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Dekonstruktion

Dekonstruktion

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Die Empörung über das antinationale Fest der «Jonk Lénk» am Vorabend des Nationalfeiertags hat gezeigt, wie tief der Patriotismus in Luxemburg verwurzelt ist. Der vor allem von der Nachkriegs-CSV gebetsmühlenartig gepredigte Mythos der kleinen Schicksalsgemeinschaft, die seit fast 180 Jahren ihre Grenzen tapfer gegen ihre großen Nachbarn verteidigt, hat sich in das kollektive Bewusstsein eingebrannt. Luxemburg ist aber, wie viele andere Nationen auch, nichts anderes als ein Zufallsprodukt der Geschichte. Die bewusst geschürte Angst vor Veränderung und Unsicherheit hält den Mythos für eine gewisse Zeit am Leben.

In der globalisierten Welt von heute gelten die Grenzen aber längst nicht mehr für alle. Multinationale Konzerne und der Welthandel haben sie längst überwunden. Doch für Geflüchtete, Mittellose, Andersdenkende, Arbeiter, Arbeitslose, Behinderte, Kranke und viele andere sind die Grenzen präsent wie selten zuvor. Ihnen wird die Teilnahme an der kapitalistischen Gesellschaft zum größten Teil verwehrt. Denn eigentlich geht es bei den Grenzen weniger um Staatszugehörigkeit als um den Zugang zu (wirtschaftlichen) Ressourcen, der vielen Menschen vorenthalten bleibt.

Überall auf der Welt haben sich in den vergangenen Jahren ultrakonservative Bewegungen gebildet, die dieses kapitalistische Herrschaftsverhältnis um jeden Preis aufrechterhalten wollen. Doch diese Bewegungen sind lediglich die Speerspitze. Durch ihr zum Teil rüpelhaftes Auftreten, von dem die Angepassten und Moderaten sich abgrenzen können, verschaffen die Ultrakonservativen der bestehenden neoliberalen Ordnung eine Legitimation, die diese wohlwollend annimmt.

Und die Ordnung funktioniert so: Wer «Leistung» bringt, Mehrwert schafft und brav mitmacht, gehört dazu und darf (mehr oder weniger) von den Vorzügen des Kapitalismus profitieren. Wer nicht in dieses Muster passt, wird kurzerhand ausgegrenzt. Die Ausgrenzung erfolgt über äußerlich zugeschriebene Merkmale wie Hautfarbe, Geschlechtszugehörigkeit, Aussehen, Kleidung, Sprache, sexuelle Orientierung und Nationalität.

In Luxemburg wurden die Herrschaftsverhältnisse lange Zeit nicht mehr infrage gestellt. In den vergangenen 20 Jahren war es ruhig geworden. Politische Protestbewegungen hatten kaum noch Platz in dieser kleinen Schicksalsgemeinschaft, die so viel Elend und Schmach erdulden musste, bis sie zu dem blühenden Finanzplatz werden konnte, der allen Bürgern Wohlstand, Zufriedenheit und Glück bescherte.

Doch in den vergangenen Jahren begann die Fassade zu bröckeln. Die SREL-Affäre, die LuxLeaks-Enthüllungen, die Erkenntnisse über die Kollaboration im Zweiten Weltkrieg und die schwindende Macht der katholischen Kirche haben dazu beigetragen, dass die öffentliche Wahrnehmung sich verändert hat. Daran wird auch das ominöse «Nation Branding» nichts ändern.

Umso begrüßenswerter ist es, dass sich in Luxemburg jetzt wieder eine (kleine) antikapitalistische Bewegung gebildet hat, die den Mythos weiter in seine Einzelteile zerlegt, international vernetzt ist und zudem den Umgang mit den sozialen Medien beherrscht. Ein bisschen frischer Wind kann dem sozialpolitischen Diskurs beileibe nicht schaden.

