Von Frederic Spohr
Der spirituell angehauchte indische Konsumgüterhersteller Patanjali Ayurved jagt Multis wie Nestlé und Unilever immer mehr Marktanteile ab. Jetzt wagt sich das Unternehmen in die Energiebranche vor.
Acharya Balkrishna ist stets in einer weißen Kutte bekleidet. Besucher grüßt er mit der Grußformel «Om» und er redet häufig von Karma sowie Spiritualität. Man könnte den 45-Jährigen leicht für einen wirren Sektenführer halten. Doch er ist der erfolgreichste indische Unternehmer aller Zeiten.
Angriff auf westliche Konkurrenz
Mit seinem Unternehmen Patanjali Ayurved erschuf Balkrishna den am schnellsten wachsenden Konsumgüterhersteller auf dem indischen Subkontinent. Internationale Rivalen wie Nestlé oder Colgate-Palmolive verlieren immer mehr Marktanteile an den lokalen Konkurrenten – und Balkrishnas jüngste Ankündigungen zeigen, dass er noch deutlich mehr vorhat.
Acharya Balkrishna und sein kongenialer Partner, der Yoga-Lehrer Baba Ramdev, setzen auf Tradition: Zahnpasta, Seifen und Lebensmittel sollen auf Ayurveda-Rezepten beruhen – der traditionellen indischen Heilkunde. Die Inder reißen sich um die Produkte: Vergangenes Geschäftsjahr erzielte das erst 2006 gegründete Unternehmen einen Umsatz von rund umgerechnet 1,4 Milliarden Euro, noch in diesem Jahr soll sich der Erlös verdoppeln. Analysten halten das für ein realistisches Ziel.
Einstieg in die Solarbranche
Diesen Monat überraschte Balkrishna nun damit, in die Energiebranche einzusteigen. Schon in den kommenden Monaten soll eine Fabrik bei Neu-Delhi die Panel-Produktion aufnehmen. Der Zeitpunkt könnte richtig sein: Die indische Regierung denkt derzeit über Subventionen für indische Hersteller und Importzölle nach, in den vergangenen Jahren hatten chinesische Billig-Panels den Markt überflutet.
Durch den Erfolg seines Unternehmens ist Balkrishna zu einem der mächtigsten Geschäftsmänner Indiens aufgestiegen. Auf der Liste der reichsten Inder des chinesischen Wirtschaftsmagazins Hurun belegt er mittlerweile den achten Platz. Geschätztes Vermögen: umgerechnet rund neun Milliarden Euro, fast eine Verdreifachung im Vergleich zum vergangenen Jahr. Sein einziger Luxus seien sein weißer Land Rover und ein iPhone, sagt er. Yoga-Lehrer Ramdev ist sogar noch bescheidener: Er habe sich aus spirituellen Gründen von allen materiellen Verlockungen losgesagt und besitze praktisch überhaupt nichts, beteuert er.
Patriotische Hochphase
Die Führungsspitze Patanjalis inszeniert sich geschickt als spirituelle Heilsbringer, die nur das Gemeinwohl im Blick haben. Gewinnstreben sei nicht das Ziel, sagt Balkrishna immer wieder. «Meine Mission ist es, Indien zu dienen», meinte er zuletzt in einem Interview. Auch seinen Einstieg in die Solarenergie verpackt er als entwicklungspolitische Mission, die Indien zu neuer Größe verhelfen soll. «Mit Solarenergie können wir Strom in jeden indischen Haushalt bringen», kündigte er an.
Mit dieser Marketingstrategie trifft Patenjali den Nerv der Zeit. Ganz Indien erlebt derzeit eine patriotische Hochphase, die auch der hindu-nationalistischen Regierungspartei BJP zum Wahlsieg half – und durch diese nun weiter befeuert wird. Der Patriotismus des Unternehmens gleitet dabei auch oft in anti-westliche und anti-chinesische Parolen ab. «Ich habe etwas gegen Unternehmen, die Indien nur als Markt betrachten», sagte Balkrishna zuletzt in einem Interview. Ausländische Unternehmen würden die Inder abzocken und die Profite in die USA und Europa transferieren.
Dabei ist Patanjali mit seinem aggressiven Markenkonzept westlichen Unternehmen gar nicht so unähnlich. Und auch was Werbeversprechen betrifft, sind Inder nicht weit von ihren Erzfeinden aus dem Westen entfernt. Mehrfach beklagten Tester Qualitätsmängel und Irreführung der Kunden. Was an Ayurveda-Keksen und Instant-Nudelgerichten traditionell indisch ist, kann Balkrishna nicht erklären. Noch fragen viele Inder aber auch nicht danach – und greifen gerne zu den Produkten.
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