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«Muss Lachen nicht auch mal wehtun?»

«Muss Lachen nicht auch mal wehtun?»

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Links steht ein Flügel, in der Mitte der Bühne, ganz hinten, ein Thron. Es ist kurz nach 20 Uhr, als im Saal Robert Krieps des CCRN am Samstagabend die Lichter ausgehen.

Serdar Somuncu betritt die Bühne, Spot an, und los geht’s. Knappe 80 Minuten dauert die Show des «Antitürken»: eine geballte Ladung Kabarett, messerscharf und unerbittlich. Er ist der Intellektuelle unter den Deutschtürken der Kabarettszene in unserem Nachbarland. Und er ist das Schärfste, was diese zurzeit zu bieten hat. So scharf, dass man ihn nicht im Fernsehen zeigt. Oder wenn, dann zensiert. Serdar Somuncu nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er über sie herzieht, über die Politiker und die Politik, die Religiösen und die Religionen, die Mehr- und die Minderheiten. «Jede Minderheit hat das Recht auf Diskriminierung», sagt Serdar Somuncu.

«Humour pour la paix»
Abbaye de Neumünster

Bis zum 20. März
28, rue Münster
L-2160 Luxemburg
Tel.: (+352) 26 20 52-1
www.ccrn.lu

Weiteres Programm:

• Montagabend um 20 Uhr:

„An Audience with“ von Imran Yusuf

• Am 18. März ab 20 Uhr:

„La nuit blanche de l’humour noir“

• Am 20. März um 17 Uhr:

„Gëtt am Grand-Duché gelaacht?“

«Luxemburg ist ein Quickie!»

«Ich bin sozusagen eine Utopie, das Abziehbild eines unerzogenen Ausländers und gebe das wieder, was mir in den letzten 40 Jahren passiert ist», so Somuncu einleitend. «Hier ist es schön, hier haben wir so eine Grauzone, ich kann über Deutsche lästern, ohne dass ich gleich befürchten muss, ausgewiesen zu werden … nach Luxemburg!» Er sei schon oft im Großherzogtum gewesen: «Benzin, Schokolade, Waffen, Drogen, Frauen. Und es war auch immer schnell vorbei. Rein, raus. Luxemburg ist ein Quickie!»

Bevor Serdar dann so richtig loslegte, betonte er, dass er – in Anbetracht der Tatsache, dass sich viele ältere Menschen im Saal befänden – sein Programm in einer «Ü70-Version» abwickeln werde.

Den Thron hinter sich habe er aufgestellt, weil er wisse, wie das Verhältnis der Luxemburger zu ihrem Staatsoberhaupt sei. So habe er immer ein schlechtes Gewissen, weil jemand hinter seinem Rücken lauere. «Sie müssen ein gutes Verhältnis zu Ausländern haben, weil Ihr oberster Boss ja eins hat! Das ist Integrationsarbeit!» Die folgenden knapp 80 Minuten vergingen wie im Fluge. Wer befürchtete, dass das Programm des Kabarettisten und Buchautors («Der Antitürke») zu deutschlastig sei, wurde während dieser leider viel zu kurzen Zeit eines Besseren belehrt.

«Muss Lachen nicht auch mal wehtun?» – Serdar Somuncu hat die Fähigkeit, sehr schnell und tiefgreifend die Tagesaktualität für seine Auftritte aufzuarbeiten. Er teilte am Samstag nach rechts und nach links aus, sparte nicht an Kraftausdrücken, ohne dabei in dümmliche Vulgarität abzugleiten.

Seine spitzen Anspielungen auf die Softcore-Türken der deutschen TV-Comedian-Szene wurden genauso mit Lachern und viel Applaus belohnt wie seine messerscharfen Attacken auf die heuchlerische Gesellschaft, die derzeit mit einem Auge auf die katastrophale Lage der Menschen in Japan und mit dem anderen gleichzeitig angstvoll auf die sinkenden Börsenkurse blickt. Es müsste mehr solcher Somuncus in der deutschen Kabarettszene geben!