Eine Oma im Haus, die umringt ist von vielen kleinen Kindern. Diese Bilderbuch-Romantik entspricht nicht immer ganz der Wirklichkeit. Denn: Omas, die bei ihrer Familie leben, haben oft etwas weniger Enkel.
Die Hilfe von Großmüttern erhöht vielen Forschern zufolge die Überlebenschancen der Kinder. Wohnt die Oma jedoch mit im Haus, hat sie nicht zwangläufig mehr Enkel. Frauen bekommen im Durchschnitt sogar weniger Kinder, wenn ihre Mütter oder Schwiegermütter direkt im selben Haushalt leben, ergab eine Studie, die sich vor allem auf Daten aus Entwicklungsländern stützt. Inwieweit die Großmütter die direkte Ursache für die geringere Kinderzahl sind, ist unklar.
So lebten nach den Daten der Studie Großmütter besonders häufig mit im Haushalt, wenn der Ehemann und seine Frau eine höhere Bildung hatten oder wenn die Frau arbeitete. Doch genau diese Faktoren senkten auch die Kinderzahl. Es gibt zudem Studien, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen.
Evolutionäre Hintergründe
Martin Fieder von der Universität Wien und zwei Kolleginnen hatten Daten von 2,5 Millionen verheirateten Frauen aus 14 Staaten analysiert. Sie präsentieren das Ergebnis im Fachmagazin «Royal Society Open Science».
Menschenkinder sind besonders lange von ihren Eltern, vor allem der Mutter, abhängig. «Es herrscht daher weitgehend Übereinstimmung, dass Hilfe für die Mutter ihre Fortpflanzungsleistung und das Überleben ihrer Kinder erhöht», schreibt das Team um Fieder. Viele Anthropologen sehen die Hilfe von Großmüttern für ihre Töchter oder Schwiegertöchter als evolutionären Grund dafür an, dass sie auch nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit noch lange leben. Zahlreiche Studien zeigen, dass die aktive Hilfe von Großmüttern die Überlebenschancen ihrer Enkelkinder erhöht.
Die Wiener Anthropologen wollten nun wissen, ob sich die Nähe der Großmutter auf die Geburtenrate auswirkt. Sie nutzten dazu die weltweite Bevölkerungsdatenbank IPUMS International und werteten daraus Daten zu Frauen von 15 bis 34 Jahren aus: die Anzahl ihrer Kinder und ob sie mit ihrer Mutter oder Schwiegermutter in einem Haushalt leben. Auch der Bildungsabschluss der Frauen und ihrer Ehemänner oder ob sie Arbeit haben, wurde berücksichtigt.
Zunächst einmal stellten die Forscher fest, dass die meisten Frauen nur mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zusammenleben (Pakistan: 57,67 Prozent, USA: 97,11 Prozent); nur im Irak lebt eine Mehrheit (53,15 Prozent) mit der Schwiegermutter im selben Haushalt. In allen untersuchten Ländern ist die Anzahl der Kinder statistisch geringer, wenn eine Großmutter im selben Haushalt wohnt. Allerdings ist die Kinderanzahl am geringsten, wenn die Frau mit der eigenen Mutter zusammenlebt und nicht etwa mit ihrer Schwiegermutter. Nur zwei Länder bilden hier eine Ausnahme: Brasilien und Sambia.
Nahrungsknappheit im Haushalt
Die Forscher bieten verschiedene Erklärungsansätze für ihre Ergebnisse an: So könnte in Regionen mit einer Lebensmittelknappheit die Mutter oder Schwiegermutter als eine Person angesehen werden, die zusätzlich satt zu bekommen ist. Womöglich leben Frauen, die mit Verwandten unter einem Dach leben müssen, ohnehin in ärmeren Verhältnissen als andere Frauen. Auch das Alter spielt eine Rolle: Je jünger die Frau ist, desto häufiger wohnt sie nach der Geburt ihrer Kinder noch mit ihrer Mutter oder Schwiegermutter zusammen.
Bei besonders jungen Großmüttern könnte auch die Fortpflanzungskonkurrenz von Belang sein. Wenn sie selbst noch Kinder bekommen können, möchten sie nach Vermutungen der Forscher möglicherweise eher ihr eigenes Kind großziehen als die Kinder ihrer Tochter oder Schwiegertochter.
Daten aus Deutschland standen den Autoren nicht zur Verfügung. Die Forscher schließen jedoch nicht aus, dass es in einigen Industrieländern eine andere Tendenz als in Entwicklungsländern gibt. So erwähnen sie in dem Fachartikel auch Studien für Japan und Großbritannien, die einen positiven Effekt der Anwesenheit von Großeltern auf die Geburtenrate zeigen.
Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden verweist ebenfalls auf Studien, nach denen die Nähe von Großeltern in der Regel zu mehr Kindern führt. «Wenn eine gute Kinderbetreuung in Aussicht steht, fällt die Entscheidung für ein weiteres Kind leichter.» Er vermutet, dass in der aktuellen Studie zum einen Frauen statistisch erfasst wurden, die noch nicht aus dem elterlichen Haushalt ausgezogen waren. Zum anderen könnte tatsächlich die Armut eine wichtige Rolle spielen: Wenn die wirtschaftliche Situation einer Familie so schlecht ist, dass sie sich keinen eigenen Haushalt leisten kann, dann könnte dieser negative Effekt auf die Geburtenrate schwerer wiegen als die Möglichkeit der Kinderbetreuung.
Die Forscher erfassten Daten aus Argentinien, Brasilien, Griechenland, Indonesien, dem Irak, Malawi, Malaysia, Pakistan, den Philippinen, Rumänien, dem Sudan, Thailand, den USA und Sambia.
Wahrscheinlich wollen die Mütter nicht das ihre Kinder von der OMA genauso schlecht erzogen werden wie sie selber, Mütter wollen ja immer alles anders und besser machen.