Eineinhalb Tage nach der größten Naturkatastrophe in der Geschichte Japans wird damit gerechnet, dass mehr als 1800 Menschen ihr Leben verloren haben. Diese Zahl ergibt sich nach Meldungen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo vom Sonntagmorgen (Ortszeit) aus der bisher von der Polizei bestätigten Zahl von 687 Toten und der Zahl der Vermissten. Allerdings wird erwartet, dass die Zahl der Todesopfer steigen wird – allein in der Ortschaft Minamisanriku in der schwer betroffenen Provinz Miyagi gab es von 9500 Menschen und damit von jedem zweiten Bewohner kein Lebenszeichen.
Seit dem Erdstoß der Stärke 8,9 vom Freitag seien 3000 Menschen gerettet worden, sagte Ministerpräsident Naoto Kan am Samstag. 300.000 Menschen mussten nach Polizeiangaben ihre Häuser verlassen. Darunter sind auch 80.000 Anwohner des Atomkraftwerks Fukushima, wo es nach dem Erdbeben zu einem ernsten Störfall und am Samstag zu einer Explosion kam.
Hilfe aus aller Welt
Aus aller Welt wurde der japanischen Regierung Hilfe angeboten. Überall werden Spendenaufrufe gestartet. Einige Hilfsorganisationen haben ihre Hilfe jedoch eingestellt, bis klar ist, was mit dem beschädigten Atomkraftwerk passiert.
Einen Tag nach dem Beben und dem verheerenden Tsunami, der bis weit ins Land hinein Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mitgerissen hatte, hielten Nachbeben die Bewohner selbst in weit vom Epizentrum entfernten Gegenden in Atem. Die US-Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey (USGC) registrierte seit Freitag allein 25 Beben ab der Stärke 6. Hinzu kamen über 150 schwächere Nachbeben.
Großflächige Überschwemmungen
Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser. Rund 21.000 Menschen wurden noch in Notunterkünften versorgt. Regierungschef Naoto Kan, der die Katastrophenregion am Samstag per Helikopter besuchte, rief die Bürger auf, das beispiellose Desaster gemeinsam zu überwinden.
Auch im Großraum Tokio wurden die Menschen von einer neuen schweren Erschütterung aufgeschreckt. Dennoch schien zumindest auf den ersten Blick am ehesten in der Hauptstadt so etwas wie Alltag zurückzukehren. Am Bahnhof ging es am Samstag recht ruhig zu. An den Schaltern bildeten sich keine übermäßig langen Schlangen von Menschen, die vorübergehend im Süden des Landes Zuflucht suchen wollten.
Flucht gen Süden
Der Zug von Tokio Richtung Osaka im Süden war am Samstag ebenfalls nicht überfüllt. Der 28-jährige Software-Entwickler Shinji Masui sagte der dpa, das Erdbeben mache ihm Angst: «Deswegen fahre ich zu meiner Familie in den Süden.» Auch Mirami, eine junge Frau aus Tokio, flüchtet für eine Woche nach Kyoto, «bis alles vorbei ist».
Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) erschüttert. Im gesamten Pazifikraum waren danach in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst worden. In Kalifornien wurde ein junger Mann von der Welle mitgerissen und ertrank. In Ecuador waren mehr als 260.000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls Zehntausende Bewohner aus tief gelegenen Küstenstrichen in höheres Gelände gebracht.
Ein Toter in Indonesien
In Indonesien kam bei dem Tsunami ein Mensch ums Leben; etliche Häuser wurden zerstört.
Die von dem Erdbeben vor Japan ausgelöste Welle war etwa zwei Meter hoch, als sie gegen Mitternacht einen Küstenabschnitt in Papua auf der Insel Neuguinea überflutete.
Land wurde verschoben
Nach Angaben von Wissenschaftlern hat das Erdbeben mit seiner Wucht große Landmassen verschoben und den Lauf der Welt verändert. Die japanische Hauptinsel sei um 2,40 Meter verrückt worden, sagte Kenneth Hudnut von der US-Geologiebehörde dem Fernsehsender CNN.
Das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie ermittelte nach eigenen Angaben außerdem, dass das Beben mit einer Stärke von 8,9 die Achse der Erdrotation um rund 10 Zentimeter verschoben hat. Das wäre wahrscheinlich die größte Verschiebung durch ein Erdbeben seit 1960, als Chile erschüttert wurde.
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