«Mit Psychologie hatte ich noch nie Probleme», erklärte der 20 Jahre junge Rodel-Weltmeister bereits vor den letzten beiden Läufen am Sonntag. «Es war schwierig, damit umzugehen, aber wir haben das ganz gut geschafft.»
Zwölf Jahre nach dem Olympia-Hattrick von Georg Hackl bewies Loch gleich im ersten Lauf einmal mehr seine Zockerqualitäten. Bei Schneeregen setzte der Weltmeister von 2008 und 2009 vor den Augen von IOC-Präsident Jacques Rogge auf einen riskant ausgerichteten Schlitten und düpierte mit einer Top-Zeit die Konkurrenz. Nur sein Renngerät bereitete Loch etwas Sorgen: «Der Schlitten war am Limit. So gewinnt man hier nicht.» Umrüsten war angesagt. Im zweiten Durchgang wählte der Sohn von Bundestrainer Norbert Loch eine defensivere Variante, behauptete aber seinen Vorsprung vor Teamkollege David Möller. Erste Nervenprobe bestanden – und zwar glänzend.
«Ich glaube schon, dass sie stark genug sind für diese Situation», betonte Bundestrainer Norbert Loch. «Aber man kann in die Sportler nicht reinschauen. Sie wissen, das ist ein Rennsport. Und dass sie bei jeder Fahrt in Gefahr sind.» Die Rodel-Männer gingen vom Frauen- Start ins Rennen. An der Unfallstelle wurden meterhohe Schutzwände installiert, doch die Einsicht der Funktionäre kam zu spät. «Die Offiziellen haben mir mitgeteilt, dass es ein menschlicher Fehler war», sagte Georgiens Präsident Michail Saakaschwili nach dem Tod seines Landsmanns. «Doch kein sportlicher Fehler darf zum Tod führen.» Kumaritaschwilis Freund aus Kindheitstagen, Lewan Gureschidze, war aufgrund seiner tiefen Trauer nicht in der Lage, das olympische Rennen zu bestreiten.
Der Rodel-Weltverband FIL teilte nach ersten Untersuchungen mit, die Bahn hätte keine Mängel. «Die Bahn ist schnell, aber nicht zu schnell und damit unsicher», kommentierte FIL-Präsident Josef Fendt, der noch im vergangenen Jahr vor den Gefahren der schnellsten Eisrinne der Welt mit Rekordgeschwindigkeiten von weit mehr als 150 Stundenkilometern gewarnt hatte, «es war der schlimmste, traurigste Tag in der olympischen Geschichte für den internationalen Verband.» Den letzten tödlichen Rodel-Unfall gab es vor 35 Jahren. Als erste Reaktion auf den Unfall kündigte Fendt an, beim Bau neuer Bahnen ein Tempolimit von etwa 137 Stundenkilometern durchsetzen zu wollen. Die Olympia-Macher in Sotschi planen für das Ringe-Spektakel 2014 mit einem Eiskanal, auf dem mehr als Tempo 160 möglich sein soll. «Das wird mit Sicherheit nicht passieren», betonte Fendt.
Udo Gurgel, Konstrukteur der olympischen Bob- und Rodelbahn, war fassungslos. Die Hochgeschwindigkeits-Piste rund 130 Kilometer nördlich der Olympia-Stadt Vancouver ist die neunte Bob- und Rodelbahn, die der Ingenieur aus Leipzig mit seinem Team in den vergangenen 40 Jahren entworfen hat. Allerdings ist das «Sliding Centre» in Whistler die schnellste der weltweit 21 Bahnen. «Geschwindigkeiten von deutlich über 150 km/h sind möglich», sagte Gurgel. Den offiziellen Rekord hält Loch mit Tempo 153,98.
Unten an der Medal Plaza in Whistler erinnern zahlreiche Blumen, Kerzen und Teelichter an Kumaritaschwili. «Genau wie Gold! Dein Traum lebt für immer», steht auf einem kleinen Schild an dem 40 Zentimeter dicken Stahlträger, der dem jungen Georgier zum Verhängnis geworden war. Vom Starthaus aus hatte das deutsche Trio Loch, Möller und Andi Langenhan Kumaritaschwilis Unfall verfolgt und danach sofort die Hochgeschwindigkeitsbahn verlassen. «Jeder Sportler geht individuell damit um. Der eine kann sich ablenken, der andere hat diesen Unfall sicherlich im Hinterkopf», erklärte der dreimalige Olympiasieger Georg Hackl. Loch konnte am Tag danach sogar schon wieder lächeln.
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