Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nimmt am Donnerstag seine offiziellen Ermittlungen gegen den Gaddafi-Clan wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf. Am Mittwoch lieferten sich Aufständische und Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi heftige Gefechte.
Bei einer missglückten Evakuierungsaktion in Libyen sind drei niederländische Soldaten einer Miliz des Gaddafi-Regimes in die Hände gefallen. Das bestätigte das Verteidigungsministerium in Den Haag am Donnerstag auf Anfrage.
Den Angaben zufolge flogen die Soldaten mit einem Hubschrauber des vor Libyen ankernden niederländischen Marineschiffs MS Tromp zur libyschen Stadt Syrte, um zwei dort festsitzende Landsleute abzuholen. Nach der Landung sei die Hubschrauberbesatzung von einer Gaddafi-treuen Milizgruppe angegriffen und gefangen genommen worden.
Über die Freilassung der Niederländer werde intensiv verhandelt, sagte ein Ministeriumssprecher. Der Vorfall, über den am Donnerstag die Zeitung «De Telegraaf» berichtete, habe sich bereits am vergangenen Sonntag ereignet. Er sei aus Sicherheitsgründen bis jetzt geheim gehalten worden, hieß es.
Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, teilte am Mittwoch in Den Haag mit: «Der nächste Schritt für den Staatsanwalt wird darin bestehen, seinen Fall den Richtern des IStGH zu präsentieren, die dann entscheiden, ob auf der Basis des Beweismaterial Haftbefehle ausgestellt werden».
Verfolgung ist gerechtfertigt
Die Prüfung bislang vorliegender Informationen habe ergeben, dass die Verfolgung mutmaßlicher Verbrechen in Libyen, die in die Zuständigkeit des IStGH fallen, gerechtfertigt sei, sagte Moreno-Ocampo. Zu den Ermittlungen gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi und Mitglieder seines Regimes war der IStGH in der vergangenen Woche durch den UN-Sicherheitsrat ermächtigt worden.
Die IStGH-Ermittler würden dabei mit der UN, der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und einzelnen Staaten zusammenarbeiten. Unterstützung erhielten sie auch durch Interpol. Die Ermittlungen konzentrieren sich den Angaben zufolge auf Verbrechen, die seit dem 15. Februar bei der gewaltsamen Niederschlagung der Volksproteste gegen das Gaddafi-Regime begangen wurden.
Gegenoffensive
Erstmals seit Beginn der Unruhen vor zwei Wochen stießen Truppen Gaddafis am Mittwoch in von Aufständischen gehaltenes Gebiet im Osten des Landes vor. Eine Offensive gegen die Öl-Stadt Al-Brega südlich von Bengasi scheiterte jedoch am erbitterten Widerstand der Regimegegner.
Seit Mittwochnachmittag wird Al-Brega wieder komplett von den Aufständischen kontrolliert, sagte ein Polizeioffizier in der nördlich gelegenen Stadt Bengasi der Nachrichtenagentur dpa. Bei den Kämpfen seien dort mindestens 20 Menschen getötet worden. Gaddafi-treue Truppen hätten am Morgen die Öl-Anlagen, den Flughafen und mehrere Wohnviertel angegriffen, Kampfjets ein Waffendepot bombardiert. Al-Brega hat einen Öl-Hafen und eine Raffinerie.
Luftangriffe
Luftangriffe wurden auch aus der östlich von Al-Brega gelegenen Stadt Adschdabija gemeldet. Auch hier hätten sich die Aufständischen gegen die regimetreuen Truppen behaupten können. 16 Menschen seien ums Leben gekommen, meldete der Nachrichtensender Al-Arabija. Am Nachmittag machten sich Aufständische von Bengasi aus auf in Richtung Adschdabija, um ihren Gesinnungsgenossen Beistand zu leisten.
Gaddafi ließ sich am Mittwoch von seinen Anhängern in Tripolis bejubeln. Bei einer Feierstunde zum «34. Jahrestag der Herrschaft des Volkes» sagte er, die Libyer würden die Öl-Felder «mit Waffen verteidigen». Hunderte Anhänger applaudierten dem bedrängten Staatschef während seiner mehrstündigen Rede. «Gott, Muammar, Libyen und sonst nichts», riefen sie.
«Tausende Tote»
Gaddafi hatte sich 1969 an die Macht geputscht und 1977 die Staatsgewalt formal in die Hand des Volkes gelegt. Bis heute habe das Volk die Macht, «kein Präsident und keine Regierung», betonte er. Er selbst habe sich nach der Revolution in sein «Zelt» zurückgezogen. «Ich habe kein Amt, von dem ich zurücktreten kann», betonte Gaddafi. Im Falle einer westlichen Militätintervention kündigte der Diktator «Tausende Tote» an.
An der libysch-tunesischen Grenze kamen erneut tausende Flüchtlinge an. Nach jüngsten UN-Schätzungen sind mehr als 150.000 Menschen auf der Flucht. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR stellte weitere Zelte in der Region auf. Die EU verdreifachte ihre Soforthilfe auf zehn Millionen Euro.
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