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«Mit dir rede ich nicht»

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Die Koalitionsbildungen sorgen spätestens seit 2013 bei vielen Luxemburgern für saures Aufstoßen: Inhalte und Platzierung scheinen immer weniger zu zählen, dafür die «politique politicienne». Wer kann mit wem – und wer sucht sich bereits ein warmes Bett für die nächsten Wahlen? Eine Analyse zu den Gemeindewahlen und der Blick auf ein positives Gegenbeispiel.

Man muss kein Hellseher sein, um «Geknouterts» nach Wahlen kommen zu sehen. Es ist fester Bestandteil von Demokratien. Doch 2017 spürt und hört sich der Wählerfrust doch ein wenig anders an. Unvergessen und nicht verziehen scheint der «ungefragte» Machtwechsel von 2013 zu sein, der bis heute für einen nicht zu unterschätzenden Teil der luxemburgischen Bevölkerung ein rotes Tuch darstellt.

Dass die sogenannte «Gambia»-Koalition Jean-Claude Juncker damals innerhalb der demokratischen Spielregeln «lass ginn ass» und wohl vielen CSV-Politikern, die seit einer halben Ewigkeit in den Startlöchern standen, einen Gefallen tat, spielt heute keine Rolle mehr.

Anbiederungsversuche

Die Christlich-Konservativen haben sich geschickt angelegt, um den Diskurs über Koalitionsbildungen und «Wählerwillen» an sich zu reißen. Das Resultat sind drei Koalitionäre auf Landesebene, die nicht mehr so recht miteinander wollen. Und so verrenken sie sich bereits auf Kommunalebene mit politisch halsbrecherischen Flirt-Attacken, um 2018 bei den Chamberwahlen bloß nicht von der CSV den Korb zu kriegen.
Wer wie immer der Leidtragende dieser Anbiederungsversuche ist, steht fest: der Wähler.

Denn alle Parteien übertreffen sich seit den Gemeindewahlen darin, den Wählerwillen derart willkürlich zu interpretieren, dass auch der letzte Optimist politikverdrossen wird.
Einer der häufigsten Kritikpunkte ist zum Beispiel, dass teilweise nicht der Politiker mit den meisten Stimmen in einer Gemeinde zwingend Bürgermeister wird. Es vermittelt den Menschen den Eindruck, dass einer der zentralen und eindeutigen Indikatoren für Wahlerfolg nicht respektiert wird. Das Gegenargument ist immer das Gleiche und variiert je nach Parteipräferenz und Machtkonstellation: So läuft nun mal der demokratische Entscheidungsprozess. Koalitionsbildungen mit Mehrheit sind legal und normal.

Die Frage nach der Legitimität

Was jedoch bei dieser Argumentation auf der Strecke bleibt, ist die Frage nach der Legitimität dieser Koalitionsbildungen aus Sicht der politischen Gegner. Was jedoch die meisten Gemüter erhitzt, ist die Tatsache, dass Koalitionsgespräche nicht mit jedem geführt werden, der ein respektables Resultat errungen hat. Auf nationaler Ebene gilt dies für die bis heute anhaltende Dolchstoßlegende von «Gambia». Obschon die CSV 2013 als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging, dabei aber im Vergleich zu den vorherigen an Stimmen eingebüßt hatte, wurde sie von den Befürwortern der Dreierkoalition als Wahlverlierer dargestellt und abserviert.

Dass Luxemburg nach den langen Juncker-Jahren dringend eine Verjüngungskur nötig hatte, steht für progressive Beobachter außer Zweifel. Allerdings sind die aktuellen Koalitionsbildungen und Politspielchen nur schwer kritisierbar, wenn man auf die Koalitionsbildung von 2013 zurückblickt. Gleichzeitig werden Politiker und Sympathisanten von LSAP, DP und «déi gréng» nicht müde, auf die ebenfalls nicht zimperlichen Koalitionsmethoden der CSV bei vergangenen Gemeindewahlen hinzuweisen. Gerade Käerjeng und Bettemburg gelten hier als Musterbeispiele für konservative «politique politicienne».

Umdeutungen und Zurechtbiegerei

Demnach kann keine Partei wirklich von sich behaupten, den «Wählerwillen» zu respektieren, wenn sie sich bei den Gemeindewahlen arithmetisch alles so zurechtbiegt, dass sie das eigentliche Wahlergebnis umdeutet und im Gegenzug auf parteipolitischen Opportunismus setzt. Klartext: Man schlachtet das kommunale Wahlergebnis aus, um den politischen Gegner mit Blick auf 2018 zu schwächen. Die CSV ist momentan dabei, die LSAP in vielen Gemeinden schachmatt zu setzen.

