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Das Ende eines Zustandes

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In Frankreich endet am 1. November der Ausnahmezustand, ohne aber wirklich zu enden.

Zwei Jahre hatte er gedauert. Präsident François Hollande hatte ihn nach den Attentaten in Paris eingeführt. Mit dem 1. November endet er. Frankreich hat nicht wirklich gewusst, wie man aus dem Ausnahmezustand wieder herauskommt. Es herrschte die Furcht, dass nach dem Ende ein Attentat geschehen und dann eine politisch nicht mehr beherrschbare Diskussion beginnen würde. Staatspräsident Emmanuel Macron hat ihn beendet, allerdings ohne ihn wirklich zu beenden. Die im Ausnahmezustand vorgesehenen Maßnahmen sind als Sicherheitsgesetz Teil der französischen Gesetzgebung und damit Dauerzustand geworden.

Der frühere Innen- und Premierminister Cazeneuve hatte in einer Bilanz gemeint, dass 17 schwere Attentate durch den Ausnahmezustand verhindert worden seien. Das ist nicht nachprüfbar, aber wohl glaubhaft. Attentate gab es dennoch. Das Attentat in Nice ist durch den Ausnahmezustand nicht verhindert worden. Auch der tödliche Angriff auf zwei junge Frauen vor dem Bahnhof von Marseille wurde nicht verhindert. Es gab Angriffe auf Soldaten, die durch Straßen und öffentliche Gebäude patrouillierten. Die Schwelle des Zurückschlagens sank hingegen. Soldaten und Polizisten machten von der Waffe Gebrauch, wenn sie selbst angegriffen wurden oder Attentäter stellen mussten. In der Regel starben die Attentäter.

Ruppiges Verhalten der Polizisten

Der Ausnahmezustand in Frankreich nutzte vor allem der Polizei, die ohne Beschluss Durchsuchungen vornehmen durfte. Über 4.000 Durchsuchungen erfolgten – zum Teil sehr ruppig. Das änderte sich erst, als ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Polizei mitteilte, dass man Türen durchaus nicht eintreten müsse, sondern auch mit einem Schlüssel öffnen könne. Hausdurchsuchungen erfolgten häufig auch nicht aus terroristischen Gründen, sondern wurden unter dem Vorwand des Ausnahmezustandes beispielsweise bei Drogenvergehen genutzt. Erst als ein Gericht die Beweise, die auf diese Art und Weise gefunden wurden, nicht anerkannte, änderte sich die Situation. Äußerlich zeigte sich der Ausnahmezustand durch mit Sturmgewehr bewaffneten Soldaten in Straßen oder Bahnhöfen und Flughäfen. Der Zustand überlastete auf Dauer die Armee und auch die Polizei.

Der neue Zustand führt die Sicherheitsvorstellung in Frankreich in die Straf- und Verwaltungsgesetzgebung ein. Staatspräsident Macron hat dadurch den Weg gefunden, wie er aus der «Falle» des Ausnahmezustandes wieder herauskommen kann. Die bürgerlichen Freiheiten können nun auf normaler gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden. So können Bürger in Frankreich immer noch vorbeugenden «Besuch» von der Polizei mit Durchsuchung der Wohnung bekommen, ohne dass eine erhärteter Verdacht vorliegt. Ein Schutz vor diesen «Besuchen» soll ein Richter sein, der den Fall vorher beurteilen muss. Dieser «Schutz» wird in der Öffentlichkeit allerdings angezweifelt. Äußeres Zeichen des beendeten Ausnahmezustandes werden vor allem die seltener zu sehenden Soldaten sein.

Nur kleine Veränderungen

Ändern wird sich nach Beendigung des Ausnahmezustandes in Frankreich nur wenig. Denn hinter dem Ausnahmezustand gibt es noch die Aktion «Vigipirate». Sie gibt vor allem der Polizei und Gendarmerie weitreichende Aktionsmöglichkeiten beim Schutz von öffentlichen Gebäuden. «Vigipirate» ist auch eine Aktion, in die alle Beschäftigten von möglicherweise gefährdeten Objekten eingebunden sind. Wer auch nur aus einem Salon der französischen Eisenbahnen gehen will, um einen Kaffee fünf Meter weiter zu kaufen, wird gebeten, alle seine Sachen – etwa Computer, Koffer und Mantel – aus dem Salon mitzunehmen und das alles mit dem Kaffee dann wieder hineinzubringen. Wer in Cattenom auf einem Parkplatz rund um das Kernkraftwerk steht und einen Reaktor betrachtet, auch fotografiert, muss damit rechnen, dass die Gendarmerie kommt und sich eingehend erkundigt.

Frankreich ist ein Staat, in dem Sicherheit eine große Rolle spielt, in dem aber gleichzeitig die Einschränkung der persönlichen Freiheiten sehr kritisch gesehen wird. Im Land der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht derzeit die Sicherheit im Vordergrund. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes und die Einfügung seiner Maßnahmen in das normale Straf- und Verwaltungsrecht wurden in der Nationalversammlung mit 417 gegen 129 Stimmen beschlossen.

Pazifist
2. November 2017 - 17.26

Alles kloer: Den Ausnahmezoustand gëtt zur Normalitéit, dann ass den Ausnahmezoustand de facto ofgeschaaf. Dat sot ech scho virun engem gudde Joer ironescherweis an esou ass et och gaangen.

Jacques Zeyen ( Ardèche )
1. November 2017 - 16.04

Während sich in Deutschland alle Welt über Kamera-Überwachung und Ganzkörperscans aufregt,
kann in Frankreich schon mal ein Polizist eine Wohnung durchsuchen. Wer nichts zu verbergen hat
dürfte damit kein Problem haben,allerdings sind die "Schläfer" (Terroristen auf Abruf) aus dem
friedfertigen Islam nie ganz aufzudecken. In ihrem Sinn macht Feigheit sich bezahlt, es gibt 72 Jungfrauen
und man wird als Märtyrer gefeiert. Tantum religio potuit suadere malorum-eigentlich auch ein Ausnahmezustand
der schon 2000 Jahre anhält.