Zu Deutsch heißt er «Stilfser Joch», liegt in Italien und ist die zweithöchste asphaltierte Passstraße der Alpen. Der italienische Name lautet Stelvio und er ist das höchste aller motorisierter Gefährte, die Alfa bisher baute. Nicht kantig, nicht eckig – Italiener lieben runde Formen und rassiges Design, der Stelvio ist so etwas wie eine Giulia, die lieber ins Überlebenscamp und den Kraftraum als ins Ballett gegangen ist. Nach so viel Muskelaufbau und Platzerweiterung strahlt der Stelvio dennoch weiterhin Grazie, Eleganz und Leidenschaft aus. Alfa hat hier designmäßig das unwiderstehliche SUV entwickelt, das auch im Gelände mit Nonchalance des Weges zieht, obwohl es, wie die meisten Muskelprotze seiner Zunft, sich nur ungern die Hände bzw. die Reifen dreckig macht. Sein Jagdgebiet liegt auf der Straße oder in der Stadt, wo er jeden Meter Asphalt und jede Kurve mit lässiger Zurückhaltung oder demonstrativer Begeisterung absolviert, so als gelte es, die Schönheit des Autofahrens in all ihren Phasen mit der Leidenschaft zu begleiten, mit der ein italienischer Fahrer einer gut aussehenden Frau die Vorfahrt nimmt. Oder überlässt, wenn sie besser aussieht als seine eigene.
Den Stelvio hinauf schrieb Charly Gaul einst Giro-Geschichte, der Alfa Stelvio soll die Geschichte des Hauses als dynamisches SUV mit vorbildlicher Aufhängung in typischer Alfa-Manier bereichern. Präzise die Lenkung, stramm, aber nicht unbequem die Federung und durchzugsstark und temperamentvoll der Motor, in diesem Fall der 2,2 Liter-Turbodiesel mit 210 PS. Mit intelligentem Allrad (Q4-Modell), Achtgang-Automatik, der Möglichkeit zur manuellen Bedienung über Schaltwippen und mit «dna»-Fahrwerk, das die Wahl zwischen Dynamik (Fahrwerk wird strammer, die Lenkung direkter, die Gänge drehen höher), Normal und AllWeather bietet.
Daneben gehört den Alfa-Jungs das Lob, diesmal Raum und Platz auch für die Hinterbänkler geschaffen zu haben, die sich ja in einer Giulia etwas eingeengt vorkommen. Gut möglich, dass man diesmal für die Sitzprobe auf ausgewachsene Männer zurückgegriffen hat. Design- und ausstattungsmäßig präsentiert sich der Innenraum mal aufregend schön oder mal schlicht zurückhaltend. Das kommt auf die Ausstattungsvarianten, die Farbauswahl der Sitze und die Einlagen in den Türen, am Armaturenbrett und in der Mittelkonsole an. Angesichts des unübersichtlichen und komplizierten Katalogs an teuren Optionen und Zubehör-Paketen muss man sich allerdings die Frage stellen, wieso Alfa mit dieser Ausstattungs- und Preispolitik seine gerade eben zurückgewonnenen Kunden wieder abschreckt. Beheizte Vordersitze gibt es erst ab Ausstattungsstufe drei, bei jedem koreanischen Rasenmäher sind sie Standard.
Das tut dem Fahrspaß keinen Abbruch. Man sitzt gut und hoch, sieht alles und genießt den Antritt und die Durchzugsstärke des Stelvio, die 470 Nm bei 1.750 Umdrehungen machen’s möglich. Über Land, durchs Tal und über die Berge kamen wir auf 6,3 Liter Verbrauch. Da schluckt ein Radprofi im Stelvio schon etwas mehr.
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