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Nato warnt vor Kampf gegen das Volk

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Das Nordatlantische Bündnis (Nato) hat Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi vor einem internationalen Eingreifen im Bürgerkrieg in Libyen gewarnt.

«Wenn Gaddafi und seine Militärs weiterhin die libysche Bevölkerung systematisch angreifen, kann ich mir nicht vorstellen, dass die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen tatenlos dabei zuschauen», sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel.

Keiner will in Libyen das Wort «Bürgerkrieg» in den Mund nehmen. Der Kommandeur der Rebellen in der seit Tagen umkämpften westlichen Stadt Misurata, Saleh Badi, scheut sogar den Begriff «Revolutionäre».
Im Osten des Landes sind die Rebellen zunehmend gut bewaffnet und organisiert. Und sie versuchen täglich, das von ihnen kontrollierte Territorium zu vergrößern. Sie erhalten viel Unterstützung durch die Bevölkerung, die zu einem großen Teil mit den Aufständischen sympathisiert.
Mitunter kommt es allerdings auch zu tragisch-grotesken Szenen wie in dem kleinen Ort Bin Dschwad, der westlich der Öl-Felder von Ras Lanuf liegt. «Als die Revolutionäre am Wochenende in das Dorf kamen, wussten die meisten der Beduinen und Schafzüchter, die dort leben, noch gar nicht, dass eine Revolution im Gange ist», berichtet Abdul Rahman, ein Arzt aus der «Rebellen-Hauptstadt» Bengasi. Die Dörfler hätten die Aufständischen erst freundlich begrüßt. «Doch kann kamen die Truppen von Gaddafi und einige von ihnen wurden zu Verrätern.»
Auch vor den Toren der Stadt Misurata, wo die Gaddafi-treuen Truppen auf die Gelegenheit für eine neue Offensive warten, riskiert jeder, der sich nicht mit den Aufständischen solidarisiert, als «Verräter» abgestempelt zu werden. Nach Aussage der Aufständischen in Misurata gehören die Truppen, die rund um die Stadt stationiert sind, verschiedenen Brigaden der Armee an. Auch einige Söldner sollen unter ihnen sein. Das deutet darauf hin, dass die Zahl der noch intakten Einheiten der staatlichen Armee inzwischen gering ist.
Der ehemalige libysche Innenminister Abdulfattah Jounis sagte am Montag, 90 Prozent des Staatsgebietes würden bereits von den Regimegegnern kontrolliert. Doch solange Gaddafi die Aufständischen aus der Luft bombardieren lassen kann, dürfte es ihnen schwer fallen, gen Tripolis zu marschieren.(dpa)

«Wir haben keine Absicht, in Libyen einzugreifen2, betonte Rasmussen. Er bestätigte jedoch, die Nato-Militärs seien beauftragt, «für alle Eventualitäten» zu planen. «Und ich gehe davon aus, dass jede mögliche Nato-Operation gemäß einem Mandat des UN-Sicherheitsrates erfolgen würde», sagte er. Derzeit gebe es kein solches Mandat. Die Verteidigungsminister der Nato werden an diesem Donnerstag in Brüssel über die Lage in Libyen sprechen.

Flugverbotszone

Zur Diskussion um die Einrichtung einer möglichen Flugverbotszone in Libyen sagte Rasmussen: «Das ist eine sehr umfangreiche Unternehmung. Und das würde eine ganze Reihe von militärischen Fähigkeiten erfordern.» Ohne UN-Mandat sei dies nicht möglich. In den USA gibt es sowohl im Weißen Haus als auch im Verteidigungsministerium erhebliche Bedenken gegen eine solche Flugverbotszone.

«Wir betrachten die derzeitigen Ereignisse in Afrika nicht als eine direkte Bedrohung der Nato-Verbündeten», sagte der Generalsekretär. «Aber wir beobachten sie sehr genau.» Die Nato könne rasch handeln. Er räumte ein: «Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass unsere Hilfe nötig wäre, derzeit nicht.»

Enger Kontakt

Die Nato befinde sich in engem Kontakt mit der Arabischen Liga und mit der Afrikanischen Union. Rasmussen sagte, das Bündnis müsse Rücksicht auf die öffentliche Meinung der Bürger in den arabischen Staaten nehmen. «Das ist ein Dilemma, dem die internationale Gemeinschaft gegenübersteht.» «Einerseits finden wir es ungeheuerlich, was in Libyen passiert. Viele Leute wären versucht, zu sagen: Lasst und etwas tun. Und andererseits gibt es eine Menge Empfindlichkeiten gegenüber allem, was als ausländische Militärintervention verstanden werden könnte. Das ist genau das Dilemma.»

Rasmussen warf der libyschen Regierung «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» vor: «Die libyschen Behörden haben eine Verpflichtung, die eigene Bevölkerung zu schützen.» Die Nato sei bereit, den Staaten der Region «in dieser Phase des Übergangs zu helfen – wenn sie es wünschen»: «Wir sehen einen starken Wind des Wandels. Und er bläst in die Richtung von Freiheit und Demokratie.»