Auf der anderen Seite sind es besonders die DP und «déi gréng», die in verschiedenen Gemeinden alles daran setzen, die Weichen für 2018 zu stellen. Man will es sich nicht mit der CSV verscherzen und hat damit für so manchen Beobachter bereits das Ende der Gambia-Koalition besiegelt (siehe S. 4). Lediglich Vizepremier und Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) versucht der CSV die Deutungshoheit strittig zu machen.
Am Gesamteindruck ändert sich jedoch für viele Menschen nichts. Blickt man auf die konkreten Koalitionsgespräche und -bildungen in den verschiedenen Gemeinden, wird deutlich, weshalb der Ärger bei verschiedenen Menschen so groß ist. Zehn Gemeinden, zehn Beispiele:

Beispiel 1

In Strassen machen die LSAP und CSV gemeinsame Sache. Dies, obschon die DP dort mit 33,48 Prozent das beste Ergebnis erreicht hat. Die Sozialisten landeten auf Platz zwei mit 26,97 Prozent, die CSV wurde Dritte mit 21,43 Prozent.

Beispiel 2

In Luxemburg-Stadt müssen «déi gréng» nach zwölfjähriger Romanze mit den Blauen zuschauen, wie DP und CSV Koalitionsgespräche führen. Allerdings spricht das Resultat hier gegen sie: Die Christlich-Konservativen liegen auf Platz zwei deutlich vor den Grünen (25,03 Prozent vs. 19,26 Prozent). Insofern schlägt die DP (30,04 Prozent) hier tatsächlich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie respektiert den «Wählerwillen» und bezirzt die CSV auf kommunaler Ebene.

Beispiel 3

In Esch/Alzette ist die LSAP auf Platz zwei gelandet. Die CSV (30,87 Prozent) entschied sich jedoch dafür, mit «déi gréng» Koalitionsgespräche zu beginnen. Dabei kamen die Grünen nur auf 13,54 Prozent, die LSAP trotz historischer Niederlage hingegen auf 27,86 Prozent.

Beispiel 4

Auch in Schifflingen ist das mit dem «Wählerwillen» so eine Sache: Gestern Abend wurde bekannt, dass die CSV (37,2 Prozent) dort Sondierungsgespräche mit «déi gréng» (16,58 Prozent) aufnehmen will. Einziger Haken: Die LSAP hatte mit 38,43 Prozent die meisten Stimmen ergattert. Das dürfte beim nächsten Familienessen bei den Gebrüdern Feiereisen für viel Gesprächsstoff sorgen.

Beispiel 5

Nach dem Erdrutschsieg von «déi gréng» in Differdingen (35,98 Prozent) ist die Koalition mit der CSV (19,53 Prozent) in trockenen Tüchern. Hier wurde der Wählerwille respektiert: Die LSAP landete mit 18,6 Prozent auf Platz drei – und «déi gréng» haben sicherlich bei den Christlich-Konservativen einen Stein im Brett. Dass Bürgermeister Roberto Traversini nächstes Jahr im Fall einer CSV-«déi gréng»-Koalition das Zeug zum Minister hat, dürfte nach den Gemeindewahlen auf der Hand liegen.

Beispiel 6

Monnerich gehört eindeutig in die Kategorie Wählerfrust, wenn man sich die Reaktionen der Wähler anhört. Obschon die absolute Mehrheit verloren wurde, landete das Team rund um Christine Schweich mit 39,06 Prozent auf Platz eins. Hier heißt der Königsmacher jedoch DP. Die Blauen (13,33 Prozent) haben sich bereits mit der CSV (37,65 Prozent) auf eine Koalition geeinigt.

Beispiel 7

In Bettemburg sieht es ähnlich aus: Trotz deutlicher Mehrheit für die LSAP (39,56 Prozent) bleibt es bei der Dreierkoalition zwischen CSV (30,09 Prozent), «déi gréng» (16,69 Prozent) und DP (6,25 Prozent).

Beispiel 8

In Schüttringen ist es für die DP (32,1%) wiederum besonders brutal. Sie hatte die meisten Stimmen erhalten, wurden aber von einer Viererkoalition kaltgestellt. Hier die neuesten Entwicklungen: ►Link

Beispiel 9

In Käerjeng findet sich die LSAP auf der zwei mit 31,96% hinter der CSV (40,37 Prozent). Die Konservativen bilden dennoch eine Koalition mit den drittplatzierten Grünen (13,78 Prozent).

