«Man muss davon ausgehen, dass dieses Erdbeben andere große Erdbeben nach sich ziehen wird», sagte der Geophysiker Hans-Peter Bunge von der Ludwig-Maximilians-Universität München am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Der Spannungszustand des gesamten Erdkörpers habe sich verändert. Andere Erdplatten müssten nun zwangsläufig reagieren. Die Wellenbewegungen des Bebens von Japan hatten sich über die ganze Erde ausgebreitet. Sogar in München, wo die «Welle» nach zehn Minuten eintraf, habe sich der Boden noch um zwei Zentimeter gehoben und gesenkt, sagte Bunge. Mess-Stationen hätten dies aufgezeichnet.
Unerwartete Ausmaße
In Japan habe vor allem der Tsunami unerwartete Ausmaße entwickelt. Das Wasser habe sich bis zu 20 Meter hoch getürmt. «Das war in der Tat der am schwersten beherrschbare Aspekt», sagte Bunge.
Die Geologin Anke Friedrich von der LMU sagte, in Japan habe sich während der Erdstöße der Boden um ein bis zwei Meter gehoben und gesenkt. In dem Küstenort Sendai liege der Boden derzeit als Folge um rund 30 Zentimeter tiefer. «Dadurch wurde der Effekt des Tsunami noch verstärkt.» Die Schutzmauern an den Kraftwerken seien auf 6,50 Meter ausgelegt gewesen, die Welle sei dort aber 7 Meter hoch gewesen. Das Erdbeben zeige, dass nicht nur aufgrund von Wahrscheinlichkeiten aus den Erfahrungen der vergangenen hundert Jahren gerechnet werden dürfe. Hier müsse man als Konsequenz aus dem Beben umdenken.
Zu schwache Reaktoren
Die Reaktoren und Anlagen in Japan seien für Beben bis zu einer Stärke 8,2 gebaut gewesen. Die Stärke 9 sei bereits um einen Faktor zehn stärker, erläuterte Bunge. Die natürliche Begrenzung für Erdbeben liege bei Stärke 10, da man davon ausgehe, dass Erdplatten maximal auf einer Länge von 2000 Kilometern brechen könnten. In Japan war es eine Länge von etwa 500 Kilometern.
Die Vorhersage von Beben bleibe schwierig. Selbst wenn die Spannungsverteilungen in der Erde genau bekannt wären, sei das genaue Bruchverhalten in den Erdplatten genauso wenig absehbar wie bei einem Stab, der auseinanderbreche. Jedoch seien große Schritte in der Vorhersehbarkeit möglich, betonte Roland Pail vom Lehrstuhl für Astronomische und Physikalische Geodäsie der Technischen Universität München.
Der Wissenschaftliche Direktor des Forschungsreaktors FRM II in Garching, Winfried Petry, verwies darauf, dass die Reaktoren in Fukushima aufgrund ihrer Bauart nicht mit dem Unglücksreaktor von Tschernobyl vergleichbar seien. Derzeit werde der Vorfall in Fukushima als ernster Unfall der Stufe 5 eingestuft, Tschernobyl war mit der höchsten Stufe 7 bewertet gewesen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können