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«Es hätte Tote geben können»

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Acht Greenpeace Aktivisten drangen in das Kernkraftwerk Cattenom ein. Die Diskussionen am Tag danach sind überraschend.

Mittwoch früh, 5.30 Uhr. Acht Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace nähern sich den Schutzzäunen vor Reaktor zwei des nuklearen Kraftwerksparks Cattenom.  Sie haben eine Leiter und Feuerwerkskörper dabei.  Die ausklappbare Leiter stellen sie über den ersten Zaun und klettern hinüber. Danach der zweite Zaun. Dasselbe Verfahren.  In der Luft eine kleine Drone, die filmt. Die Greenpeace Aktivisten nähern sich einem Gebäude und brennen dort ein Feuerwerk ab.

In der zentralen Leitstelle der Sicherheitskräfte von Cattenom schrillen die Alarmglocken schon, als die acht Personen den zweiten Zaun überwinden. De Zäune sind mit Kameras und mit Alarmvorrichtungen gesichert. Acht Minuten später sind die Sicherheitskräfte da. Das sind nicht nur einfache Polizisten. «Das ist eine Eingreiftruppe wie die GSG9 in Deutschland oder die GIGN in Frankreich», sagt der Direktor. «Wenn man hier nicht Greenpeace erkannt hätte, hätte etwas Schreckliches passieren können», sagt Thierry Rosso,  Direktor der Anlage. Sprich: «Es hätte Tote geben können.»

Strafanzeige gegen Greenpeace

Die acht Greenpeace-Aktivisten sind auf die Situation vorbereitet. Sie knien nieder und heben die Hände. Sie werden festgenommen. Um sieben Uhr ist die Aktion beendet.  Die acht verbringen den Tag in Zellen und mit Vernehmungen. Am Abend wird die Festnahme um 48 Stunden verlängert. Danach wird entschieden, ob sie einem Untersuchungsrichter vorgeführt, in Haft genommen und ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet wird. Der französische Stromkonzern EDF hat Strafanzeige gegen sie erstattet.

Asselborn trifft Le Drian

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat am Freitagnachmittag seinen französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian getroffen. Beide haben entschieden, ein Kommittee zu aktivieren, das die Gefährdung von Cattenom einschätzen soll.

Gegen sie kann nicht nur wegen des unbefugten Eindringens  in das Kernkraftwerk, sondern im schlimmsten Fall auch wegen der Bildung einer kriminellen oder sogar terroristischen Vereinigung  ermittelt werden. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Greenpeace hat die Aktion zur Unzeit gestartet. In Frankreich herrscht der Ausnahmezustand. Mit der Sicherheitsaktion «Vigipirat» herrscht für die Kernkraftwerke gleichzeitig die höchste Sicherheitsstufe. Kraftwerksdirektor Rosso fasst es immer noch nicht, dass Greenpeace ein solches Risiko eingegangen ist.

Keine Auseinandersetzung

Die Polizisten, Soldaten und Einsatzkräfte im Nachbarland  haben durch die Terrorerlebnisse, denen Frankreich ausgesetzt ist, eine niedrigere Hemmschwelle bei der Benutzung der Waffen, zumal Sicherheitskräfte  auch bereits Opfer waren. Sie werden bei ihren Einsätzen juristisch gedeckt. Und: Um 5.30 Uhr war es noch dunkel, eine zusätzliche Gefahr.

Was aber wäre gewesen, wenn es sich wirklich um Terroristen gehandelt hätte? «Das ist die schlimme Zweideutigkeit in der Greenpeace Aktion. In den Köpfen der Menschen setzt sich fest, dass es Greenpeace gelungen ist, also könnte es auch Terroristen gelingen. Was dabei übersehen wird: Die Aktionen von Greenpeace sind überschaubar. Es ist eben Greenpeace. Wir haben so reagiert, wie wir bei einer Terrorattacke reagieren würden. Aber: es kam zu keiner Auseinandersetzung. Da haben sich die Eindringlinge ergeben. Das ist der Unterschied.»

Was wäre, wenn…

Rosso ist einerseits erleichtert, dass alle Vorsichtsmaßnahmen funktioniert haben,  ist andererseits zornig, dass sich die Aktivisten in Lebensgefahr gebracht und die Sicherheitskräfte provoziert haben. «Was wäre, wenn in dieser Situation jemand anders reagiert hätte», fragt er und drückt aus, was alle in Frankreich fürchten: dass es eine Tages zu einer falschen Reaktion aus falscher Einschätzung kommt.

Warum aber hat Greenpeace überhaupt ein Feuerwerk im Kernkraftwerk abgebrannt? Zu Beginn der Woche hat die Organisation eine Studie vorgestellt. In der warnte sie vor mangelnder Sicherheit in einem bestimmten Teil der französischen Kernkraftwerke.

