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«Systematisch Vorfälle vertuscht»

«Systematisch Vorfälle vertuscht»
(dpa)

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Letzter Tag im Mammuth-Prozess um den Fokker-Absturz von 2002. Der Anwalt der Nebenkläger hat das Wort und fährt schweres Geschütz auf. Das Urteil wird am 27. März 2012 gesprochen.

In seinen letzten Plädoyers hatte Urbany von «Fehlergruppen» beim Piloten, den Technikern und in der Direktion der Luxair gesprochen. Auch am Donnerstag zog der Anwalt wieder schwere Geschütze auf. Der «technische Service» wurde damals schlecht geführt. Wichtige Verantwortungen hatte der Abteilungsleiter Marc Gallowitch damals an ungeschulte Untergebene abgewälzt. Die Luxair sei damals alles andere als eine sichere Fluggesellschaft gewesen, so Urbany vor Gericht.

Urbany zufolge hätte es in den vergangenen 40 Jahren zahlreiche Beinahe-Katastrophen gegeben. Entsprechende Fakten finde man im Internet. Luxair habe hier allerdings über Jahre systematisch Vorfälle vertuscht, unterstreicht der Anwalt der Nebenklage. 2003 gab es einen Beinahe-Unfall mit einer Embraer. Auch hier wurde eine «Service-Bulletin» aus dem Jahr 2002 einfach ignoriert. Dies geschah unter der Leitung von Gallowitch.

Schlampiger Umgang mit den Service-Letters

Mit den «Service-Letters» sei über Jahrzehnte schlampig umgegangen worden. Selbst der damalige Luxair-Direktor Jean-Donat Calmes konnte daran nichts ändern. Anwalt Urbany spricht von einem «Mief» bei der Luxair. Jeder habe damals jeden gedeckt. In den 1990’er Jahren habe darum nicht jeder wirklich verantwortlich gehandelt, so Urbany.

Auch den Unglückspiloten Claude Poeckes kritisierte Urbany erneut. Dieser habe immer noch nicht verstanden, um was es hier gehe. Der frühere Pilot will sich mit seinen widersprüchlichen Aussagen aus der Affäre ziegen, so Urbany, der von einem gezielten Täuschungsmanöver spricht.

«Luxair will niemanden über’m Tisch ziehen»

Luxair-Anwalt Guy Loesch wehrt sich gegen die in der Vergangenheit vorgetragene Kritik an der Fluggesellschaft. Die Luxair wolle niemanden über den Tisch ziehen. Dabei bezieht er sich auf abgeschlossene Abfindungserklärungen gegenüber den Hinterbliebenen der Verunglückten. Diese seien mit den Versicherungen abgeschlossen worden, nicht aber über die Luxair, so Loesch. Die Betroffenen seien vor acht Jahren juristisch beraten worden, begründet der Anwalt. Sie fühlten sich damals entschädigt.

Die Hinterbliebenen können einen höheren Betrag verlangen – dem kann Luxair dann entgegentreten, wenn sie beweisen kann, dass sie keine Schuld an dem Unglück trifft. Hier setzt Luxair-Anwalt Loesch an und wiederholt erneut die Frage, ob das Gericht überhaupt über Schadenersatzzahlungen entscheiden kann. Laut Warschauer Abkommen wird dem Strafgericht die Zuständigkeit für die zivilrechtliche Ebene abgesprochen Damit müssten die Angeklagten keine weitere Schadenersatzforderung leisten, so Loesch.

Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft für den Unglückspiloten Claude Poeckes dreieinhalb Jahre Haft und eine Geldstrafe gefordert. Für den ehemaligen Technikleiter der Luxair , Marc Gallowitch, plädierte Staatsanwalt Serge Wagner auf zwei Jahre, für die beiden Flugzeugmechaniker verlangte er 18 Monate Haft und jeweils eine Geldstrafe. „Ich habe nichts dagegen, dass die Strafen zur Bewährung ausgesetzt werden“, sagte Wagner am Mittwochnachmittag.

Verteidigung fordert Freispruch

Seit dem 10. Oktober müssen sich die Angeklagten vor Gericht verantworten. Ihre Verteidiger haben Freisprüche gefordert, da der Absturz ausschließlich auf technische Ursachen zurückzuführen sei.

Das Gutachten eines Sachverständigen hatte ergeben, dass es in diesem Flugzeugtyp (Fokker50) Teile mit bekannten, aber verborgenen Mängeln gab. Aus Sicht des Staatsanwalt hätte das Problem durch die Umrüstung vermieden werden können.

Der Flughafen hatte zum Zeitpunkt des Unglücks in dichtem Nebel gelegen. Trotzdem versuchte der damals 26-jährige Pilot die Landung und wählte laut Gutachten eine Propellerstellung, die einer Art Schubumkehr gleichkommt. Die Maschine wurde stark abgebremst, obwohl sie noch in der Luft war. Die Fokker 50 stürzte darum am 6. November 2002 auf dem Weg von Berlin nach Luxemburg kurz vor dem Flughafen Findel ab. 20 Menschen starben.

Das Urteil soll am 27. März 2012 gesprochen werden.