LUXEMBURG – Im Labor für Psychophysik und Sensorische Psychophysiologie an der Universität Luxemburg haben die Forscher Raymonde Scheuren und Gilles Michaux untersucht, ob Lernprozesse dazu beitragen können, eine körpereigene Schmerzbremse zu aktivieren und diese Aktivierung über längere Zeit aufrechtzuerhalten. „Denn es ist seit längerem bekannt, dass im Gegensatz zu akuten Stresssituationen, die mit einer Schmerzlinderung einhergehen, anhaltende Stressbelastungen eher zu einer Erhöhung der Schmerzempfindlichkeit führen“, erklärt Scheuren, Doktorandin der Psychologie an der Uni Luxemburg.
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In einer experimentellen Studie haben Scheuren und Michaux den Teilnehmern leichte Schmerzen anhand elektrischer Stimulation zugefügt und baten die Probanden, auf einer Skala von eins bis zehn anzugeben, wie stark ihre Schmerzen waren.
Computergestützte Messung
Zusätzlich führten die Wissenschaftler eine computergestützte Messung der Muskelaktivität durch, um die empfundenen Schmerzen auch objektiv erfassen zu können. In einem zweiten Schritt tauchten die Studienteilnehmer, während sie den „elektrischen“ Schmerz noch spürten, eine Hand in schmerzhaftes Eiswasser ein.
Dadurch wird die Schmerzverarbeitung auf eine neue Stelle gelenkt und der ursprüngliche Schmerz lässt in der Regel nach – bei einigen mehr, bei andern weniger. Letztere seien anfälliger für Schmerzen ohne organische Ursachen, vermuten die Forscher: „So sind zum Beispiel chronische Schmerzen, wie Rücken- oder Kopfschmerzen, nicht unbedingt Folge einer Organschädigung, sondern können auch auf fehlgeleiteten Informationsaustausch im Nervensystem zurückzuführen sein,“ erklärt Michaux, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Psychobiologie.
Konditionierung
Daher versuchten die Forscher in ihrer Studie, die Aktivität der körpereigenen Schmerzkontrollsysteme zu konditionieren. Noch sechs Mal wiederholten sie ihr „Schmerzexperiment“, wobei eine Testgruppe immer zeitgleich mit dem kalten Wasser auch einen Signalton hörte.
Nach einigen Durchgängen hat die Darbietung des Signaltons allein zu einer Linderung der jeweils ursprünglich ausgelösten Schmerzverarbeitung geführt. Diese Ergebnisse weisen nach, dass das Gehirn lernen kann, Hinweisreize aus der Umwelt zu nutzen, um seine Schmerzkontrollsysteme anzuschalten.
Schmerz sei eine Krankheit an sich, fügt Michaux hinzu: „Deswegen suchen wir hier nach körperlichen Indikatoren, die es uns ermöglichen, Schmerz zu objektivieren.“
Schmerzen als Ausrede
Denn Schmerzempfinden lässt sich kaum von außen überprüfen. Einige Menschen nutzen Schmerzen daher auch gerne als Anlass oder Ausrede, bestimmte Aktivitäten zu unterlassen. Dadurch geraten diese oft in einen Teufelskreis: „Weniger soziale Kontakte führen zu einem geringeren Serotonin- und Dopaminpegel, die Depression wird ausgeprägter und der Schmerz noch stärker.“
Weitere Untersuchungen zielen darauf ab, zu messen, wie lang die beschriebenen Lerneffekte anhalten. Die erwarteten Befunde haben nicht nur grundlagenwissenschaftliche Bedeutung, sondern könnten auch relevant werden für die Entwicklung von neuen schmerztherapeutischen Verfahren. Denkbar wäre z.B. die Entwicklung von psychologischen Trainingsprogrammen, die zusätzlich zu klassischen medizinischen Behandlungsmethoden eingesetzt werden könnten, um die Schmerzen der betroffenen Patienten zu lindern.
Die Schmerzforscher werden ihre Ergebnisse auf dem Kongress „Pain in Europe VII“ vom 21. bis 24. September in Hamburg vorstellen.
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