GuyT
7. Juli 2017 - 15.39

Jetzt wo Zeitzeigen ausgestorben sind werden schamlos die gewagten Thesen eines Artusos über "Erkenntnisse über die Kollaboration im Zweiten Weltkrieg" genutzt, um unsere Geschichte zu relativieren und alles was mit Nationalem zusammenhängt schlecht zu machen.

marc wollwert
7. Juli 2017 - 0.08

warum sollen wir uns selbst zerfleischen?wir luxemburger sind doch die gluecklichsten menschen der welt.geniessen wir doch einfach unser suesses dekadentes leben.da sowieso nichts ewig dauert sollten wir uns einfach keine gedanken machen.fahren wir doch unsere dicken autos ohne reue und zeigen wir doch voller stolz unseren nachbarn unsere luxurioesen haeuser!steigen wir voller vorfreude in den ferienflieger und machen uns auf den weg in eine andere teure dekadenzecke dieser welt.es will doch keiner seinen lohn oder seine pension missen die um das dreifache hoeher liegen als die unserer nachbarn.und seien wir unseren eliten dankbar dass sie den reichtum unseres landes mit uns teilen.schon bei unseren reichen nachbarlaendern sieht das ganz anders aus. man denke nur an belgien mit seinen hungerloehnen fuer die massen.auch beim staat!

MartaM
6. Juli 2017 - 17.22

Et gin Leit déi halen un hieren Wäerter an Idealer fest, an lossen sech net den Kapp mat 100€ verdréien.

Developper
6. Juli 2017 - 14.47

Et leeft op "global governance" eraus, dofir siche se krampfhaft no globale Problemer a Besteierungsmethoden à la CO2. Mam Globalismus kënt nach eng fiis Ideologie a Big Government an d'Spill. Club der Milliardäre a Sozialismus fir d'Massen. Demnächst, wann e puer Leit d'Algorithmen kontrolléieren an d'Prekariat, "d'Klasse der Nutzlosen", emol net méi ka streiken, well d'Camionen automatesch fueren a se schlicht net méi gebraucht ginn... da kënnt "d'bedéngungslost Grondakkomes", legal Drogen a Gratis-WLAN. De Widersproch, dass mer méi Immigratioun "brauchen", gläichzäiteg eis d'Roboter wärten d'Aarbecht ofhuelen kënt och net opgeléist.

Developper
6. Juli 2017 - 14.36

Haalen dat fir en déckt Stéck, d'Lëtzebuerger sinn um ofsteigendem Aascht an am fräie Fall. Eng Minotitéit am eegene Land, wou ee sech emol kee Stéck Land méi leeschte an ee séng Sprooch kaum nach irgendwous schwätze kann. An dann eng Finanzplaz, déi déi ganz Sozial- an Immigratiounsindustrie ënnerhält. Sech dann dohinner ze stellen an ze soen "Fé*** Lëtzebuerg" an "Stief Finanzplaz"... en déckt Stéck. Beim "Stief Finanzplaz" sinn ech allerdéngs net ofgeneigt, dann huet dee ganze Spuk nämlech séier en Enn.

H.Horst
6. Juli 2017 - 14.09

"... Traum vom realen Sozialismus ..."
Sie wissen ja wohl was es mit dem "real existierenden Sozialismus" auf sich hatte und wie die Geschichte zu Ende ging.....
En dreifaches Hoch,...wohl weniger. Aber ein realistischer Blick in die Geschichte schadet selten. Die Idee der ethnischen Nation, wie sie vielfach implizit von "Patrioten" verstanden wird, ist nun mal nicht mit der einer konstitutionellen Monarchie vereinbar. Ironischerweise sind es ausgerechnet diese Zeitgenossen welche sich als nationalistische Monarchisten darstellen und die contradictio in adjecto nicht erkennen. Die Idee der Monarchie ist viel älter als die Idee der Nation. Das Phänomän ist nicht auf Luxemburg beschränkt. So sind es ausgerechnet die deutschtümelnden Neonazies die eine große Schwäche für Friederich den Großen von Preußen hegen. Dieser meinte dereinst, dass die deutsche Sprache nur tauge "um Domestiken Anweisungen zu erteilen".

