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Der IS hat sich auf die Niederlage vorbereitet

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Nach der Eroberung von Mossul ist mit dem IS nicht mehr viel Staat zu machen. Doch die Terrortruppe hat Pläne zum Überleben entwickelt.

Das von der Terrormiliz Islamischer Staat proklamierte Kalifat ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Irakische Truppen haben die Einnahme von Mossul verkündet, in Syrien sind von den USA unterstützte Milizen in die IS-Hauptstadt Al-Rakka eingedrungen. Sind sie erfolgreich, verliert der IS zwei urbane Zentren. Die Miliz ist eine Mischung aus lokaler Aufstandsbewegung und einer weltweiten Verbindung selbst ernannter Gotteskrieger.

Al-Bagdadi ist tot Der Anführer der IS-Miliz, Abu Bakr al-Bagdadi, ist nach Erkenntnissen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte tot. Ihr lägen Informationen vor, die den Tod des Islamisten bestätigten, sagte die oppositionsnahe Gruppe der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Die Angaben ließen sich unabhängig nicht überprüfen. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, es könne den Tod Bagdadis nicht bestätigen.

Das russische Militär hatte jüngst erklärt, der IS-Chef sei möglicherweise bei einem Luftangriff am 28. Mai auf die syrische Stadt Rakka ums Leben gekommen. Die USA hatten auch damals erklärt, sie könnten dies nicht bestätigen. Auch Vertreter der irakischen Regierung äußerten sich damals skeptisch. Hingegen meldete Ende Juni die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna, Bagdadi sei umgekommen.

Ihre Gebietsgewinne in Syrien und im Irak haben sie an die Spitze islamistischer Terrorgruppen katapultiert. Tausende Ausländer schlossen sich ihr an. Doch der IS sucht schon seit mehr als einem Jahr nach Möglichkeiten, auch nach einer militärischen Niederlage seine Unterstützer in der Region und weltweit bei der Stange zu halten. Ob ihm das gelingt, muss sich noch zeigen.

Terrorzellen

Der IS agiere zwar global, sei aber eher regional verankert, sagt Colin Clark von der US-Denkfabrik Rand. Er könne nach einer Niederlage nicht irgendwohin umziehen. „Sie werden dahin gehen, wo sie Wurzeln haben. Sie werden sich die schwachen Staaten aussuchen. Sie werden sich in regionale Konflikte einschleichen“, sagt Clark. Anfang Februar hat der IS eine Gruppe von mehr als 100 Kämpfern aus dem Irak und Syrien nach Afghanistan geschickt, wie aus einem UN-Bericht aus der vergangenen Woche hervorgeht. Im März folgten noch einmal etwa 20 Kämpfer.

Bei den Durchschnittsafghanen sind die IS-Krieger unbeliebt. Junge Leute aber finden sie interessant und vor allem zahlen sie gut. Neue Kämpfer erhalten dank Unterstützung aus den IS-Gebieten 500 bis 600 Dollar (440 bis 530 Euro) pro Monat – dreimal so viel, wie die radikalislamischen Taliban bieten.

Allerdings hat der IS bereits erklärt, dass sich sein afghanischer Ableger bald selber finanzieren müsse. Das zeigt, in welchem Zustand die Organisation ist, die einst mit Ölverkäufen, Erpressungen und Entführungen Millionen einstrich. Weitere Gruppen von IS-Mitgliedern könnten versuchen, nach Europa oder Afrika zurückzukehren und dort Anschläge zu verüben oder auf Befehle zu warten. Nordafrika sei ziemlich instabil, sagt Clark, und: „Es ist von Waffen überschwemmt.“

Al-Kaida

Das Terrornetzwerk Al-Kaida ist in Syrien inzwischen unter dem Namen Hajat Tahrir al-Scham aktiv. In den vergangenen Tagen ist es gegen Organisationszellen des IS in Idlib und anderen Provinzen vorgegangen. Dies könnte das Vorspiel zu einem Szenario sein, in dem IS-Kämpfer vor die Wahl gestellt werden, sich Al-Kaida anzuschließen oder ermordet zu werden.

