Nach jüngsten CIA-Informationen habe der Anschlag dem Kommandeur
der Internationalen Schutztruppe (ISAF) in Nordafghanistan, dem
deutschen General Markus Kneip, gegolten. Er wurde bei dem Attentat
im Gouverneurssitz in Talokan in der nördlichen Provinz Tachar am
Samstag verletzt, ebenso wie vier weitere deutsche Soldaten. Neben
mehreren Afghanen starben zwei Soldaten der Bundeswehr.
Es war das erste Mal, dass ein so hoher Offizier der Bundeswehr
von den Taliban angegriffen wurde. Der Attentäter in Polizeiuniform
sei von den Aufständischen in die Reihen der afghanischen Bewacher
der Zusammenkunft «eingeschleust» worden, war aus dem afghanischen
Geheimdienst NDS zu erfahren.
Machtlose Militärs
«Gegen diese neue Bedrohung sind wir so gut wie machtlos», sagte
ein NDS-Angehöriger der Nachrichtenagentur dapd in Kabul. In der
letzten Zeit hatten Attentäter in Uniformen der afghanischen Armee
und der Polizei häufiger Anschläge auf ISAF-Soldaten verübt. Der
Anführer der Taliban, Mullah Omar, habe an seine Kämpfer die Devise
ausgegeben, «verdeckt jetzt an die Köpfe der ausländischen Besatzer
heranzugehen», berichtete ein NDS-Angehöriger. Omar wolle
offensichtlich mit dieser neuen Vorgehensweise die Alliierten weiter
verunsichern.
In militärischen Kreisen in Berlin und im Brüsseler Hauptquartier
der NATO wurde die Befürchtung geäußert, dass die neue Anordnung von
Omar schnell um sich greifen könnte. «Wir müssen rasch über
Sicherheitsmaßnahmen nachdenken, um solche hinterlistigen Angriffe
auf Generäle der ISAF zu verhindern», sagten hohe Offiziere
übereinstimmend in Berlin und Brüssel. Es habe sich herausgestellt,
dass die Taliban über ein immer «intensiveres Nachrichtennetz
verfügen, um auch über geheime Treffen wie in Talokan genau Bescheid
zu wissen», unterstrichen westliche Geheimdienstler.
Die Taliban im Vorteil
Bei dieser neuen gefährlichen Entwicklung kommt nach Angaben von
Offizieren in Kabul auch das von der NATO propagierte
«Schlüsselprinzip» für den angestrebten Erfolg am Hindukusch, das
«Partnering», in Gefahr. Es handelt sich dabei um die «verzahnte
Zusammenarbeit» der alliierten Truppen mit den afghanischen
Einheiten. Letztere sollen 2014 die Verantwortung für ihr eigenes
Land übernehmen. ISAF-Kommandeure sehen das «Partnering» als die
einzige und letzte Möglichkeit, die Mission der NATO in Afghanistan
erfolgreich zu beenden.
«Wenn es den Taliban immer mehr gelingt, ihre Kämpfer verkleidet
in die Reihen der afghanischen Armee und Polizei zu schleusen, ist
es mit unserer Sicherheit dahin. Die Taliban können alles zu ihrem
Vorteil umdrehen und sind zum Schluss die Gewinner», sagte
nachdenklich ein US-Offizier in Kabul. Das Beispiel von Talokan habe
eine «sehr schlechte Entwicklung» für Afghanistan aufgezeigt.
Stimmungsmache gegen ISAF-Truppen
Als eine der neuen Strategien der Taliban wurde von Vertretern
westlicher Geheimdienste auch die Massendemonstration von Afghanen
bezeichnet, die sie vor kurzem in der Provinzhauptstadt Talokan
veranstaltet hatten. Besonders vom afghanischen Geheimdienst NDS
wurde darauf hingewiesen, dass die Taliban diese Großdemonstration
«initiiert» hatten, um die ISAF-Truppen zu provozieren. Als ihr
Stützpunkt mit Brandsätzen angegriffen wurde, schossen auch
Bundeswehrsoldaten auf die Demonstranten.
«Wir haben Hinweise, dass in allen Landesteilen von Afghanistan
solche Demonstrationen stattfinden sollen, damit die Stimmung bei
der afghanischen Bevölkerung mehr und mehr gegen die ISAF kippt»,
erläuterte ein NDS-Angehöriger. Die Taliban würden versuchen, auch
auf diese Weise die Macht in Afghanistan an sich zu reißen.
Zu Demaart
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