Alles wegen einer Studie

Wenn Brennstäbe in den Reaktorbecken der Kraftwerke ausgebrannt sind, werden sie aus dem Becken herausgenommen und in besondere Abklingbecken gelegt. Jeder Reaktor hat sein eigenes Abklingbecken. Diese Becken liegen in Nachbargebäuden zu den jeweiligen Reaktoren. Beim Abklingen, das zwei oder drei Jahre dauern kann, reagieren die Brennstäbe teilweise weiter und produzieren in geringen Mengen auch Plutonium.

In der Studie, an der französische, belgische Nuklearspezialisten, und für Luxemburg auch Roger Spautz mitgearbeitet hat, wird beschrieben, dass diese Abklingbecken mit ihrem gefährlichen Inhalt nicht genügende gesichert sind. So seien die Wände mit 30 Zentimeter Betondicke zu dünn. Und: Man könne zu leicht in die Kernkraftwerke eindringen. Die Studie mit zahlreichen Einzelheiten wird nur mit einem zusammenfassenden Pressetext veröffentlicht. Sie wurde am Donnerstag in Luxemburg Staatsminister Xavier Bettel übergeben. Greenpeace meint, dass französische Kernkraftwerke leichte Terrorziele seien.

Zur besten Sendezeit

Das Eindringen in das Gelände vor Block zwei sollte den Inhalt der Studie belegen. Dabei unterscheiden sich die Darstellungen. Greenpeace behauptet, bis auf zehn oder 20 Meter an das Gebäude mit dem Abklingbecken herangekommen zu sein, eine Sprecherin der Anlage geht von 100 Metern aus.

Greenpeace selbst hat die Aktion bis in Einzelheiten vorbereitet. Eine von außen gesteuerte Drone filmte sie mit dem Feuerwerk. Diese Aufzeichnung stellte die Organisation ins Internet, wo sie werbewirksam zum Frühstücksfernsehen aller Sender kopiert wurde und den ganzen Tag als Nachricht lief.

Thierry Rosso kennt die Aktionen der Greenpeace Organisation. Bevor er Direktor in Cattenom wurde, verantwortete er die beiden 900 Megawatt Blöcke in Fessenheim. Hier hatte er es häufig mit Aktionen von deutschen, französischen und schweizerischen Atomkraftgegnern zu tun. In Cattenom ist er Chef von 1.400 EDF-Mitarbeitern und 500 Arbeitskräften aus Zulieferfirmen. Die Anlage wurde einst auf vierzig Jahre ausgelegt und soll nun 50 oder gar 60 Jahre  arbeiten.

Markus Pflüger (www.antiatomnetz-trier.de)
13. Oktober 2017 - 20.35

In Deutschland besetzte eine Aktionsgruppe schon im Reaktor den Kran über dem Becken mit Brennelementen. Atomkraftwerke können nicht wirklich geschützt werden, v.a. nicht vor ihrer immanenten technischen Gefährlichkeit (GAU) und dem Problem des menschlichen Fehlverhaltens/Versagens. Wer Ahnung und Moral hat engagiert sich deswegen für die Stillegung wie z.B. Dieter Majer oder Prof Blasweiler, ehemalige Atomkraftbefürworter und Experten, die auch für Atomindustrie gearbeitet haben und eindringlich vor den Sicherheitsgefahren dieser Hochrisikotechnologie warnen. Die Greenpeace-AktivistInnen hätte auch noch 80m weiter rennen können, doch wozu, sie zeigten wie einfach das eindringen ist, wenn man erst gar nicht versucht unbemerkt einzudringen. Und gerade für Luxemburg kann es überlebenswichtig sein, dass die eklatanten SIcherheitsmängel endlich ernsthaft diskutiert werden - und genau das erreicht die Aktion. Und die einzige wirklich nachhaltig sicherheitssteigernde Maßnahme ist nun mal das stillegen!

J.C. KEMP
13. Oktober 2017 - 19.47

Und übrigens: das deutet der Artikel auch an! In Frankreich sitzen die Waffen in solchen Fällen eher locker.

J.C. KEMP
13. Oktober 2017 - 19.23

War ja nicht das erste Mal, dass diese Vereinigung einen Märtyrer hatte. Zynisch gesagt! Mururoa, schon vergessen?

Lucy Linburhuc
13. Oktober 2017 - 18.01

Kemp, ihre Fantasien lassen tief blicken. Armselig und gefährlich ebenso.

J.C. KEMP
13. Oktober 2017 - 17.48

Wat wier dat en Zirkus gi, wann e vun denen erschoss gi waer!