Rosch
6. Juli 2017 - 14.06

@Martha M. "hoffentlich enden diese Jugendlichen nicht wie ihre revolutionären Vorgänger in Armani Kostümen und prall gefüllten Brieftaschen, werden zu Wendehälsen und Befürworter neoliberaler Politik." Wovon träumen Sie nachts ? Natürlich werden sie das. Wer gegen Kapitalismus ist, ist nur wütend, dass er nicht selber einer ist. Drücken Sie mal einem von diesen selbsternannten "Revoluzzern" 100€ in die Hand. Sie werden ja nicht im Traum daran denken, dass der ablehnt. Auf die "Jonk Lénk" gehe ich nicht ein, die haben ja bewiesen, welche Schule sie absolviert haben. 3 Tage Baumschule.Die werden wohl kaum einen Dicks riichten und wenn das unsere Politiker der Zukunft sein wollen, kann ich nur sagen: Mahlzeit !

MartaM
6. Juli 2017 - 13.52

Globalismus eng Weiderentwecklng vum Kapitlismus? Ech gesinn et éischter als een an dat selwecht, woubai den Kapitalist sech dem Globalismus bedéingt fir um Arbechter seng Käeschten sain Gewenn an d'Luucht ze dreiwen.

Developper
6. Juli 2017 - 13.25

Wat Dir net op d'Rei kritt ass, dass mer am gaange sinn eis vum Kapitalismus ze verofschiiden, mer haut am Globalismus sëtzen an dat ganzt éischter als Technokratie bezeechent muss ginn. Mol kuken, ob den Här Laboulle och esou frou ass, wann d'Alt-rights zu Lëtzebuerg fir e frësche Wand am sozialpoliteschen Diskurs suergen.

MartaM
6. Juli 2017 - 13.08

Soll Ihr Statement ein dreifaches Hoch auf die Monarchie sein oder wollen Sie diesen Jugendlichen Ihren Traum vom realen Sozialismus vergraulen? Wenigsten kann man diesen Jugendlichen nicht vorwerfen, die Hände in die Taschen zustecken und nichts gegen die Mißstände des kapitalistischen Systems zutun. Vielleicht brauchen wir eine Revolution, um die aus den Fugen geratene Welt wieder auf Orbit zusetzen.

MartaM
6. Juli 2017 - 12.53

Ugepasst hun sech LSAP,Greng an och d'Gewerkschaften un den kapitalisteschen System.Se hun mat enger EU zesummen lues an lues zougeloss dat déi esou haart erkämpften sozial Errongenschaften ennerhielegt gin, duerech d'Hannerdier ofgeschaaft.Leider hun vill Politiker an Gewerschafter vergiess wou se hierkommen, hun vergiess wem se hier déck Politikerpaien verdanken.Et feelt un lénke Politiker déi der Welt den Dicks riichten.

Revoluzzer
6. Juli 2017 - 12.20

"Wer “Leistung” bringt, Mehrwert schafft und brav mitmacht, gehört dazu und darf (mehr oder weniger) von den Vorzügen des Kapitalismus profitieren."
Tja wenn die Leistung nicht stimmt, in den Krankenhäuser, im öffentlichen Transportwesen, in den Schulen, in der Forschung, bei den öffentlichen Hygienediensten, etc. und der Mehrwert nicht geschaffen wird, sterben die Kranken schneller, kommt niemand so einfach und billig von a nach b, bleiben viele vor allem ärmere Kinder unwissend, wird kein Müll entfernt, etc. und nur wenige gehören nicht zu denen, die von dieser Misäre betroffen sind.

