Headlines

Die erste Frau im Lande

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sie hat es geschafft. Die erste Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens wollte Hannelore Kraft werden und seit (dem heutigen) Mittwoch darf sie sich tatsächlich mit diesem Titel schmücken.

90 von 181 Stimmen reichten der SPD-Landeschefin im zweiten Wahlgang im Düsseldorfer Landtag, um neue Regierungschefin an Rhein und Ruhr zu werden, weil sich die elf Linke-Abgeordneten geschlossen enthalten hatten. Gemeinsam mit ihrem rot-grünen Kabinett, das am (morgigen) Donnerstag vereidigt werden soll, will Kraft nun die nächsten fünf Jahre das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland regieren.

Für die SPD-Frau ist der Sprung an die Regierungsspitze der vorläufige Höhepunkt eines rasanten Aufstiegs. Vor zehn Jahren war die Mutter eines Sohnes zum ersten Mal als Abgeordnete in den nordrhein-westfälischen Landtag eingezogen, nicht einmal ein Jahr später wurde sie Landesministerin für Europaangelegenheiten, im November 2002 dann Wissenschaftsministerin.
Seit der bitteren Niederlage der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2005 galt die Mülheimerin gar als Hoffnungsträgerin ihrer Partei, übernahm zunächst den Vorsitz der Landtagsfraktion und ab 2007 den Parteivorsitz und wurde damit zur starken Frau der SPD an Rhein und Ruhr. Bei diesem Karriereverlauf verwundert es nicht, dass Weggefährten der SPD-Landeschefin einen ausgeprägten Willen zur Macht nachsagen.

«Wir wollen und wir werden dieses Land regieren»
Krafts Ziel, das Ruder im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen wieder an sich zu reißen, wurde trotzdem lange Zeit belächelt. Zu zahm schien sie gegenüber Jürgen Rüttgers (CDU) aufzutreten. Das TV-Duell, das sie zwei Wochen vor der Landtagswahl gegen den amtierenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten auszufechten hatte, wurde von Kritikern als Krafts Bewerbung um den Vizeposten in einem Kabinett Rüttgers verspottet.
Doch mit ihrem Abschneiden bei der Landtagswahl hat Kraft ihren Kritikern gezeigt, dass an ihr kein Weg vorbeigeht. Bereits am Wahlabend hatte die heute 49-Jährige, die sich gerne als Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet bezeichnet, selbstbewusst verkündet: «Wir wollen und wir werden dieses Land regieren.» Dass es sogar für den Posten der Ministerpräsidentin in der von ihr gewünschten rot-grünen Landesregierung reichen würde, ahnte Kraft damals wahrscheinlich noch nicht. Schließlich fehlt SPD und Grünen zusammen eine Stimme zur absoluten Mehrheit.

Schwierige Bewährungsprobe steht noch bevor

Nun, da sich die beiden Parteien dazu entschlossen haben, trotzdem ein gemeinsames Bündnis einzugehen, dürfte sich zeigen, wie weit Krafts Verhandlungsgeschick, das in den Gesprächen mit den Grünen gelobt wurde, und ihre Absicht, «neue Wege zu gehen», wirklich reichen oder ob sie der Kampf mit dem politischen Gegner schnell zermürbt.
«Man muss die Dinge vom Ende her denken», sagt Kraft gerne und verweist dabei auf ihre Erfahrung als Unternehmensberaterin. Bei ihren Koalitionsverhandlungen mit den Grünen dürfte ihr diese pragmatische Einstellung geholfen haben, die Grundlagen eines gemeinsamen Bündnisses zu legen und auch mögliche Knackpunkt aus dem Weg zu räumen.
Doch der wirklich schwierigen Bewährungsprobe wird sie sich in den kommenden Monaten gegenübersehen, dann nämlich, wenn sie auf die Oppositionsparteien zugehen muss, um für Mehrheiten bei Abstimmungen zu werben. Denn während die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen das gleiche Ziel verfolgten wie Kraft und ihre SPD, nämlich eine gemeinsame Regierung, zeigen bislang zumindest die Parteien der abgewählten schwarz-gelben Landesregierung wenig Interesse daran, ihre Nachfolger im Amt zu unterstützen. Sowohl Vertreter der CDU als auch der FDP kündigten bereits eine harte Opposition an.

APN