Die Minette-Region sowie der Nordosten und der äußerste Norden zählen zu den strukturschwächsten Regionen in Luxemburg, ermittelte das Statistikamt Statec in einer rezenten Analyse zum „Indice socio-économique“, der für jede Gemeinde nach Kriterien wie Anteil der RMG-Empfänger, Arbeitslosenquote, medianes Einkommen, Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor und Anteil der Alleinerziehenden berechnet wurde. Auf den hinteren Positionen des Rankings finden sich die meisten Städte wieder: Wiltz, Esch/Alzette, Differdingen, Ettelbrück, Vianden, Echternach, Rümelingen und Petingen.
Doch auch Diekirch, Düdelingen und Grevenmacher sowie die großen Südgemeinden Schifflingen und Kayl schneiden nicht besonders gut ab. Gleiches gilt, mit wenigen Ausnahmen, für den Norden.
An der Tabellenspitze liegen die reichen Gemeinden aus dem Einzugsgebiet der Stadt Luxemburg: Contern, Niederanven, Kopstal, Bartringen, Strassen, Leudelingen, Sandweiler und so weiter. Und auch die Hauptstadt selbst steht im Vergleich zu den anderen Städten recht gut da. Oder anders gesagt: Das politische Zentrum des Landes ist zugleich das wirtschaftliche.
Daneben gibt es aber noch mindestens zwei äußere Zentren, von denen sich eines im Süden – dem Minette – und ein anderes weiter nördlich befindet, das bald die Bezeichnung „Nordstad“ nicht nur tragen, sondern auch verdienen soll. Weitere Zentren sollen sich nach Vorstellung der Regierung im äußersten Norden rund um die Fusionsgemeinden Wiltz und Clerf oder auch in Echternach entwickeln.
Doch noch ist es nicht so weit. Wie der sozio-ökonomische Index zeigt, ist der Reichtum sehr ungleich verteilt. 70 Jahre Zentralismus haben ihre Spuren hinterlassen. Fast sämtliche Ministerien und staatlichen Verwaltungen befinden sich noch immer in der Hauptstadt. Auch die Finanzindustrie, der größte Teil des Dienstleistungssektors und viele große Unternehmen konzentrieren sich auf das Ballungsgebiet der Stadt Luxemburg. Alleine daraus auch auf eine „emotionale“ Nähe zwischen Staat und Wirtschaft zu schließen, wäre möglicherweise überzogen.
Zwar wurden erste, zaghafte Anstrengungen für eine schrittweise Dezentralisierung unternommen, wie zum Beispiel mit der Uni in Esch-Belval, doch die gefühlte Distanz zwischen dem primären Zentrum und den äußeren Zentren ist immer noch viel zu groß.
Man könnte der Politik die Schuld an diesem Zustand geben, insbesondere der CSV, die fast 15 Jahre lang an einem Landesplanungsgesetz gewerkelt hat. Die aktuelle Regierung scheint es jetzt endlich zu Ende bringen zu wollen, doch auch sie tut sich noch schwer damit. Verfassungsmäßig geschützte Eigentumsrechte und die Gewerbefreiheit stünden der Landesplanung im Weg, hatte Staatssekretär Camille Gira vor rund sechs Wochen dem Lëtzebuerger Journal erklärt. Doch eine Verfassungsreform steht ja auch noch auf der politischen Agenda der Regierung.
So könnte, mit etwas Geschick und gutem Willen, das Landesplanungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Und dann, um es mit den Worten eines bekannten Kunstpsychologen zu sagen, wird das egozentrische Zentrum in ein paar Jahren vielleicht erkennen müssen, dass es nur ein Zentrum unter vielen ist und es die Kräfte und Bedürfnisse anderer Zentren nicht gefahrlos ignorieren können wird.
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