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Arm trotz Arbeit

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Die "Working Poor" sind in den USA ein Begriff. Doch auch im Europa der Sozialtransfers gibt es Menschen, die trotz Arbeit arm sind. Eurofound hat Luxemburg unter die Lupe genommen.

In den USA gibt es weniger Sozialleistungen als in Europa. Um über die Runden zu kommen, können die Bürger nicht auf den Staat hoffen. Das führt dazu, dass viele in mehreren Arbeitsverhältnissen stehen, um alle Rechnungen bezahlen zu können, um dann trotzdem mehr schlecht als recht zu leben. Doch auch in Europa gibt es Menschen, die von ihrer Arbeit nicht gut leben können.

Seit der Krise hat die Zahl zugenommen. Jeder zehnte Beschäftigte wird von der Eurofound-Studie zu den Erwerbsarmen gezählt. Die Analysten haben herausgefunden, dass es eine Verbindung zwischen neuen Formen der Beschäftigung, wie etwa Teilzeitjobs und Erwerbsarmut, gibt. Außerdem haben die weniger gut Betuchten mit mehr sozialen Problemen zu kämpfen. Ihre Lebenszufriedenheit ist niedriger, sie haben eher Wohnungsprobleme und sogar öfter Stress mit dem Partner als diejenigen, die in einem bezahlten Arbeitsverhältnis stehen.

Angemessener Mindestlohn

«Es gibt nur wenig Möglichkeiten, das Los der Erwerbsarmen zu verbessern», steht in der Studie. Ein angemessener Mindestlohn ist die beste Waffe gegen Armut. «Viele Staaten beschränken ihre Politik, Arbeitsplätze zu schaffen», so die Studie. Doch mit dieser Politik ändert sich nichts am Los derjenigen, die trotz Arbeit arm sind. Die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen kann sogar zur Zunahme von Armut führen, wenn nicht auf eine anständige Bezahlung geachtet wird.

Ein Betreuungsplatz für jedes Kind kann auch dazu beitragen, dass sich die Armut verringert. Dann müsste nicht ein Elternteil zu Hause bleiben und könnte einer Arbeit nachgehen. Ein weiteres scharfes Schwert im Kampf gegen die Armut ist eine gute Ausbildung. Je besser das Diplom, desto mehr verdient man. Dies mag zwar stimmen, es ist jedoch ein Trugschluss, zu glauben, dass das Armutsproblem gelöst wäre, wenn jeder ein Diplom hat. In Finnland etwa ist das Armutsrisiko für Sekundarschulabgänger höher als für die Personen, die kein Diplom in der Tasche haben.

Situation in Luxemburg

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise ist das Risiko für Erwerbsarmut für in Luxemburg Beschäftigte gestiegen. Hier liegt das Großherzogtum im europäischen Durchschnitt.

Schlecht sieht es für diejenigen aus, die in einem befristeten Arbeitsvertrag stehen. Fast jeder Vierte mit «CDD» gilt als erwerbsarm, in anderen Ländern ist diese Quote viel tiefer.
In Sachen materielle Unterversorgung konnte die Studie eine leichte Verbesserung in Luxemburg feststellen. Auch die, die weniger gut verdienen, konnten sich in den vergangenen Jahren mehr leisten, so Eurofound.

Den Luxemburgern scheint der Mangel fast unbekannt zu sein. Nach Schweden ist Luxemburg der Staat, in dem es der arbeitenden Bevölkerung materiell am besten geht. Auch der Anteil derjenigen, die von sich behaupten, glücklich zu sein, liegt in Luxemburg sehr hoch. Nur in Finnland und den Niederlanden ist die Bevölkerung im berufsfähigen Alter glücklicher.

Den Luxemburgern scheint nicht bewusst zu sein, wie gut es ihnen eigentlich geht. Sie verknüpfen die Lebenszufriedenheit stark mit materiellen Gütern. Je weniger Besitz man in Luxemburg hat, desto tiefer ist die Lebenszufriedenheit. Dies ist nicht überall der Fall. In Ländern wie etwa Griechenland, Polen oder Rumänien hat die materielle Unterversorgung nur sehr wenig Einfluss auf die Lebenszufriedenheit – Geld macht eben nicht jeden glücklich.

Raum für Verbesserungen

Aus der Studie geht auch hervor, dass die Luxemburger als egoistisch bezeichnet werden können. Die Erwerbsarmen wurden in jedem Staat gefragt, ob sie mit der Unterstützung von Freunden oder Familie rechnen können. Von den materiell Unterversorgten aus dem Großherzogtum gaben fast 40 Prozent an, dass sie nicht auf diese zählen können. Dies ist europäischer Rekord. In Italien, dem zweitplatzierten Land, liegt dieser Anteil bei knapp über 20 Prozent.

Die Studie hat auch Regierungsaktionen gegen Erwerbsarmut untersucht. Die Steuerreform in Luxemburg hätte auch darauf abgezielt, das Los der Geringverdiener zu verbessern und die Kosten für die Kinderbetreuung zu senken. Haushalte mit Kindern müssen weniger Steuern zahlen, dies hätte die Erwerbsarmut tatsächlich verringert. Dennoch gibt es noch Raum für Verbesserung. Arbeitnehmer, die in Teilzeit arbeiten, hätten von diesen Reformen nur wenig Nutzen.