Jean Bodry
6. Juli 2017 - 11.37

Den Editorialist, den seng verlueren Drëm, bäi deene "Jonk lénks" erëmfënnt! Huet eng politesch Virstellung, déi net op Kouhaut passt! Luc, du wäers dat net mengen, dat déi zwee All "lénker"an de Chamber, eis Gesellschaft méi sozial maachen? Déi hunn sech schonn laang ugepasst!
Soll de Kapitalismus, dat zerstéieren wat Gewerkschaften an de Joeren ob gebaut hunn? Ass dat een Zeechen, datt Gewerkschaften sich dem Kapitalismus ugepasst hunn! Och déi haiteg Gewerkschaften hunn dreemen vun méi enger gerechter an sozialer Gesellschaft, mat hirer Upassung längst op ginn! Awer dreemen kann een och am Kapitalismus! "Lénks" ass net ëmmer "lénks"!

H.Horst
6. Juli 2017 - 11.33

Dekonstruktion der Mythen von vorpolitischer Nation, einigem Volk, heroischen Widerständlern,...etc. alles schön und gut. Aber auf was soll es hinauslaufen ? Was sind die Gemeinsamkeiten der sozialen Gruppe Nation ? Auf was kann man sich als gemeinsames Merkmal einigen ? Herkunft, Sprache, Kulturtechniken....? Schlägt man die Idee eines "Verfassungspatriotismus" vor ? Was mit denen die verfassungsfeindlich sind ? Sind die dann nicht mehr Teil der Nation ? Nett, dass die Leute sich Gedanken machen. Aber eine Dekonstruktion ohne einen blassen Schimmer von dem was anschliessend konstruiert werden soll ist nicht nur von intellektueller Schlichtheit, sondern führt geradewegs ins entstaatlichte Jeder gegen Jeden, zum Recht des waffenmäßig Stärkeren, zu Anarchie, Revolution, charismatischen Führern.
Bezüglich der Monarchie sollten die jugendlichen Anhänger der internationalistischen proletarischen Traktoristen und Melker ihre Gedanken dahingehend erweitern, dass die Grundidee der Monarchie diametral der Nation (natio = Geburt/Herkunft) entgegen steht. Die Herrschaft beruht auf der Person des Monarchen ohne Rücksicht auf dessen Volkszugehörigkeit. Unser zukünftiger Monarch ist deutsch-österreichisch-italienisch-niederländisch-portugiesisch-kubanischer Herkunft und damit ziemlich das Gegenteil der Idee einer Nation im völkischen Sinne, die ein Kind der Französischen Revolution ist und deren Hymne vom unreinen Blut der Monarchen erzählt. Hier tun sich beunruhigende Parallelen auf. Auf den Monarchen bzw. die Monarchie einzuschlagen ist an kognitiver Schwäche vergleichbar mit kleinbürgerlichen Blut-und-Boden-Nationalisten.

MartaM
6. Juli 2017 - 10.30

Leider fehlt es unserer Welt an solchen Jugendlichen, wie die "Jonk Lenk", die sich diesem neoliberalen System widersetzen.Die Krake "Kapitalismus" breitet sich immer mehr aus, verschlingt langsam die von den Gewerkschaften mühsam errungenen Rechte der Arbeitnehmer, engt die demokratischen Gepflogenheiten ein.Wermutstropfen, hoffentlich enden diese Jugendlichen nicht wie ihre revolutionären Vorgänger in Armani Kostümen und prall gefüllten Brieftaschen, werden zu Wendehälsen und Befürworter neoliberaler Politik.

Heng of Luxembourg
6. Juli 2017 - 10.12

Wenn man Ihren Artikel konsequent weiterdenkt, dann kommt ja wohl nur der Anschluss an die BRD infrage: kein historisches Zufallsprodukt, höchst negatives Bild von der eigenen Vergangenheit, Dekonstruktion des Staates durch regelmäßige Politskandale, starke Ausrichtung auf Globalisierung, Willkommenskultur, keine Belastung durch Einnahmen aus windigen Steuersparregelungen,... Vielleicht doch etwas zuviel der Dekonstruktion? Ach ja, Ihre Zeitung existiert übrigens auch nur aufgrund des von Ihnen erwähnten historischen Zufalls.