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Investitionen in soziale Wirkung zahlen sich aus

Investitionen in soziale Wirkung zahlen sich aus

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Außergewöhnlich gute Ideen sind dünn gesät. Der Fortschritt stellt sich in der Regel erst allmählich und Schritt für Schritt ein. Doch manchmal kann eine großartige Idee – auch wenn sie sich anfangs bescheiden präsentiert – unsere Sichtweise auf das Mögliche grundlegend verändern.

Ein kleines, vor zehn Jahren konzipiertes soziales Experiment mit Hilfsmaßnahmen für 2.000 junge Straftäter im ostenglischen Peterborough zahlte sich letzte Woche im wahrsten Sinne des Wortes aus. Noch wichtiger: Das Experiment von Peterborough wurde zum Leitfaden für die Investition Hunderter Millionen Dollar in soziale Reformen.

Während der Amtszeit der letzten Labour-Regierung arbeitete ich gemeinsam mit einem der bedeutendsten Unternehmer und Philanthropen, Sir Ronald Cohen, an der Einführung des weltweit ersten Sozialen Wirkungskredits (SWK). Aus Sorge um die Rückfallquote unter jungen Straftätern überzeugten Sir Ronald und seine Kollegen eine Investorengruppe, ein innovatives Programm maßgeschneiderter persönlicher Betreuung und Förderung für junge Menschen zum Zeitpunkt ihrer Haftentlassung zu unterstützen.
Die SWK-Initiative war eine der letzten Entscheidungen, die ich in meiner Amtszeit in der Regierung unterschrieb. Innerhalb von ein paar Monaten hatte Social Finance – ein weiteres von Cohen lanciertes soziales Unternehmen – fünf Millionen Pfund von 17 Treuhandgesellschaften und Stiftungen aufgebracht, um die Wirkungskredite zur Verfügung zu stellen.

Komplexe Bedürfnisse von Straftätern

Die SWK Peterborough finanzierte One Service, eine Dachorganisation, die sich Straftätern widmet, um ihnen zu helfen, aus dem Teufelskreis der Rückfälligkeit zu entkommen. Fünf Jahre lang stellte One Service über einen Zeitraum von zwölf Monaten zwei Kohorten zu je 1.000 männlichen Gefängnisinsassen nach Verbüßung kurzer Haftstrafen unterstützende Dienste zur Verfügung. Die Teilnahme an dem Programm erfolgte freiwillig, aber in die Messung der Ergebnisse wurde die gesamte Kohorte einbezogen.

Die meisten der 2.000 von One Service in Peterborough unterstützten Jugendlichen hatten nicht nur Haftstrafen verbüßt, sondern waren auch mehrmals rückfällig geworden. Haft schien auf sie keinerlei abschreckende Wirkung zu haben. Doch viele von ihnen hatten akute Probleme, bei deren Bewältigung ihnen niemand half. Ein hoher Anteil der Straftäter litt an psychischen Störungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch. Viele hatten keine Wohnung, es fehlte ihnen an Qualifikationen, um Arbeit zu finden, sie hatten keinen Zugang zu Einkommen und Schulden bei Geldverleihern – die Rückfälligkeit war also vorprogrammiert.

Investitionen in diese Art von Krediten stellten ein Risiko dar, aber mit der SWK Peterborough wollten wir der Welt zeigen, dass private Investitionen mobilisiert werden konnten, um sich sogar der kompliziertesten und hartnäckigsten sozialen Probleme anzunehmen. Im Einklang mit dem von mir genehmigten Programm würde die Regierung also die Gläubiger bezahlen, wenn es gelingt, die Rückfallquote mit Hilfe des Projekts auf unter 7,5 Prozent zu senken.
Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen im Rahmen der Safer Peterborough Partnership gelang es One Service, die Rückfallquote unter diesen zu kurzen Haftstrafen verurteilten Straftätern um 9 Prozent stärker zu senken als in einer nationalen Kontrollgruppe. Infolgedessen erhalten die 17 Investoren der Peterborough-SWK eine Einmalzahlung im Ausmaß ihrer ursprünglichen Investition plus einen Betrag, der einer jährlichen Rendite von knapp über drei Prozent für den Zeitraum der Investition entspricht.

Peterborough entwickelte sich in der Tat zu einem Vorzeigeprojekt. Heute werden im Rahmen von Sozialen Wirkungskrediten Mittel im Ausmaß von 300 Millionen Pfund für ein breites Spektrum an Projekten aufgebracht. Mit diesen Krediten werden in den USA Hilfsmaßnahmen für Flüchtling auf Jobsuche finanziert; in Großbritannien werden obdach- und beschäftigungslose Jugendliche sowie ältere Personen unterstützt; in Teilen Asiens gibt es Maßnahmen zur Senkung der Drop-out-Rate an Schulen und in Israel fließen Mittel in die Diabetes-Prävention.

Schlüssel zu sozialem Fortschritt

Wie Sir Ronald erläuterte, bezahlt die Regierung nur im Erfolgsfall. Der Schlüssel zu sozialem Fortschritt besteht in der präzisen Messung der Auswirkungen solcher Initiativen – einschließlich des Nutzens der Prävention – und in der Umwandlung sozialer Vorteile in eine finanzielle Rendite, mit der man Investitionen des Kapitalmarkts anlocken kann.

Mittlerweile arbeite ich mit Sir Ronald an einem neuen Projekt. Er ist der Ansicht, dass es uns gelingen kann, erhebliche Summen für dringend notwendige Bildungsinvestitionen aufzubringen, darunter auch für die 30 Millionen Kinder, die sich weltweit auf der Flucht befinden der vertrieben wurden. Doch der Cohen-Plan ist noch mutiger und deckt den gesamten Bereich jener sozialen Probleme ab, die es dringend zu lösen gilt. Er erwartet für 2020 einen Wendepunkt, wobei Milliarden Dollar an Neuinvestitionen in Wirkungskredite von den weltweit erfolgreichsten 100 institutionellen Anlegern, 50 Stiftungen und 50 Privatunternehmen kommen sollen.
Genauso wie das Risikokapital – dem Sir Ronald in Großbritannien auch den Weg bereitet – vor einer Generation den Finanzierungsbedarf der Dot-Com-Revolution deckte, können Investitionen in soziale Projekte uns dabei helfen, die nächste Stufe innovativer sozialer Reform zu erreichen. Ein Unterstützer dieser Maßnahmen sagte mir vor ein paar Tagen: Wer zeigt, wie man Risikobereitschaft für finanzielle Renditen mit positiven sozialen Auswirkungen zur Veränderung der Welt verbindet, verdient den nächsten Friedensnobelpreis.
* Der Autor: Gordon Brown ist ehemaliger britischer Premierminister und Finanzminister, Sondergesandter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für globale Bildung sowie Vorsitzender der International Commission on Financing Global Education Opportunity.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
Copyright: Project Syndicate, 2017