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«Vulgär»?

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Wieso tippen verblüffend viele Zocker den Literaturnobelpreisträger richtig? Die Stockholmer Staatsanwaltschaft glaubt nicht mehr an das Versilbern von Insiderwissen. Den Zorn der Juroren auf die Arrangeure der «vulgären» Wetten hat das nicht besänftigt.

Der Nobelpreis für die stillen Verse des Lyrikers Tomas Tranströmer wird begleitet von schrillen Tönen um vielleicht nicht ganz astreine Wetteinsätze von Insidern. Zwar hat die Stockholmer Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt und glaubt nicht mehr, dass Eingeweihte ihr Wissen als Zocker versilbern wollten. Den Zorn des Jury-Sprechers Peter Englund gegen die Wettarrangeure und den ständig zunehmenden Zocker-Hype beim Literaturnobelpreis hat das aber nicht gemildert. Im Gegenteil.

Der 80-jährige Tranströmer, seit vielen Jahren einer der Dauer-Anwärter auf den begehrtesten Literaturpreis der Welt, war in den Stunden vor der Verkündung durch Englund an die Spitze der Liste des Wettbüros Ladbrokes gerückt. Genau wie in den Jahren zuvor mehrere Preisträger. Englund schrieb in seinem «Akademie-Blog», er sei sich ziemlich sicher, dass es in diesem Jahr kein «Leck» gegeben habe.

«Vulgarisierung des Debatte»

Auf die Frage, warum in den letzten Jahren immer wieder die jeweiligen Preisträger kurz vor der Bekanntgabe an die Spitze der Ladbrokes-Listen aufrückten, antwortete Englund der Nachrichtenagentur dpa: «Das muss man das Wettbüro fragen, das mit diesem Spiel um Geld zur Vulgarisierung der Debatte um den Preis und die Literatur beiträgt.»

Der Stockholmer Ladbrokes-Sprecher Andreas Fyrlund kontert: «Wir finden es schon ein bisschen komisch, dass wir in den letzten neun Jahren fünfmal mit dem Preisträger richtig lagen.» 2008 beim Franzosen Jean-Marie Gustave Le Clézio waren die Einsatzsprünge zuletzt so drastisch, dass Ladbrokes die Wette sperrte.

Maximumgewinn

Englund räumt ein, dass es da ein «Leck» gegeben haben muss: «Das war aber vor meiner Zeit als Sekretär, ich kenne die Details nicht.» Er verweist auf die von Ladbrokes gesetzte Maximumsgrenze von 15 000 Kronen (1650 Euro) Gewinn für einen Einsatz auf den Literaturnobelpreisträger. Weder Angestellte noch Jury-Mitglieder würden dafür wohl den Job oder ihren ansonsten lebenslangen Sitz in der Akademie einschließlich des «Ehrverlustes» riskieren.

Englund wirft Ladbrokes‘ PR-Abteilung vor, durch Gerüchte über «gewaltige Einsätze» und «Geheimkonten» spektakuläre Entwicklungen selbst zu provozieren. Tatsächlich erklärt Bürosprecher Fyrlund zur zeitweiligen Führung des US-Rockpoeten Bob Dylan, sie sei durch einige «strategisch platzierte Groß-Einsätze» zustande gekommen.

Kenner der Schwedischen Akademie und der literarischen «Geschmäcker» der maßgebenden Mitglieder sagen übereinstimmend, dass sie eine Vergabe an Dylan für ziemlich ausgeschlossen halten. Wohl auch eingedenk dieser Tatsache fragt der bei Kandidatennamen zu Verschwiegenheit verpflichtete Englund, wie denn Dylans «sensationelle Klettertour» auf Platz eins bei Ladbrokes zu erklären sei: «Niemand von uns weiß, was da wirklich passiert ist.» Bei Ladbrokes ist man erstmal zufrieden mit dem Reklamewert dieses Jahres. «Natürlich, den haben wir gern mitgenommen», sagt Fyrlund.