Die internationale Militärallianz kann auch nach dem Ausschalten der libyschen Luftwaffe das Blutvergießen unter Zivilisten nicht verhindern. Mit Panzern schossen Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi nach Medienberichten auf Ziele in der drittgrößten libyschen Stadt Misurata. Die Rebellen machten dagegen nach eigenen Angaben an der Front bei Adschdabija Boden gut. Die Kampfjets aus Frankreich, Großbritannien und den USA weitete ihre Einsatzzone nach Süden aus.
Frankreich äußerte Unverständnis über die Haltung Deutschlands in der Libyen-Frage. Nach tagelangem Widerstand der Türkei soll nun die Nato das Kommando bei dem Einsatz zur Durchsetzung eines Flugverbotes in Libyen übernehmen. Ankaras Außenminister Ahmet Davutoglu habe erklärt, Bedingungen der Türkei für diesen Einsatz seien nun erfüllt, berichtete das türkische Staatsfernsehen TRT am Donnerstagabend.
Verschärfte Sanktionen
In Brüssel kamen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die Lage in Libyen zu beraten. Die EU verschärfte mehrfach wirtschaftliche Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime. In der Frage des militärischen Vorgehens sind sich die EU-Staaten nicht einig. Am Abend wollte auch der Weltsicherheitsrat in New York erneut die Situation in Libyen beraten. Der britische Außenminister William Hague fürchtet, dass die brutalen Übergriffe auf Zivilisten in Libyen weitergehen.
In Misurata schossen Gaddafis Einheiten aus Panzern auf das Viertel um das Zentralkrankenhaus. Das berichtete der Sender Al-Arabija unter Berufung auf einen Klinikarzt. Die internationalen Luftschläge der vergangenen Tage hätten die Panzer-Einheiten Gaddafis nicht ausreichend geschwächt. Auch aus der Hauptstadt Tripolis wurden weitere Kämpfe gemeldet.
Ausweitung der Nato-Angriffe
Die internationale Militärallianz weitete ihre Luftangriffe auf den Süden des Landes aus. Nach Angaben aus libyschen Sicherheitskreisen bombardierten die Kampfjets unter anderem mehrere Ziele in der Stadt Sebha, rund 1000 Kilometer südlich von Tripolis. Auch ein Militärflughafen in Al-Dschufra, 800 Kilometer südlich der Hauptstadt, geriet unter Beschuss.
Zudem wurden in der Nacht zum Donnerstag mehrere Ziele östlich der Hauptstadt Tripolis unter Beschuss genommen. Augenzeugen sahen Flammen auf einem Militärstützpunkt im Vorort Tadschura. Die libyschen Staatsmedien meldeten, bei den Angriffen der Allianz in Tadschura seien auch zivile Ziele bombardiert worden. Das Fernsehen zeigte Bilder von Leichen, die zum Teil verkohlt waren.
Widersprüchliche Informationen
Oppositionelle bestritten, dass es sich dabei um die Leichen von Zivilisten handelt, die bei den Luftangriffen ums Leben gekommen seien. Seit Beginn der internationalen Luftangriffe am Samstag behaupteten die Regimegegner wiederholt, die Berichte der Staatsmedien über zivile Opfer seien falsch. Eine objektive Überprüfung der Angaben blieb weiter schwierig. Die Bodentruppen Gaddafis und die Rebellen kämpfen derzeit vor allem in der östlichen Stadt Adschdabija und in Misurata gegeneinander.
In Adschdabija machten die Aufständischen nach eigenen Angaben etwas Boden gut. Sie kontrollierten den südlichen Zugang zur Stadt, wie die libysche Oppositions-Webseite «»ibya al-Youm» berichtete. Die anderen Ortseingänge seien weiter unter Kontrolle der Regimetruppen.
Flucht aus Bengasi
Nach tagelangem Artilleriebeschuss sei der Großteil der Bevölkerung aus der Stadt 160 Kilometer südlich der Rebellenhochburg Bengasi geflohen. Die Frontlinie trennt den von den Regimegegnern gehaltenen Osten des Landes vom Rest, der bis auf einige, stark unter Druck stehende Oppositions-Enklaven von Gaddafi kontrolliert wird.
Nato-Diplomaten sagten, die Gespräche über eine mögliche Führung des Einsatzes würden fortgesetzt. Es sei aber nicht absehbar, ob und wann es zu einer Einigung kommen werde. Den Angaben zufolge blockiert derzeit vor allem die Türkei einen Beschluss. Das türkische Parlament genehmigte am Donnerstag einen Einsatz der Marine zur Kontrolle des Waffenembargos gegen Libyen.
Flüchtlingscamps in Tunesien
Mit den Luftschlägen der Westallianz ist nach Unicef-Angaben der Flüchtlingsstrom aus Libyen im Grenzgebiet zu Tunesien wieder leicht angestiegen. Insgesamt bleibe die Lage dort aber relativ stabil, sagte Flüchtlingscamp-Betreuer Jens Grimm der Nachrichtenagentur dpa.
Allein nach Tunesien sind laut Unicef bereits 170 000 Menschen geflohen.
Obama unter Druck
US-Präsident Barack Obama gerät im eigenen Land wegen des Libyen-Einsatzes immer stärker unter Druck. Der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, forderte in einem scharf formulierten Brief Klarheit über das Ziel der Militäraktion.
Die Kosten der Libyen-Militäraktion bringen das Pentagon in Nöte, auch angesichts der laufenden US-Etatverhandlungen. Nach manchen Expertenschätzungen kostet die Einrichtung einer begrenzten Flugverbotszone wie die in Libyen über stärker besiedelten Gebieten zwischen 30 und 100 Millionen Dollar (21 bis 70 Millionen Euro) pro Woche. Konkrete Zahlen gibt es bisher nicht.
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