In Libyen liefern sich Gaddafis Truppen und die Aufständischen heftige Gefechte um einzelne Städte. Die Kämpfer Gaddafis wurden durch die Luftangriffe der NATO geschwächt. Die Aufständischen sind schlecht ausgerüstet und unorganisiert. Experten sprechen deshalb von einer Patt-Situation. Um eine Entscheidung herbeizuführen, verlangen einzelne Staaten, die Rebellen mit Waffen auszurüsten und auszubilden. Anfangs herrschte Uneinigkeit darüber, ob eine Bewaffnung der Rebellen mit der UNO-Resolution vereinbar ist. Heute wächst vor allem die Sorge darüber, dass die internationale Koalition zu wenig über die Aufständischen weiss und sich unter ihnen islamistische Extremisten und Terroristen befinden könnten.
Wie die britische Zeitung «The Telegraph» jetzt berichtete, trainiert ein ehemaliger Guantánamo-Insasse die Rebellen. Sufyan Bin Qumu war 2001 nach der US-Invasion in Afghanistan festgenommen worden und verbrachte sechs Jahre in Guantánamo. In der östlichen Hafenstadt Derna bildet er libysche Aufständische aus. Dem 51-Jährigen wurde von den USA vorgeworfen, als Lastwagenfahrer für eine Firma gearbeitet zu haben, die Osama bin Laden gehört. Ausserdem soll er als Buchhalter für eine Hilfsorganisation tätig gewesen sein, die Verbindungen zu Terroristen habe.
Auch Abdel Hakim al-Hasidi, ein hochrangiger libyscher Rebellenkommandant in Derna, soll kurz nach dem US-Einmarsch in Afghanistan festgenommen worden sein. Zwei Monate später wurde er an Libyen übergeben und dort in ein Gefängnis geworfen. Beide Männer kamen 2008 im Rahmen eines Aussöhnungsprozesses mit Islamisten frei.
Wer sind die Rebellen?
Die Furcht der Alliierten, mit den westlichen Militäraktionen den ideologischen Feinden in die Hände zu spielen, wächst. Vergangene Woche hatte «The Telegraph» bereits Admiral James Stavridis, den Oberkommandierenden des strategischen NATO-Kommandos Europa zitiert, wonach US-Geheimdienste Personen mit terroristischem Hintergrund unter den Rebellen aufgespürt hätten. Die britische Regierung habe die neuen Erkenntnisse als alarmierend bezeichnet. Während der britische Aussenminister William Hague Mitte März eine Bewaffnung der Rebellen noch in Betracht gezogen hatte, so sagte er am Sonntag gegenüber BBC, dass sein Land die Rebellen weder bewaffnen noch Truppen nach Libyen senden werde.
Auch in der deutschen Zeitung «Die Welt» wird darüber spekuliert, ob sich möglicherweise Al Kaida-Kämpfer die verworrene Situation in Libyen zu Nutzen machen könnten. In den vergangenen Wochen seien Männer aus dem Umfeld von Al Kaida aus Afghanistan und Pakistan nach Libyen eingereist, berichtet das deutsche Blatt unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es gebe offenbar Hinweise, wonach einzelne Personen bei den Rebellen untergetaucht seien. Bereits im Februar hatte sich die Gruppe «Al-Kaida im Islamischen Maghreb» mit einer Internet-Erklärung hinter die libyschen Gegner Gaddafis gestellt.
Säkulare Ziele der Aufständischen
Die Aufständischen betonen derweil, dass es sich bei den Islamisten um eine kleine Minderheit unter den Aufständischen handle und innerhalb der Gruppierung klar sei, dass die politische Führung der Opposition säkulare Ziele verfolge. Sufyan bin Qumu bezeichnet den von der NATO geführten Einsatz als Segen. Abdel Hakim al-Hasidi, der mehrere Jahre in einem Trainings-Camp in Afghanistan verbracht hatte, sagte gegenüber einer Zeitung, er unterstütze keinen taliban-ähnlichen Staat. Auch die Einstellung gegenüber den USA habe sich verändert. Seit die Vereinigten Staaten den Rebellen zu Hilfe geeilt seien, sei der Hass auf Amerikaner gesunken. Hasidi wirft Gaddafi vor, dass er mit dem Vorwurf des Extremismus versuche, die Nation zu spalten: «Er profitiert davon, dass ich ein ehemaliger politischer Gefangener bin.»
Auch die «Huffington Post» berichtet von Führern der Aufständischen, welche die westlichen Regierungen zu beruhigen versuchen. In einem Interview betonten sie, dass sie islamistischen Extremisten nicht erlauben würden, den Aufstand der Rebellen für sich zu nutzen und sie sich nicht davon abbringen lassen, in Libyen eine parlamentarische Demokratie einzuführen. «Libyer – und ich bin einer davon – wollen eine zivile Demokratie, keine Diktatur, kein Tribalismus und nichts, das auf Gewalt und Terrorismus basiert», zitiert die Online-Zeitung Abdel-Hafidh Ghoga, den Vize-Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrats der Opposition.
Geschwunden ist das Vertrauen in die Rebellen nicht überall. Nach Frankreich und Katar hat nun auch Italien die politische Vertretung der Aufständischen als «einzigen legitimen Gesprächspartner» anerkannt. Waffenlieferungen an die Aufständischen seien – wenn auch nur «als letzte Lösung» – nicht ausgeschlossen, sagte Frattini weiter. Und auch der frühere US-Präsident Bill Clinton hat Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen nicht ausgeschlossen. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC News sagte der Mann von Außenministerin Hillary Clinton am Montag, er «würde sicher nicht die Tür» zur Unterstützung der Rebellen schließen.
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