurden. Was haben Sie davor gemacht?
Ich hatte ein banales Leben. Ich habe normal gearbeitet, hatte eine Frau. Als diese dann starb, habe ich mich in die Musikproduktion gestürzt, ansonsten wäre ich daran zugrunde gegangen. Ich hatte nichts anderes mehr.
Sie haben die Anfänge der elektronischen Musik in den 70ern miterlebt. Was ist Ihre Inspiration?
In der Tat. Da waren Pierre Henry, der Wegbereiter der elektronischen und konkreten Musik, aber auch Kraftklub, die mich sehr inspiriert haben. Alles, was in Richtung Krautrock geht, liebe ich. Das hat mich immer angezogen und mir den Weg geebnet.
Ich nehme meine Inspiration von überall her, auch von aktuellen Musikern. Heute spiele ich Bass Music, alles, was Gangster House und Trap ist. Ich mag etwas aggressivere Musik, die die Leute zum Tanzen bringt. Ein bisschen rau und underground.
Wo hat Ihr Job als DJ Sie schon überall hingebracht und wo haben Sie Ihre besten Erfahrungen gesammelt?
Ich bin jetzt seit knapp anderthalb Jahren sehr viel unterwegs. Ich habe verschiedene Konzepte. Wenn ich in Clubs in Frankreich spiele, muss ich das Ganze etwas allgemeiner halten, weil die Musik dort sehr urban ist und es den Leuten schwerfällt, sich auf etwas anderes einzulassen.
Aber in Lissabon zum Beispiel kann man wirklich elektronische Musik spielen. Genauso in England und New York, wo ich in einem Square aufgelegt habe. Ich bin allerdings noch mitten in der Entwicklung und denke mir, auch wenn ich alt bin, habe ich noch Zeit. Vor allem will ich Spaß haben.
Planen Sie, ein Album herauszubringen?
Momentan lege ich sehr viel Wert auf das Komponieren. Anfang 2018 wird mein neues Album erscheinen, wo es mir hauptsächlich darum geht, zu zeigen, wer ich bin. Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, mich durch meine Musik zu definieren, und nicht nur als DJ.
Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie in Ihrem Alter beschlossen haben, DJ
zu sein?
Ich habe keine Familie mehr. Aber ich bin jetzt jedermanns Großvater. Ich kenne so viele Menschen, die mir Kraft geben.
Wie alt fühlen Sie sich?
Ich fühle mich wie 20, aber mit der Mentalität eines alten Mannes. Ich habe mehr Lebenserfahrung. Weil ich auch bereits Filmmusik gemacht habe, fragen manche Menschen mich, ob ich mich nicht auf ein Genre festlegen will. Ich sage ihnen: Nein, ich bin alt und habe schon so viel gesehen; ich kann mir erlauben, zu tun, was ich will.
Wie lange wollen Sie das noch machen?
Ich plane, in fünf Jahren zu sterben, am 12.12.2022. Ich will bis dahin noch auf den großen Festivals auftreten. Das «Coachella» ist mein Ziel und es gibt nichts, was mich im Moment aufhält. Ich lasse mir noch fünf Jahre und danach sterbe ich in Ruhe. Dann bin ich 93, das reicht.
Auch wenn das Interview nicht allzu ernst zu nehmen ist, ist DJ Hannibal Flynt ein Phänomen. Wer weiß, vielleicht «stirbt» die Kunstfigur wirklich in fünf Jahren, um dann wie ein Phönix aus der Asche mit seiner wahren Identität wiederaufzuerstehen. Eine geniale Idee wäre das Ganze allemal.
Melody Hansen
Ninja - Die Antwoord