Die Atmosphäre zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und David Cameron beim Besuch des britischen Premierministers in Berlin war freundlich bis freundschaftlich. Die Positionen der beiden Regierungschefs aber liegen unverändert weit auseinander. Deutschland und Großbritannien entzweit der Euro mehr, als die EU sie vereint. Fragen und Antworten zur britischen Rolle in der Union.
Großbritannien und die EU – ist diese Zweckehe zu retten?
Großbritannien hat erhebliche Eigeninteressen, die das Land zum Verbleib in der Gemeinschaft zwingen. Knapp 50 Prozent der britischen Exporte gehen in EU-Länder. Andererseits empfinden die Briten viele Regelungen in der Gemeinschaft als bloße Gängelung. Für große Teile der Bevölkerung ist Brüssel ein rotes Tuch. London tut traditionell alles, um Sonderrechte herauszufechten und geht oft nur soweit mit, bis seine Eigeninteressen berührt werden.
Die Europäer nehmen den Briten genau das immer wieder übel. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sprach mit Blick auf schwache britische Wirtschaftsdaten und hohe Neuverschuldung am Freitag in der Deutschen Welle gar von einem «Diktat von denen, die es weniger gut machen als wir».
Welche Sonderrechte beansprucht London?
Großbritannien ist nicht Mitglied der Euro-Zone – und will dies nach dem neuerlichen Bekenntnis von David Cameron am Freitag auch nicht werden. Die Briten sind aber auch dem Schengen-Abkommen zur Aufhebung der innereuropäischen Passkontrollen nicht beigetreten. Die regierenden Konservativen sind in Brüssel nicht Mitglied der Europäischen Volkspartei. Diplomaten in Brüssel beklagen die schwierige Zusammenarbeit.
Schon in den 1980er Jahren unter der «Eisernen Lady» Margaret Thatcher legte sich London immer wieder quer. Thatcher handelte damals unter der Schlagzeile «Ich will mein Geld zurück!» die so genannten Briten-Rabatte aus. Großbritannien wurde 1984 garantiert, dass es mindestens 66 Prozent seiner Nettozahlungen an die Union als Subventionen wieder zurückbekommt. Andere Nettozahler finden das nicht mehr zeitgemäß.
Worum dreht sich der Streit heute?
Ein Kernstreitpunkt ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa, wie Deutschland und Frankreich sie möchten. Downing Street hat schlicht Angst, dass die Londoner Finanz-City ausgedünnt wird, wenn die Finanzmakler dort Steuern zahlen müssten. Sie würden einfach massenweise nach Asien oder Amerika abwandern, befürchtet Schatzkanzler George Osborne. Deswegen wäre die europaweite Einführung ein «Geschoss ins Herz Londons», wie er es nennt. Von einem Jobabbau in der Größenordnung bis zu 500.000 Stellen ist die Rede. Die Kontinental-Europäer sehen aber gerade in London Handlungsbedarf bei der Regulierung.
Es geht aber auch darum, wie stark Brüssel in die Befugnisse Londons eingreifen darf. Deutschland und Frankreich wollen mehr Rechte für Brüssel, um Schuldensünder wie aktuell Griechenland oder Italien bei Bedarf und vor allem rechtzeitig an die kurze Leine nehmen zu können. Für die stolzen Briten, noch vor 100 Jahren eine Weltmacht und mit Ländern wie Deutschland und Frankreich damals ganz und gar nicht freundschaftlich verbandelt, ist diese Vorstellung blanker Horror.
Bahnt sich eine Lösung an?
Die Briten machen bei der Finanztransaktionssteuer keine Kompromisse. Das hat Cameron am Freitag in Berlin noch einmal deutlich gemacht. «Wir haben unsere Interessen», sagte er. Bewegung könnte es bei der Änderung der EU-Verträge geben, die aus deutscher Sicht zu einer europäischen Finanzunion führen soll. Eigentlich will Cameron mehr Befugnisse aus Brüssel nach London holen, um die Euroskeptiker im eigenen Land zu befrieden. Kommentatoren glauben aber, dass er die Pille schlucken könnte, um die Transaktionssteuer von seiner London abzuwenden – der Lebensader der britischen Wirtschaft. «Wir haben ein großes nationales Interesse daran, dass die Krise gelöst wird», sagte er.
Zu Demaart
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