IS und Al-Kaida haben viele Gemeinsamkeiten. Als sie sich 2014 trennten, stritten sie mehr über Taktik als über Ideologie. „Die Unterschiede zwischen diesen Gruppen bestehen mehr in Stil und Ton als in der Substanz“, sagt Bruce Hoffman vom Programm für Sicherheitsstudien an der Universität Georgetown. Al-Kaida habe abgewartet, während der IS die Hauptlast des Kampfes getragen habe.

Hoffman sagte, viele ausländische IS-Kämpfer hätten sich in Syrien ursprünglich Al-Kaida anschließen wollen – besonders die Europäer. Sie hätten sich dann für den IS entschieden, weil sie auf der Siegerseite stehen wollten. Sich jetzt erneut umzuorientieren, werde ihnen sicher nicht schwerfallen.

Kämpfen

Im Irak und Syrien bieten sich heimischen IS-Kämpfern zahlreiche Unterschlupfmöglichkeiten. Die Terrormiliz ist in der irakischen Provinz Anbar und der Stadt Tal Afar immer noch stark präsent. Ihre Führung besteht im Kern aus Kadern der Baath-Partei des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein. Diese unterhalten ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung und sind für ihre Überlebenskünste bekannt.

Auf dem Gipfel seiner Macht stützte sich der IS vor allem auf irakische Sunniten, die sich von der mehrheitlich schiitischen Regierung in Bagdad vernachlässigt fühlten und der Kurdenregierung in Erbil misstrauten. Der IS hielt seine Herrschaftsgebiete nicht nur durch Brutalität zusammen, sondern auch mit dem Versprechen einer religiösen Regierung ohne Korruption, die ihre Untertanen vor Willkürurteilen, Diebstahl und Bestechung schützen werde.

Jetzt liegen besonders die mehrheitlich von Sunniten bewohnten Regionen in Trümmern. An den Straßen in Mossul, Falludscha und Ramadi steht ein zerstörter Wohnblock am anderen. Nach einem Jahrzehnt des Blutvergießens habe die Uneinigkeit ein neues Ausmaß erreicht, sagt Hoffman. „Das macht jede Einsicht in den Wiederaufbau einer Zivilgesellschaft zu einer unglaublichen Herausforderung.“

Rache

Der IS hat sich lange als sicherer Rückhalt für alle sunnitischen Muslime weltweit dargestellt. In seiner Propaganda standen extreme Grausamkeiten Bildern mit üppigen Ernten, spielenden Kindern und kostenlosen Krankenhäusern gegenüber. In jüngster Zeit zeigten IS-Videos dagegen Zerstörungen durch Luftangriffe, verbunden mit einer neuen Botschaft: dem Verlangen nach Rache.

Als im Juni Attentäter in London Fußgänger über den Haufen fuhren und auf Passanten einstachen, nannte der IS das eine Vergeltung für die Angriffe des von den USA geführten Kampfbündnisses im Nahen Osten und kündigte weitere Gewalttaten an. Seine Unterstützer sind weltweit vernetzt, weshalb Sicherheitsbehörden in den USA und Europa ähnliche Anschläge befürchten.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht verfügte der IS über Zehntausende Kämpfer, auch wenn die Schätzungen zur tatsächlichen Zahl weit auseinanderliegen. Luftangriffe der Anti-IS-Koalition haben viele von ihnen getötet. Die Zahl der Europäer, die sich dem IS in Syrien anschließen wollen, ist zurückgegangen und auch aus der Region selbst lassen sich nur noch wenige rekrutieren.

Doch ein Überleben des IS hängt nicht von den Zahlen allein ab. „Die Attraktivität des Terrors besteht in der überproportionalen Wirkung, die wenige Leute auf feindliche Gesellschaften ausüben“, sagt Hoffman. Das könne dem IS zum Überleben reichen.

AP

H.Horst
11. Juli 2017 - 14.55

"... überproportionalen Wirkung, die wenige Leute auf feindliche Gesellschaften ausüben"

Die Bevölkerung des reichsten EU-Staates, dessen illegitimer u. disproportionierter Reichtum nicht einmal durch eigene Leute abgesichert werden kann, wäre ja wohl eine solches Ziel. Das verhielte sich wie fette Stallhasen zu ausgehungerten Wölfen.