Beispiel 10

Mann des Tages war zweifellos Lex Delles (DP), der am Dienstag über die Parteigrenzen hinweg für seinen fairen politischen Stil gelobt wurde. Trotz absoluter Mehrheit für die Liberalen (50,22 Prozent) gehen die Blauen unter Bürgermeister Delles in Mondorf eine weitere Koalition mit «déi gréng» ein. Allerdings muss auch hier erwähnt werden, dass die CSV in Mondorf deutlich vor den Grünen liegt (25,86 Prozent vs. 15,08 Prozent).

Vun Veier op Eent
18. Oktober 2017 - 17.46

Wann,di Persoun di zu Bettendürf,un 4. Platz gewielt gouf,Bürgermeeschter get dann,dann as awer eng faul!
As et doweinst,well den 1.gewierltenen(och)eng Portugiesech-Nationaliteit hüt?
Dei Persoun,schwetzt dach och Letzebürger Sproch ! Also , wei kuum et dozou , dat deen als , 1.gewierltenen net , Bürgermeeschter get ? ! ...

Jeng
12. Oktober 2017 - 16.44

Wielerwellen, waat en kaabes, mir wielen keng buergermeeschter an keng regierungen, mir wielen gemengenréit an deputéiert, an déi mussen dann eng mehrheit fannen mat där se schaffen kennen.
Civic 0 punkten
Keen seet dass den meeschtgewielten just well en am härtsten blärt och am meeschten ze mellen huet

duscholux
12. Oktober 2017 - 11.43

+++ Der Wählerwille +++
der inflationäre Gebrauch des Wortes "Wählerwille" in allen deutschsprachigen Ländern und das, was dann alles mit diesem angeblichen selbstgestrickten Wählerwillen gerechtfertigt wird verschleiert im Grunde eine Verachtung der Demokratie.

johnny 44
12. Oktober 2017 - 11.16

Gambia hat daat doten ugefaangen.Einfach alles manipuléieren.

gestressten
12. Oktober 2017 - 5.26

Eugène Berger

Hiewelaarm
11. Oktober 2017 - 23.02

Bei deem Artikel probéiert der awer de Leit nom Mond ze schwätzen. Soulaang eng Koalitioun méi wéi 50% huet, hu méi Leit déi bedeelegt Parteie gewielt, wéi der se net gewielt hunn. Wann een ufänkt ze diskutéiere wat de Wielerwëllen ass a wat net, da verrennt een sech awer ganz séier.

Am mannste verstinn ech awer d'Beispiller Käerjeng an Esch, well do jo souguer déi gréisste Partei de Buergermeeschter stelle wäert. Et wier mer zimmlech nei, dass just grouss Koalitiounen eng Daseinsberechtegung hunn an déi aner net. Woubäi bei Käerjeng mengen ech och nach eng gewëssen Ofneigung géigeniwwer dem Här Wolter eng Roll spillt, dat huet ee jo och bei aneren Artikelen a leschter Zäit gesinn.

Manuel Huss
11. Oktober 2017 - 21.29

@Dhiraj Sabharwal
Ech hat dat hei 2013 no de Chamberwahlen geschriwwen: "De lëtzebuergesche politesche System ass geprägt duerch e Verhältniswahlrecht an e pluralistesche Parteiesystem (am Géigesaz zu engem Majorzwahlsystem an engem 2-Parteiesystem). An sou engem System gi Regierungen duerch eng majoritär Koalitioun vu Parteien am Parlament gedroen, dat proportionell zum Wielerwëllen zesummegesat gëtt (dat hu mer de Sonndeg gemat). Wéi awer déi Majoritéit zesummegesat gëtt, dat léisst de politesche System oppen. Et ass deemno un de Parteien selwer, sech zu enger Majoritéit zesummen ze fannen. Datt elo aus verschiddenen Ecker bis a Parteikreeser era behaapt gëtt, eng Koalitioun ouni déi prozentual stäerkst Partei wier ondemokratesch, dat ënnersträicht, wéi dréngend mer zu Lëtzebuerg d'politesch Bildung fördere mussen."

Dovun ofgesinn, datt et de "Wielerwëllen" mat Bléck op Koalitioune net gëtt (mer wiele Parteien, keng Koalitiounen), muss ee mat Bléck op d'Gemengewahlen awer och fairerweis soen, datt do keng Maschinen zesummeschaffen, mä Mënschen, déi während 6 Joer intensiv mateneen ze dinn hunn. Do muss déi mënschlech Chimie och stëmmen. Dat ass a mengen Aen e wesentlech méi relevante Fakteur, ewéi den Terrain fir 2018 firzebereeden.

