Freitag19. Dezember 2025

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Stolze Hellenen im depressiven Tief

Stolze Hellenen im depressiven Tief
(Reuters)

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Wer nach einem Symbol für die gegenwärtige finanzielle Krise in Griechenland sucht, muss nur einmal in sein Portemonnaie schauen.

Auf der griechischen Zwei-Euro-Münze ist die antike Sage von der Entführung der phönizischen Prinzessin Europa durch den Göttervater Zeus dargestellt. «Der Raub der Europa» spiegelt die turbulente Reise wider, auf der sich Griechenland und der Rest Europas derzeit befinden.

Europa reitet auf dem Rücken Zeus‘ in Gestalt eines Stiers davon – da endet die merkwürdige Parallelität zwischen dem antiken Mythos und der aktuellen Finanzlage aber auch schon. In der Sage verwandelt sich Zeus in einen Menschen und Europa gebiert ihm Kinder. Die Zukunft des modernen Griechenlands hingegen ist noch immer völlig offen.

Depression

Die Ungewissheit, die Wut und das Gefühl der Hilflosigkeit nagen an der griechischen Psyche. Die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter, und essenzielle Dienstleistungen beispielsweise im Gesundheitsbereich sind chronisch unterfinanziert.

Neben den Konflikten und der Armut in Libyen und Afghanistan mag die griechische Krise harmlos wirken, doch die einst stolze hellenische Halbinsel versinkt nach der wirtschaftlichen nun auch in einer psychologischen Depression.

Schonungslos

«Wir wissen nicht, wie wir diesem Problem entkommen können», sagt der Manager Kostas Theofanides vom Erdölkonzern BP in Griechenland. Nachdem die Griechen das tatsächliche Ausmaß der wirtschaftlichen Misere lange Zeit beschönigten, sind auf einem Treffen von griechischen und deutschen Managern in einem Hotel an der Küste schonungslos offene Einschätzungen der gegenwärtigen Lage zu hören.

Seine Landsleute seien wütend, verunsichert und enttäuscht, sagt Theofanides. Die Griechen fragten sich, wie lange noch ein Sparpaket auf das nächste folgen soll, wie lange Unsicherheit und Arbeitslosigkeit noch anhalten werden.

Vorwürfe

An gegenseitigen Vorwürfen mangelt es derzeit nicht. Mal werden die nachlässigen Griechen für die Schuldenkrise verantwortlich gemacht, mal die von ihnen gewählten Politiker, dann sollen die Deutschen schuld sein oder die internationalen Kreditgeber.

Der IT-Manager Dimitrios Gardikiotis glaubt, dass Deutschland bereits seit 20 Jahren die Pleite Griechenlands plant. Berlin habe seinen EU-Partner wissentlich in die Schuldenkrise gedrängt, um nun bei sinkenden Preisen auf Einkaufstour zu gehen.

Masterplan

«Ich bereite deinen wirtschaftlichen Tod vor. Dann kaufe ich dich und deine Frau und deine Kinder», gibt Gardikiotis den vermeintlichen deutschen Masterplan wider. Er sagt es auf solch eine entwaffnende Art und Weise, dass es schwer einzuschätzen ist, ob er es ernst meint oder nicht.

«Eigentlich zeigen Griechen mit dem Finger auf andere, nicht auf sich selbst», sagt Gardikiotis. «Aber natürlich sind Fehler gemacht worden und jeder muss zu seiner Verantwortung stehen.»

«Bezahlen»

Angesicht der klaffenden Haushaltslöcher sucht so mancher auch in der Geschichte Griechenlands nach unbeglichenen Rechnungen. Demonstranten in Uniformen und mit Hakenkreuz-Fahnen forderten kürzlich vor der deutschen Botschaft Wiedergutmachung für die Besatzung durch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

«Die Deutschen schulden uns Millionen an Kriegsreparationen. Sie sollen bezahlen, was sie uns schulden», sagt der 75-jährige Dementris Kollatos, der sich noch dunkel an die Besatzungszeit erinnern kann. «In ihrer Gier, alles an sich zu reißen, werden sie alles verlieren.»

Moral

Despoina Ergenidou ist Direktorin des Münzmuseums in Athen und damit eigentlich Expertin für alles Monetäre. Sie glaubt jedoch, dass die Schuldenkrise auf alle Bereiche der Gesellschaft ausstrahlt. «Es ist nicht nur die Wirtschaft. Es geht um moralische Werte», sagt sie. «Wir verlieren, woran wir geglaubt haben. Ich meine nicht die Religion. Wir haben für eine bessere Zukunft gearbeitet, für Dinge, an die wir geglaubt haben – Menschen, Ideen. Das ist jetzt nicht mehr so.»