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Die Zukunft der islamischen Finanzkultur

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LUXEMBURG - Der Markt für Scharia-kompatible Finanzprodukte wächst und wächst. Auch in Luxemburg. Diskussionen über das Für und Wider hat man längst hinter sich gelassen.

Auf dem Kirchberg diskutieren Zentralbankchefs und Akademiker derzeit über Standardisierung und Regulierung. Wer sich ein Haus kaufen will, der nimmt in aller Regel einen Immobilienkredit auf. Er leiht sich von der Bank Geld, kauft das Haus und zahlt über einen größeren Zeitraum das geliehene Geld samt Zinsen zurück.

Möchte ein Moslem, der die Regeln der Scharia respektieren will, sich ein Haus kaufen, dann muss er einen anderen Weg finden. Seine Überzeugung verbietet ihm, Zinsen zu zahlen und zu nehmen. Die Bank kauft also das Haus und vermietet es an seinen Kunden. Auf diese Weise holt sie sich den Kaufpreis plus einen Gewinn wieder herein. Danach geht das Haus in den Besitz des Kunden über. „Nach dieser Philosophie, ist es falsch, dass mit Geld Geld erzeugt wird“, erfährt man am Stand von Luxembourg for Finance, auf dem Islamic Finance Summit, der zurzeit auf dem Kirchberg stattfindet.

Ausgerichtet wird die Veranstaltung vom Islamic Financial Service Board (IFSB), einer internationalen Organisation, in der auch die Luxemburgische Zentralbank Mitglied ist. 250 Teilnehmer aus aller Welt nehmen an der Veranstaltung teil. Ihnen steht ein Gebetsraum zur freien Verfügung, das Mittagessen ist halal. Luxemburg spielt mittlerweile eine gewichtige Rolle auf dem Markt der islamischen Finanz. 65 Prozent aller in Europa registrierten Fonds, die mit der islamischen Philosophie im Einklang sind und in mindestens drei Länder verkauft werden, sind in Luxemburg beheimatet.

Finanzierung über die Miete

„Die Kunden von solchen Produkten schätzen an Luxemburg die wirtschaftliche und soziale Stabilität und die Erfahrung im grenzüberschreitenden Verkauf“, sagt Eleanor de Rosmorduc von Luxembourg for Finance. Außerdem bietet die luxemburgische Finanzgesetzgebung allerlei Anlageformen, die auch für die islamische Finanz genutzt werden können.

Ein klassischer Fonds zum Beispiel kann Scharia-kompatibel sein, wenn er neben den regulatorischen Anforderungen zusätzliche Regeln einhält. Erstens darf er nicht in verbotene Gegenstände wie Alkohol oder Glücksspiel investieren. Des Weiteren muss ein spezieller Scharia-Rat eingesetzt werden, der mehrmals im Jahr prüft, ob alle Regeln eingehalten werden. Beliebt sind auch Formen wie SIF oder SICAR wegen ihrer hohen Flexibilität.

Da klassische Anleihen auch Zinsen zahlen, kommen sie für Scharia-kompatibles Investieren nicht infrage. Die Antwort darauf heißt Sukuk. Sukuk funktionieren ähnlich wie Anleihen, zahlen jedoch keine Zinsen. Sie investieren zum Beispiel in Mietwohnungen und verteilen dann die Mieten. Dem erwähnten Immobilienkäufer kommt das luxemburgische Steueramt entgegen. In einem Rundschreiben legt es fest, dass diese Art von Geschäft steuerlich mit einer konventionellen Immobilienfinanzierung gleichzustellen ist und also nicht zweimal besteuert wird.

15 Prozent Wachstum pro Jahr

Die Nachfrage nach dieser Form von Bankgeschäften und Anlageformen ist groß. Über die letzten zehn Jahre ist der Markt um 15 Prozent pro Jahr gewachsen, weiß Jaseem Ahmed, Generalsekretär des IFSB. „Wenn wir glauben, dass das 21. Jahrhundert den Schwellenländern gehört, dann müssen wir auch annehmen, dass es der islamischen Finanz gehört“, sagt er mit Verweis darauf, dass in vielen Schwellenländern der Islam dominiert.

Dieser Markt hat die Krise besonders gut überstanden. „Sowohl Praktiker als auch Akademiker gehen davon aus, dass die fundamentalen Prinzipien der islamischen Finanz, besonders das Prinzip des geteilten Risikos und das Prinzip, dass finanzielle mit realwirtschaftlichen Vorgängen verknüpft sein müssen, islamische Banken vor riskanten Hypothekarkrediten und toxischen Papieren geschützt haben“, sagte die Chefin der Weltbank, Sri Mulyani Indrawati.

Ein Dilemma

Doch die Regulierungsbestrebungen, die vor einer weiteren Krise schützen sollen, stellen nun ausgerechnet die islamische Finanzwelt auf die Probe. Denn Regelwerke wie Basel III berücksichtigen die Besonderheiten der islamischen Finanz nicht. Diesen neuen Regeln zufolge müssen Banken mehr Kapital halten als bislang, um so besser gegen Krisen gefeit zu sein. Eigenkapital zu finden, das die hohen Ansprüche von Basel III erfüllt und gleichzeitig nicht gegen Schariaregeln verstößt, gestaltet sich schwierig. Ein Dilemma.

Weltbank-Chefin Sri Mulyani Indrawati hingegen weiß zu berichten, dass einige Banken der islamischen Welt zu denen mit dem höchsten Kapital zählen. „Sukuk sind hier keine Lösung“, sagt Professor Simon Archer. Der Präsident der Luxemburgischen Zentralbank, Yves Mersch, bezeichnet Archer als Pfeiler der Konferenz, da er bislang immer anwesend gewesen ist. „Investoren haben den ersten Anspruch auf Werte, die mit ihrem Geld gekauft wurden, da sie laut Sharia zu ihrem Besitz zählen“, sagt er. Sie sind mit Eigenkapital also nicht vergleichbar.

Zwei parallele Finanzwelten

Archer könnte sich jedoch nachrangige Sukuk vorstellen. Nachrangige Kredite sind in der konventionellen Finanzwelt nicht unbekannt. Sie werden im Fall einer Insolvenz erst zurückgezahlt, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld bekommen haben und noch Insolvenzmasse übrig geblieben ist. In der konventionellen Finanzwelt erhält der Gläubiger dafür einen höheren Zins. Archer kann sich aber nicht vorstellen, wer einen solchen nachrangigen Sukuk kaufen will.

Faris Sharaf, Präsident der Jordanischen Zentralbank, betrachtet das Problem nüchtern. „Im Vergleich zur konventionellen Finanzwelt ist die islamische Finanz ein relativ kleiner Markt“, sagt er. Er sieht zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt eine Standardisierung und Anpassung oder aber zwei parallele Finanzwelten.

„Schmeckt wie alkoholfreies Bier“

Einiges spräche dafür, dass islamische Finanzprodukte in den Rahmen für konventionelle Produkte aufgenommen werden. Sie ähneln oft konventionellen Produkten. Sharaf vergleicht sie mit alkoholfreiem Bier: „Riecht wie Bier, schmeckt wie Bier, bloß ist kein Alkohol drin.“

Die IFSB arbeitet derzeit Standards für islamische Finanzprodukte aus. Eine Tatsache, die auch islamischen Investoren zugute kommt. Die konventionelle Finanz könne sich dann bei der islamischen Finanz inspirieren lassen, sagt Sharaf. Besonders bei ihrem hohen Grad an Transparenz, auf den sie Wert legt.