Serenissima, en Escher Jong
11. Oktober 2017 - 17.23

Klartext ist dass die Demokratie es eben erlaubt Partei Konstellationen einzugehen um so eine Majorität zu erlangen um zu regieren, sei es auf kommunaler oder nationaler Ebenen. Das ist eben so weil man nicht anders kann, eine zwingende Notwendigkeit: das Argument des Wählerwillens ist eben zweischneidig, wenn eine Partei zwar die stärkste Kraft ist nach einer Wahl aber niemand mit ihr ins Bett gehen will ist sie eben demokratisch gesehen trotzdem ein Verlierer. Es macht keinen Sinn jetzt da wollen irgendeine gesetzliche Regelung oder Verpflichtung einzuführen dass die stärkste Partei (gemäss Wählerstimmen) eben federführend sein sollte für eine Regierungsbildung auf kommunaler oder nationaler Ebene. Beispiel ad absurdum: bei den letzten Reichstagswahlen in Deutschland die zur Machtergreifung Hitlers führten war die NSDAP die Wahlgewinner Partei mit 33% . Also sollte man Abstand davon nehmen irgendwie in dieser Hinsicht etwas wollen zu unternehmen..Demokratie ist eben nicht perfekt aber auf jeden Fall die bessere Regierungsforn in jeder Hinsicht...

Christiane
11. Oktober 2017 - 16.41

Ett geseit een datt Lepper dämpen. Bei DP / LSAP / Dei Greng . Leit vergiesen daat net waat se 2013 gemaach hun mam Herr Juncker . Daat war regelrecht knaschteg vun hinnen an net fair. Mee elo loosen se nach e puer Cadeauen fir 2018. Esou mengen se geifen erem gewiehlt ginn. 10 Deeg Pappeconge an dann Schoulbicher fir den Lycee gratis. Wei arm.

ghic
11. Oktober 2017 - 16.33

Als Letzebuerger muss ech wiele goen. Kee Problem. Mee wann ech gesin, datt net no dem Wieler sengem Wonsch gekuckt get, dann fannen ech daat Ganzt am beschte Fall lächerlech - éierlech gesoot, fannen ech daat kriminell.
Ech kéint ka........en.  ?

DanV
11. Oktober 2017 - 15.16

Was in Monnerich passiert, ist ganz schlimm. Dass Sport und damit einhergehender Bekanntheitsgrad vor Kompetenz gewählt wird, ist schon schlimm genug. Ich wüsste nicht, worin sich Nancy Kemp-Arendt bisher in der Chamber hervorgetan hätte. Hätte niemals erwartet, dass die vernünftigen Monnericher Ihr einen solchen Start von 0 auf 1900 Stimmen bescheren würden

Dass aber dann die meistgewählte Christine Schweich nicht zur Bürgermeisterin gemacht wird, lässt das Vertrauen in die Politik endgültig schwinden.

Nico
11. Oktober 2017 - 14.24

Flaxweiler daerf awer och hei nett vergiess gin:
obwouhl den Kandidat Sadler matt Abstand am meeschten Stemmen kruut, an als Eischtplatzeierten gewiehlt gin ass, hun dei matt den manner Stemmen ett ferdech bruecht hien einfach ze equarteieren.

Nett ze gleewen waat do geschitt ass!
Daat nennt een “ den Wiehler verarscht”!

Muller Guy
11. Oktober 2017 - 14.02

Politik as eben sou. Muecht mecht eben vill Politiker krank. Probéiert mol engem Hond seng Schank wegzehuelen. D'Reaktioun as déi selwecht wéi déi vun engem Politiker.

Jang
11. Oktober 2017 - 13.32

DP Mondorf,alles ok,
deen grenge Schlecke Steve gehéiert derzou,
muss eng Kéier d'Partei wiesselen

Clemi
11. Oktober 2017 - 13.29

hmmm interpretiere ich die in den beispielen getätigten aussagen richtig , müssten nach wahlen immer die parteien nr.1 und nr.2 koalieren? das wäre aber weit weg von demokratischen realitäten - wie jedes politische system ist auch die demokratie (leider) nicht perfekt - und hätte 2016 in sachsen-anhalt eine cdu(1)-afd(2)-koalition zufolge gehabt ... die koalition ist aber cdu(1)-spd(4)-grüne(5), und in dieser kommt auch die eigentlich drittplatzierte linke nicht vor ....