Nach dem Atomunfall in Japan sind drei Anwohner des Kraftwerks Fukushima einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge verstrahlt worden. Es handle sich um Menschen aus der evakuierten Zone im Umkreis der Anlage, meldete die Agentur am Samstag.
Kernschmelze, GAU und Super-GAU
Der größte anzunehmende Unfall (GAU) in einem Kernkraftwerk bezeichnet den schwersten, unter Einsatz aller Sicherheitssysteme noch beherrschbaren Störfall. Die Umwelt wird dabei nicht über die zulässigen Grenzwerte hinaus mit Strahlen belastet. Von einem «Super-GAU» spricht man hingegen, wenn ein Unfall nicht mehr beherrschbar ist, der Reaktorkern schmilzt oder der Druckbehälter birst.
Bei einer Kernschmelze erhitzen sich die Brennstäbe so sehr, dass sie ihre feste Form verlieren. Im ummantelten Brennstab befindet sich der Stoff, der gespalten wird – also Uran oder Plutonium. Zur Kernschmelze kann es etwa kommen, wenn Kühl- und Sicherungssysteme gleichzeitig oder kurz nacheinander ausfallen.
Wenn das Kühlwasser absinkt, überhitzt der Reaktorkern, und die Brennstäbe werden beschädigt. Der Kern wird so heiß, dass die Schmelzmasse sich durch die Stahlwände des Reaktorbehälters frisst. Damit wird eine große Menge Radioaktivität in dem Schutzgebäude rundherum freigesetzt.
Im Endstadium frisst sich der geschmolzene Kern durch die Wände des Reaktors, so dass radioaktive Stoffe nach Außen gelangen – wie bei dem bislang größten bekanntgewordenen Unfall in einem Atomkraftwerk 1986 in Tschernobyl. Mit einer Kernschmelze gehen häufig Dampf- und Wasserstoffexplosionen einher. (dpa)
Die Geschichte der Atomkraft wird von zahllosen Pannen begleitet. Einige waren besonders dramatisch:
April 1986: Die weltweit schwerste Katastrophe bisher war die Explosion des Leichtwasser-Graphit-Reaktors von Tschernobyl in der Ukraine – damals Teil der Sowjetunion. 32 Menschen sterben sofort, tausende an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung. 120 000 Menschen müssen umgesiedelt werden. Wolken und Winde tragen die freigesetzte Radioaktivität auch nach Westeuropa.
März 1979: Zum bisher schwersten Atomunfall in den USA kommt es im Kernkraftwerk Three Mile Island/Harrisburg (Pennsylvania). Eine radioaktive Wolke wird noch mehrere hundert Kilometer vom Unglücksort gemessen. Mehr als 200 000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen.
Oktober 1957: In einer Anlage bei Windscale in Großbritannien bricht in einem zur Herstellung von Bombenplutonium genutzten Reaktor ein Feuer aus. Radioaktive Gase verseuchen ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Mindestens 39 Menschen sterben an den Folgen.
September 1957: Von einer der größten Atomkatastrophen der Geschichte erfährt die Welt erst Jahre später. In der sowjetischen Plutoniumfabrik Majak explodiert ein unterirdischer Betontank mit flüssigen, radioaktiven Abfällen. Mindestens 1000 Menschen sterben, 10 000 werden verstrahlt. Verlässliche Zahlen gibt es bis heute nicht. Ein 300 Kilometer langer und bis zu 40 Kilometer breiter Landstreifen ist seitdem verseucht. Der Fall wird erst 1976 durch einen emigrierten Wissenschaftler bekannt, 1990 offiziell bestätigt.(dpa)
In dem beschädigten Atomkraftwerk in Fukushima hatte es am Samstagmorgen eine Explosion gegeben. Weißer Rauch war +uber dem AKW aufgestiegen. Die Ursache sei noch unbekannt. Laut dem Betreiber Tepco seien in der Zentrale vier Menschen verletzt worden, meldete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press. Bei der Explosion sind Teile der Gebäudehülle des Reaktors Fukushima 1 weggebrochen. Danach stürzte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Jiji das Dach des Reaktorgebäudes ein. Die Agentur berief sich auf die Präfektur Fukushima.
Beamte der japanischen Atomsicherheitsbehörde glauben jedoch nicht, dass es am Gehäuse des Reaktors Nummer 1 im Kernkraftwerk Fukushima Eins zu ernsten Schäden gekommen ist. Zu dieser Einschätzung seien sie nach Prüfung jüngster Radioaktivitätswerte nach der Explosion vom Nachmittag (Ortszeit) gekommen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Samstagmittag.
Kernschmelze befürchtet
Es sei jedoch möglich, dass in dem Reaktor eine Kernschmelze ablaufe. Es sei jedoch derzeit nicht notwendig, den Evakuierungsradius um das AKW von zehn Kilometern zu vergrößern, meldete der Fernsehsender NHK unter Berufung auf die Atomsicherheitsbehörde. Wichtig sei, dass der Reaktor weiter abkühle, zitierte NHK einen Atomexperten. Gelinge dies nicht, könne weiterer Brennstoff schmelzen. Der Betreiber des AKW arbeite daran, den Druck aus dem Reaktorgehäuse abzulassen, um eine Kernschmelze zu verhindern, so Kyodo. Trotz dieser Maßnahme seien ungewöhnlich hohe Radioaktivitätswerte in und um das AKW festgestellt worden.
Unrühmliches Ende
Der Problemreaktor im Atomkraftwerk Fukushima stand nach Angaben aus einer internationalen AKW-Datenbank kurz vor der Stilllegung. Der Reaktor 1 des Meilers Fukushima Eins sollte nach etwa 40 Jahren in diesem Monat den Betrieb einstellen.
Der Bau des Reaktorblocks begann nach Angaben der World Nuclear Association bereits am 31. Juli 1967, die Leitung der Arbeiten lag beim US-Konzern General Electric. Am 17. November 1970 ging der vom Stromversorger Tokyo Electric Power Company (TEPCO) betriebene Siedewasserreaktor mit einer Bruttokapazität von 460 Megawatt ans Netz.
In Block 1 fiel nach dem Erdbeben vom Freitag die Hauptkühlung aus, daraufhin wurde ein Notkühlsystem in Gang gesetzt. Der Reaktor 1 ist der älteste der derzeit sechs Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Fukushima Eins. Die Blöcke 2 bis 6 wurden von 1974 bis 1979 gebaut; zwei weitere Blöcke sind geplant. Elf Kilometer südlich des Atomkraftwerks Fukushima Eins befindet sich Fukushima Zwei mit vier Reaktoren, die von 1982 bis 1987 gebaut wurden.
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