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Günter Amendt ist tot

Günter Amendt ist tot

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Seine soziologischen Sex-Bücher erhitzten in den 70ern die Gemüter. Später beschäftigte sich Günter Amendt mit dem Thema Drogen. Der 71 Jahre alte Sozialwissenschaftler starb bei einem Horror-Unfall in Hamburg.

Mit seinem Aufklärungsbuch «Sexfront» sorgte Günter Amendt in den 70er Jahren für gewaltiges Aufsehen. Mehr als 200.000 Mal verkaufte sich das gelbe Buch. Der Sozialwissenschaftler hatte seine Aufklärungsfibel nicht wissenschaftlich formuliert, sondern in lockerer, manchmal provokanter Sprache verfasst. Später machte der Autor und Publizist die Drogen zu seinem großen Thema. Im Alter von 71 Jahren wurde Amendt am Samstag bei einem Unfall in Hamburg in den Tod gerissen. Er gehörte zu einer Gruppe von Fußgängern, in die ein Autofahrer mit seinem Wagen schleuderte – der Fahrer stand vermutlich unter Drogen.

Der gebürtige Frankfurter Amendt lebte mehr als 35 Jahre in Hamburg. Nach einer kaufmännischen Lehre hatte er das Hessenkolleg besucht und schließlich in Frankfurt und Gießen studiert. Amendt war Mitglied des Sozialistischen Studentenbundes und zeitweilig dessen Sprecher. Seinen Doktortitel bekam er 1973 für eine Arbeit zum «Sexualverhalten Jugendlicher in der Drogensubkultur». In den 70er Jahren war Amendt unter anderem Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sexualforschung.

Buch sorgte für Zündstoff

1979 veröffentliche der Autor «Das Sex-Buch», mit dem er wegen der offenen Behandlung des Themas im Jugendjargon wieder für Zündstoff sorgte. In Bayern etwa ging die Justiz mit spektakulären, demonstrativen Einsätzen gegen die Verbreitung des Werkes vor, indem sie Buchhandlungen durchsuchte und Exemplare beschlagnahmte. «War sein erstes Buch eher ein Manifest, so hat er diesmal monatelang Jugendliche befragt und ihre Erfahrungen, ihre Fragen und seine Antworten zusammengestellt», schrieb «Der Spiegel» damals. «Die Leser erfahren, was los ist, nicht was sein soll.»

Amendt verfasste auch Hörspiele und setzte sich intensiv mit Künstlern wie Harry Belafonte und Bob Dylan auseinander. Ohnehin an Jugendkultur interessiert, schrieb er zahlreiche Texte und drei Bücher über Dylan und sein Werk. Er arbeitete für das Polit-Magazin «konkret» und für das Deutschlandradio. «Kreativität hält mich lebendig», sagte er einmal. Auch an ein weiteres tabuisiertes Thema wagte sich der Wissenschaftler: 1989 erschien sein Buch «Natürlich anders. Homosexuelle in der DDR».

Sex kein Thema mehr

Die Sexualität war für ihn später kein Thema mehr. «Dazu habe er nichts mehr zu sagen, da sollen Jüngere ran, vor allem Frauen», meinte Amendt kurz vor seinem 70. Geburtstag am 8. Juni 2009. Er habe als Autor das Interesse am Thema Sex verloren, sagte der Mann mit den zum Zopf gebundenen grauen Haaren damals. Schon in den 90er Jahren hatte er sich aus der sexualwissenschaftlichen und sexualpolitischen Diskussion zurückgezogen. Schwerpunkt seiner späteren Arbeit waren fortan Drogengebrauch und Drogenpolitik.

Amendt selbst hat die Drogen, über die er geschrieben hat und zu denen er gefragter Interviewpartner in den Medien war, auch konsumiert: «Ich habe fast alles probiert, von LSD bis Ecstasy.» Seine einzige Sucht, so betonte er, sei aber die Nikotinsucht. Sein letztes Buch erschien 2008: «Die Legende vom LSD.»