Serenissima
29. September 2017 - 7.39

Man soll aber auch die anderen Studien berücksichtigen die klar sagen dass die Schere zwischen arm und reich immer mehr auseinander klafft d.h. die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden zu scheinen.....auch in Luxemburg. Also hatte K.Marx doch wohl irgendwie Recht mit seiner Behauptung der zunehmenden Verelendung der arbeitenden Klasse (Pauperisations Theorie) oder nicht?

Aender T.
29. September 2017 - 7.01

Nur ein Detail: die europäische Union beschäftigt in ihren Institutionen Menschen hier in Luxemburg ganz legal unter dem luxemburgischen Mindestlohn. "agents contactuels", spezifisch die GF I und GF II.
Die legale Basis sind die "Statuts des fonctionnaires et autres agents" de l'U.E.
Die Verträge sind auf 6 Jahre beschränkt und nach den Texten nicht erneuerbar.
Danach zahlt dann der luxemburger Staat 80% Arbeitslosengeld...und muss mich in seine Statistiken eintragen . ..(irgenwo bei Arm, denn es sind ja nicht einmal 80% vom luxemburger Mindestlohn)
Ich konnte mit dem Geld eigentlich sehr gut leben, hätte auch noch lange für dieses Geld arbeiten können,
ich brauche in der Tat nicht viel, aber ich habe keine Kinder und zahle keine Miete.
Wie das andere tun ist mir ein Rätsel.
Und wer hat diese Studie wohl in Auftrag gegeben ...?
Und wer diese Gesetz wohl schreibt?

DeKolopdeNap
28. September 2017 - 16.01

Erm, RMG bedeutet dass die Erben nie zu viel verdienen dürfen. RMG ist kein normaler Staatszuschuss, es ist eher ein Kredit den man aber nur unter bestimmten Bedingungen zurückzahlen muss. Für Singles ohne Kinder also ein Einkommen, für die Anderen ist es entweder ein notwendiges Übel oder eine skrupellose Verschuldung der nächsten Generation. Mal davon abgesehen, 2 Jobs und noch RMG, das dies überhaupt hier im Land möglich ist, ist blanker Hohn.

Marius
28. September 2017 - 9.47

Luxemburg, ein rundum glückliches Land?
Luxemburg hat sich allmählich in ein scharmantes und wohlgefälliges, “idyllisches Dörfchen“ mit internationalem Flair verwandelt, übersichtlich und klar strukturiert, mit einem außergewöhnlich friedfertigen und unterwürfigen Menschschlag, der von der Dauernarkose des betäubenden Zeitgeistes erfasst, nicht einmal merkt was ihm eigentlich fehlt. Dieser Zustand des Wohlergehens sollte uns dazu anregen, das Geschehen gründlicher unter die Lupe zu nehmen, denn die im Dörfchen angesiedelte Konsumgesellschaft lebt permanent im Hier und Heute und ist nur darauf bedacht, ihren Wohlstand stetig zu steigern. Um wenigstens die Wirkung von heute zu erreichen, müsste morgen der heutige Einsatz gesteigert werden, was auf kurze Sicht Begeisterung hervorrufen mag, doch auf Dauer nicht funktionieren dürfte. Um korrekt zu funktionieren benötigt ein solches System immer neue Teilnehmer die kontinuierlich mehr Kapital im kleinen Grossherzogtum investieren; demzufolge ein vorprogrammiertes unbegrenztes Wachstum. (?)
Nur Kritiker, unzufriedene Nörgler und notorische Querulanten sind die lästigen Störenfriede, denen hierzulande im öffentlichen Diskurs allerdings nur wenig Gehör geschenkt wird. Die Mehrheit der Zeitgenossen sucht nicht mehr nach dem Sinn des Lebens, weil die politisch hochgekurbelten Medien alle Nachrichten frei Haus liefern, oder bedarf sie dieser tiefgründigen Sinndeutungen vielleicht gar nicht mehr, weil der Zeitgeist dies für überflüssig erachtet? In diesem beklagenswerten Umfeld gerät Nachdenklichkeit im kleinen Grossherzogtum über kurz oder lang, zu einer Art latenten Geisteskrankheit.

Lodibl
28. September 2017 - 9.37

Meistens waren es die Sozis die in Eiropa für die Working Poor gesorgt haben.

Jérôme
28. September 2017 - 9.36

Ich kenne jemand, der hat 2 Jobs. Inklusiv RMG kommt der gut über die Runden, und für das jeweils neueste i-phone reicht es auch noch.

Peter Mutschke
28. September 2017 - 8.57

Um working poor People zu sehen reicht ein Blick zur Tür hinaus.Ich kenne etliche die trotz zwei Jobs kaum über die Runden kommen.Auch wenn es in den USA weniger Sozialleistungen gibt so gibt es dort eine gigantische Wohlfahrtsindustrie.Ich denke da vor allem an die zahlreichen Benefizveranstaltungen mit prominenten.