Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid
Carles Puigdemont, 54-jähriger Ministerpräsident und Anführer der Unabhängigkeitsbewegung in der spanischen Region Katalonien, bereitet sich auf die schwierigsten und vermutlich letzten Tage im Amt vor: Sein Haus in dem katalanischen Ort Sant Julià de Ramis ist verrammelt. Er zog in die schwer bewachte offizielle Residenz im Regierungspalast in der katalanischen Hauptstadt Barcelona um. Dort sitzt er auf gepackten Koffern.
Puigdemont schließt nicht aus, dass er bald unfreiwillig auf die Reise gehen muss: weil ihm die Absetzung droht. Und weil er demnächst wegen Ungehorsams, Rechtsbeugung und Rebellion gegen den spanischen Staat festgenommen werden könnte. Dieser Moment dürfte näher rücken, wenn er am heutigen Donnerstag oder morgigen Freitag tatsächlich dem katalanischen Parlament in Barcelona vorschlagen sollte, definitiv eine einseitige Unabhängigkeitserklärung zu verabschieden und eine «katalanische Republik» auszurufen. Die spanische Regierung hatte angekündigt, Puigdemont zu entmachten und seine Region vorübergehend unter die Kontrolle Madrids zu stellen.
Am Freitag will der Senat, das Oberhaus des spanischen Parlaments, die von Spaniens Verfassung gedeckten Zwangsmaßnahmen gegen Puigdemont definitiv beschließen. Schon am Samstag könnte dem rebellischen Ministerpräsidenten dann übermittelt werden, dass er wegen seiner fortgesetzten Rechtsbrüche im Zuge seiner Abspaltungspolitik mit sofortiger Wirkung abgesetzt ist.
«Politische Gefangene»
Puigdemont scheint dies bisher nicht sonderlich zu beeindrucken. Statt dem Druck der Zentralregierung in Madrid nachzugeben, gibt er bis zuletzt Durchhalteparolen aus: «Wenn wir uns treu bleiben, werden wir gewinnen», rief er dieser Tage seinen Anhängern zu, die – nach dem letzten Wahlergebnis aus dem Jahre 2015 zu urteilen – knapp die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen ausmachen. Die katalanischen Bürger müssten sich entscheiden zwischen einem «freien Land» oder dem, was Madrid wolle: «Ein unterwürfiges, eingeschüchtertes und erniedrigtes Katalonien.»
Gestern wurde bekannt, dass Puigdemont nicht wie ursprünglich geplant heute nach Madrid reisen und im Senat seine Sezessionspolitik verteidigen wird. Dort wäre er möglicherweise auf Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy getroffen. Rajoy hatte gestern im spanischen Kongress, dem Unterhaus, bekräftigt, dass die Absetzung Puigdemonts und die geplante Neuwahl in der Region der einzige Weg sei, um in Katalonien «die Legalität wiederherzustellen».
Derweil hört man aus Puigdemonts Umgebung, dass er bereit sei, für seine Überzeugung ins Gefängnis zu gehen. «Für das Recht des katalanischen Volkes, frei über seine Zukunft bestimmen zu dürfen.» So hat er es selbst immer wieder öffentlich bekräftigt.
Im Gefängnis sitzen bereits die beiden prominenten Unabhängigkeitsaktivisten Jordi Sánchez und Jordi Cuixart. Sie wurden Mitte Oktober wegen des Verdachts, an einer Rebellion gegen Spanien beteiligt zu sein, in Untersuchungshaft genommen. Sie seien «politische Gefangene», sagte Puigdemont. Und sie seien Opfer der «Repression» des spanischen Staates, der wie in der Franco-Diktatur «friedliche Menschen wegen ihrer Ideen verfolgt».
«Zwei Jordis»
Die «zwei Jordis», wie sie in der Öffentlichkeit genannt werden, sind in der Separatistenszene schon fast zu Märtyrern aufgestiegen. Puigdemont hat sich offenbar mit dem Gedanken angefreundet, ihnen zu folgen und ebenfalls zu einem Helden der katalanischen Geschichte zu werden. So wie Lluís Companys, dem letzten katalanischen Ministerpräsidenten vor Beginn der rechten Franco-Diktatur in Spanien.
Companys, nach dem viele Straßen und Plätze in Katalonien benannt sind, war von 1934 bis 1940 Kataloniens Regierungschef. Er rief im Oktober 1934 einen «katalanischen Staat» aus, saß deswegen im Gefängnis. Im Oktober 1940 wurde er von einem Sondergericht Francos wegen «Unterstützung einer Rebellion» zum Tode verurteilt. Sekunden vor der Hinrichtung in Barcelona, so berichten es die Chronisten, soll Companys gerufen haben: «Für Katalonien!»
Ein moderner Freiheitskämpfer der Franco's Erben die Stirn bietet. Catalunya, triomfant,,tornarà a ser i plena!Endarrera aquesta gent tan ufana i tan superba!.......(Himne De Catalunia)