Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze
Spaniens Robin Hood ist nicht mehr der Jüngste, aber immer noch voller Tatendrang. Angel García ist 80 Jahre alt, katholischer Geistlicher, und alle nennen ihn Pater Angel. Sein Vorname Angel heißt auf Deutsch Engel. Das passt ziemlich gut für diesen Mann, der ein großes Herz hat und sich dem Kampf gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit verschrieben hat.
Das neueste Projekt von Pater Angel sind Restaurants für jene, die es sich normalerweise nicht leisten können, an einem gedeckten Tisch in einem Speiselokal zu tafeln. Drei dieser Restaurants hat der Mann bereits im Großraum Madrid eröffnet. Bald sollen es noch mehr werden. Alle haben denselben Namen: Robin Hood, so wie jener englische Sagenheld, der angeblich den Reichen nahm, um es den Armen zu geben.
Draußen, vor der Tür eines dieser Robin-Hood-Restaurants im Zentrum Madrids, verkündet ein großes Schild das Tagesmenü. «Vorspeise: Freundschaft. Hauptspeise: Würde. Nachtisch: nette Gesellschaft.» Ja, Letzteres ist Pater Angel, Spaniens bekanntestem Samariter, besonders wichtig. Er will jenen Menschen, die auf der Straße leben, menschliche Wärme geben. Ihnen signalisieren, dass sie nicht ausgestoßen und isoliert sind, sondern dazugehören.
Drei-Gänge-Mittagsmenü
Wohlhabende und Arme können in den Robin-Hood-Lokalen gleichermaßen essen – auch wenn sie es meist getrennt tun. Während des Tages sind die Lokale ganz normale Restaurants, in denen zu bürgerlichen Preisen ein schmackhafter Mittagstisch serviert wird. Am Abend, wenn der Magen der Hungernden am lautesten knurrt, sind diese Gasthäuser nur für Notleidende geöffnet.
Das Drei-Gänge-Mittagsmenü mit Salat, gegrilltem Lachs und Eis kostet mitsamt Getränk zwölf Euro. Das ist nicht viel, und so geben die zahlenden Gäste gerne etwas mehr, spenden oft sogar das Geld für ein komplettes Menü, um die Kasse für die Armenspeisung zu füllen. Wenn sich die Robin-Hood-Lokale dann abends in eine Volksküche verwandeln, wird genau das gleiche gepflegte Speisemenü aufgetischt, das mittags auf der Karte stand. Solide Restaurantküche, unterschiedslos für alle – aber am Abend ist es kostenlos.
Dann kommen Menschen wie José. Ein 53-Jähriger, der nach Arbeitslosigkeit und Überschuldung auf der Straße landete, nun von Almosen lebt und dank Robin Hood zuweilen eine anständige warme Mahlzeit in den Bauch bekommt. «Ein Geschenk des Himmels», sagt der Mann mit Tränen in den Augen.
Werk der Barmherzigkeit
Pater Angel, Gründer der schon Jahrzehnte aktiven Hilfsorganisation «Mensajeros de la Paz» (Botschafter des Friedens), hat der Robin-Hood-Legende nun also ein neues Kapitel hinzugefügt. Und er hat die Sage in seinem Sinne modernisiert. Es gehe nicht darum, den Wohlhabenden etwas wegzunehmen, um es den Armen zu geben, erklärt Pater Angel. Sondern es gehe ums Teilen.
Vorspeise: Freundschaft. Hauptspeise: Würde. Nachtisch: nette Gesellschaft.
– Pater Angel
«Diejenigen, die mehr haben, teilen mit jenen, die es am meisten nötig haben.» Dabei sei ihm wichtig gewesen, die Armenspeisung würdevoll zu organisieren. «Die Menschen ohne Obdach oder mit wenigen Mitteln sollen sich an einen Tisch mit Tischdecke und Besteck setzen können und von Kellnern bedient werden.» Die Solidarität ist groß: Die Robin-Hood-Gasthäuser sind inzwischen bei Madrids Bürgern so beliebt, dass man ohne Reservierung mittags keinen Tisch mehr bekommt. Auch Spaniens Starköche helfen dem Pater bei seinem großen Werk der Barmherzigkeit und kommen manchmal zum Kochen vorbei.
Am Weihnachtsabend gibt es ein Solidaritätsmenü, das von Spaniens Drei-Sterne-Koch Martín Berasategui für Madrids Arme kreiert wird. Zum Festtag zieht Pater Angel in einen großen Speisesaal in der City um, in dem 200 Menschen verköstigt werden können. Es dürfte ein wahres Festmahl für die Menschen in sozialer Not werden, das sich selbst etablierte Bürger eher selten leisten können. Denn das Feinschmeckermenü in Berasateguis Gourmetlokal im spanischen Baskenland kostet normalerweise mit Getränken um die 300 Euro pro Person.
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