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Der lange Kampf der Techniker

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Das Grauen nimmt kein Ende: In Fukushima stemmen sich Techniker gegen das totale Desaster. Jetzt sollen Wasserkanonen die Brennstäbe kühlen. In Notquartieren hungern und frieren 430.000 Menschen.

Erdbeben, Tsunami, Atom-Katastrophe – jetzt auch noch Hunger und bittere Kälte. In den Trümmerlandschaften im Norden Japans herrschen apokalyptische Zustände. Während 50 Techniker im AKW Fukushima unter Einsatz ihres Lebens gegen das Inferno kämpfen, müssen 430.000 Menschen in Notquartieren ausharren. Der Wintereinbruch behindert die Helfer, Lebensmittel werden knapp. Die Zahl der registrierten Todesopfer stieg offiziell auf über 4300.

Spätestens am Freitag droht im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Eins nach Einschätzung französischeer Atomexperten eine nukleare Verseuchung größeren Ausmaßes. Die nächsten 48 Stunden sind nach Darstellung der Fachleute entscheidend für die Kühlung der abgebrannten Brennelemente im Reaktor 4. Gelinge es nicht, das Abklingbecken bis dahin wieder aufzufüllen, werden alle gebrauchten, aber noch stark radioaktiven Brennelemente vollständig aus dem Wasser ragen. Eine «sehr bedeutende» Verseuchung wird die Folge sein, erklärte der Direktor für Anlagensicherheit beim Institut für Strahlenschutz und Nuklearsicherheit (IRSN), Thierry Charles, am Mittwoch in Paris nach Angaben der Agentur AFP.(dpa)

Explosionen und plötzliche hohe Strahlung zwangen die letzten 50 Techniker im AKW Fukushima am Mittwoch zwischenzeitlich zum Rückzug. Die Strahlung sowie böiger Wind verhinderten Einsätze von Hubschraubern, die Wasser und Borsäure auf den havarierten Reaktor 4 hätten schütten sollen. In der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) wurden Löschkanonen zur Kühlung der Brennstäbe in Stellung gebracht.

Aufgeben ist keine Option

Der Einsatz der Techniker in Fukushima wird von höchster Stelle verlangt: Die japanische Regierung warnte den Betreiber Tepco scharf davor, das AKW aufzugeben. Die Arbeiter setzen laut Experten ihr Leben aufs Spiel.

Am Mittwochmorgen war im Reaktor 4 ein weiteres Feuer ausgebrochen, zudem stieg Rauch oder Dampf auf. Wie viel Strahlung freigesetzt wurde, ist unklar. In den Blöcken 1 und 2 liegen die Brennstäbe bereits teilweise frei, was die Gefahr einer Kernschmelze erhöht. Ein unbemanntes Flugzeug des US-Militärs soll mit seinen hochauflösenden Kameras mehr Klarheit über das Innere der havarierten Atomreaktoren bringen.

Auch positive Nachrichten

Bei allen Hiobsbotschaften gab es auch positive Nachrichten: Die Schutzhülle des Reaktors 3 sei – entgegen erster Annahmen – nicht erheblich beschädigt, teilte die Regierung mit. Die gut 200 Kilometer entfernte Metropole Tokio wurde am Mittwoch von höherer Strahlung verschont.

Die USA distanzierten sich indirekt vom Krisenmanagement Tokios: Die Obama-Regierung legte US-Bürgern ans Herz, das Gebiet im Umkreis von 80 Kilometern zu verlassen. Dies sei, «was wir tun würden, wenn sich dieser Vorfall in den USA ereignen würde», sagte Weiße-Haus-Sprecher Jay Carney. Tokio hat bisher nur den Umkreis von 20 Kilometern evakuiert.

Ein Lebenszeichen vom Kaiser

Wie dramatisch die Lage ist, zeigte eine Fernsehansprache von Kaiser Akihito, der sich nur selten zeigt. «Ich hoffe aufrichtig, dass die Menschen diese schreckliche Zeit überstehen werden, indem sie sich gegenseitig helfen», sagte er.

Inzwischen steht die vorläufige Abschaltung von acht Atomkraftwerken in Deutschland rechtlich offenbar auf wackligen Füßen. Politische Folgen hat die japanische Katastrophe auch in China: Überraschend legte Peking die Genehmigungsverfahren für alle Atomprojekte auf Eis.

Die Akteure an den Finanzmärkten blicken weiter gebannt auf Japan. In den vergangenen Tagen wurde über einer Billion Euro an der Börse verbrannt. Der Dax sank um 2,01 Prozent auf 6513,84 Punkte.