Eigentlich haben die Informatiker am vergangenen Sonntag an einer Verbesserung des Weichensystems in Frankreich gearbeitet. Aber als sie die neue Software mit der «alten» von 1998 verbanden, hörte die Technik schlicht auf, zu funktionieren. Alle Signale am Bahnhof Montparnasse in Paris schalteten auf Rot. Kein Zug fuhr mehr in den Bahnhof hinein – und keiner hinaus. Für gut 20.000 Menschen gab es keine Bahnverbindung von Paris aus in Richtung Süden. Und zwar bis Montagmorgen.
Die französische Eisenbahn hat in die falsche Technik investiert. Drei Viertel der Passagiere fahren im Großraum Paris täglich zur Arbeit – und leiden unter veraltetem Material und unter ausgefallenen Zügen. Investiert hat die SNCF dagegen in den TGV. Mit dem fahren ein Prozent der 1,2 Milliarden Fahrgäste pro Jahr. In die Hochgeschwindigkeit aber wurden 17 Prozent der Gesamt-Investitionen gesteckt.
Investitionen in Regionalzüge
Regionen wie Lothringen oder das Elsass haben sich zwar finanziell an der Hochgeschwindigkeit beteiligt, aber früh erkannt, dass man in Regionalzüge investieren muss. Lothringen kaufte bereits in den 1990er-Jahren Regionalzüge zum Betrieb durch die SNCF. Grenzgänger profitieren heute davon. Auch das Elsass kaufte früh Regionalzüge und ließ sie durch die SNCF betreiben. Insgesamt geholfen hat das nur den beiden Regionen und Luxemburg. Die Luxemburger finanzierten einen Bahnhof auf der Strecke von Metz in die Hauptstadt des Großherzogtums und beteiligten sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag an der Finanzierung der TGV-Verbindung.
Die Strecke Paris-Luxemburg über Metz und Thionville gehört heutzutage zu den wenigen rentablen TGV-Strecken. Wie rentabel sie ist, dazu schweigt die SNCF sich aus. Aber nicht mehr lange. Die französische Regierung hat die Bahngesellschaft auf den Prüfstand gestellt. Zunächst sollen die TGV auf ihre Rentabilität geprüft werden. Zahlreiche Bahnhöfe werden künftig wohl nicht mehr angefahren werden. So braucht der TGV für die rund 300 Kilometer lange Strecke von Paris nach Rennes in die Bretagne eine Stunde und 45 Minuten. Aber wenn er dann weiter nach Brest fährt, hält er alle 20 bis 50 Kilometer – und braucht für die restlichen 200 Kilometer zwei ganze Stunden. Das soll geändert werden – und bei der Gelegenheit wohl auch über die rentablen Strecken geredet werden.
Ausweichbahnhof überlaufen
Den Passagieren am Sonntag im Bahnhof Montparnasse war das ziemlich egal. Sie wollten einen Zug. Den aber bekam nur, wer per Bus und Taxi quer durch Paris zum Bahnhof Austerlitz fuhr. Das Problem: Vom Bahnhof Montparnasse fahren alle TGV in Frankreichs Südwesten, an die Atlantikküste und in die Bretagne. Wer also nach Toulouse wollte oder nach Bordeaux oder Rennes, Nantes, Brest, Quimper oder St. Malo, der musste zum anderen Bahnhof. Von dort fuhr jede Stunde ein Zug in irgendeine Richtung. Die SNCF nannte diese Ausweichlösung einen «Plan B», in den sich die Menschen dann wie in Sardinenbüchsen quetschten.
Wer keinen Platz in Plan B fand, durfte ins Hotel gehen und am Montagmorgen seinem Arbeitgeber per Telefon aus Paris seine Abwesenheit erklären. Die französische Eisenbahn zeigte sich scheinbar großzügig. Ab drei Stunden Verspätung wurden Fahrschein sowie Taxi- und Hotelkosten ersetzt. Dass solche Pannen nicht wieder vorkommen, konnte der SNCF-Vorstand der Verkehrsministerin aber nicht zusichern. Der Grund: Derzeit arbeite man an 1.500 Punkten im französischen Eisenbahnnetz an Modernisierungen. Und dazu gehört eben auch der Bahnhof Montparnasse.
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