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Aufarbeitung nach der letzten Ausgabe

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Die letzte Ausgabe der "News of the World" ist gedruckt. Doch damit ist der Abhörskandal noch lange nicht Geschichte. Politisch geht es jetzt erst los, die Regierung gerät immer stärker unter Handlungsdruck.

Die britische Boulevardzeitung «News of the World» ist nach einem der größten Medienskandale in der Geschichte des Vereinigten Königreichs am Sonntag zum letzten Mal erschienen. Jetzt steht die Aufarbeitung der Affäre an, die auf politischer Ebene weite Kreise zieht. Die britische Opposition forderte Premierminister David Cameron am Wochenende auf, so schnell wie möglich einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der parallel zur Polizei die Hintergründe der Abhöraktionen bei der Zeitung untersucht. Sie warf Cameron schwere Fehler in dem seit Jahren schwelenden Skandal vor. Selbst beim liberaldemokratischen Koalitionspartner werden kritische Stimmen laut.

Cameron hatte den ehemaligen Chefredakteur der «News of the World», Andy Coulson, nach dessen Rücktritt 2007 zu seinem Berater gemacht. Coulson war am Freitag verhaftet worden und ist derzeit gegen Kaution auf freiem Fuß. Außerdem ist Cameron mit der umstrittenen früheren Chefredakteurin des Blattes, Rebekah Brooks, befreundet. Sie sitzt heute im Vorstand des Verlages News International, der zum Imperium von Rupert Murdoch gehört und in dem auch «News of the World» erschienen war.

Angst um die Beweise

Die sozialdemokratische Labour-Partei fürchtet, dass nach Auflösung der Zeitung am Sonntag wichtige Beweise zerstört werden könnten. Deshalb müsse Cameron so schnell wie möglich eine Untersuchung einleiten.

Der konservative Premierminister sollte am Montag mit Opfern der Abhöraffäre zusammentreffen. Darunter sollen auch die Eltern des entführten und später tot aufgefundenen Mädchens Milly sein. Im Laufe der vergangenen Woche hatte sich herausgestellt, dass deren Handy angezapft wurde und sogar Nachrichten auf ihrer Mailbox gelöscht worden sein könnten. Bis zu 4000 weitere Opfer von Terroranschlägen und Straftaten sowie die Witwen von Soldaten sollen von Journalisten belauscht worden sein.

Murdoch in London

Am Sonntag traf Medienmogul Murdoch persönlich in London ein, um die nächsten Schritte bei News International anzustoßen. Für ihn geht es unter anderem um die milliardenschwere Übernahme des britischen Bezahlsenders BSkyB, die er seit langem anstrebt. Labour-Chef Ed Miliband forderte am Sonntag, dass Murdoch BSkyB auf keinen Fall übernehmen dürfe, solange die Ermittlungen im Fall «News of the World» liefen. Er kündigte an, Murdoch notfalls durch eine Abstimmung im Parlament zu stoppen, falls Cameron nicht selber eingreife. Zu Murdochs Imperium gehören in Großbritannien auch das mächtige Boulevardblatt «The Sun» und die renommierte «Times».

Unterdessen bröckelt auch bei Teilen des Koalitionspartners von Camerons Tories, den Liberaldemokraten, die Unterstützung. Der stellvertretende Vorsitzende Simon Hughes sagte, man werde Labour in dem Vorhaben unterstützen, die BSkyB-Übernahme zu stoppen. Der Präsident der «LibDems», Tim Farron, sagte, die Festnahme Coulsons werfe ein schlechtes Licht auf Cameron.

«Thank you and Goodbye»

Die rund 200 Mitarbeiter der «News of the World» hatten am späten Samstagabend unter Tränen die letzte Ausgabe präsentiert. Sie trug den Titel «Thank you and Goodbye» (Danke und lebt wohl). Im Leitartikel auf der dritten Seite entschuldigte sich das Blatt für den Abhörskandal: «Wir haben uns einfach verlaufen», hieß es. «Es gibt keinerlei Rechtfertigung für dieses erschreckende Fehlverhalten.» Ansonsten war die Ausgabe vor allem ein Rückblick. So wurde an die zahlreichen exklusiven Geschichten und Enthüllungen erinnert, für die das Traditionsblatt bekanntgeworden ist.

News International hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass das Blatt als Konsequenz aus dem Abhörskandal nach 168 Jahren eingestellt wird. Die rund 200 Mitarbeiter sollen noch drei Monate lang ihr Gehalt erhalten und zum Teil andere Stellen im Unternehmen angeboten bekommen.

Kein Rücktritt

Managerin Rebekah Brooks wies Rücktrittsforderungen weiter zurück. In einem Brief an Parlamentsmitglieder, die sie zum Gehen aufgefordert hatten, unterstrich sie erneut, sie habe von den Lauschangriffen nichts gewusst. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass ähnliche Methoden bei anderen Zeitungen des Unternehmens üblich waren.

Zu Spekulationen, der Verlag werde bald eine neue SonntagsZeitung unter dem Dach der «Sun» herausbringen, äußerte sie sich nicht. Indirekt signalisierte sie, dass noch weitere dramatische Entwicklungen enthüllt werden könnten. Eine Mitarbeiterin, die bei einem Treffen mit Brooks dabei gewesen war, berichtete, Brooks habe gesagt, dass in einem Jahr alle verstehen würden, warum die 168 Jahre alte Zeitung geschlossen wurde.

Neben Coulson waren am Wochenende noch zwei weitere Männer festgenommen worden, unter anderem der frühere Königshaus-Reporter Clive Goodman. Er hatte in dem Fall bereits 2007 eine mehrmonatige Haftstrafe abgesessen. Von der Londoner Polizei Scotland Yard gab es derweil ein Schuldbekenntnis. Es sei ein Fehler gewesen, den Abhörskandal nicht bereits vor zwei Jahren neu aufzurollen, sagte der stellvertretende Kommissar John Yates. So seien rund 11 000 Seiten Material nicht ausgewertet worden, sagte er dem «Sunday Telegraph».