Das weihnachtliche Brauchtum in den USA ist ein Durcheinander internationaler Traditionen – gewürzt mit einem ordentlichen Schuss Kommerz. Eine «großartige Fusion», nennt es David Moltke-Hansen, Präsident der Historischen Gesellschaft in Pennsylvania. «Die Vielfalt unseres Klimas», sagt Weihnachts-Historiker Bill Egan, «hat einen Hintergrund für Feierlichkeiten geschaffen, die von einem Picknick am Strand von Hawaii bis zu Kerzen reichen, die durch das Zwielicht eines kalten Tages in Alaska scheinen.» Das erste Christfest in der neuen Welt wurde nach Egans Angaben im spanischem Stil gefeiert: Eroberer Hernando de Soto und seine Armee bauten 1539 ihr Wintercamp nahe der heutigen Stadt Tallahassee in Florida.
Später brachten Einwanderer die verschiedenen Traditionen mit und verschmolzen sie zu «American Christmas». So führten die Briten den Mistelzweig ein und die «Christmas Stockings», die große und kleine Kinder an den Kaminsims hängen. Italiener nahmen ihre geschnitzten Weihnachtskrippen mit. Und den Christstern führte Joel Roberts Poinsett aus Mexiko ein, wo er von 1825 bis 1829 US-Botschafter war.
«Christmas Card»
Adventskalender, Lebkuchen und Pfeffernüsse haben germanische Ursprünge. Und auch das exzessive Schreiben von Weihnachtskarten. Louis Prang (1824-1909) gilt als Vater der «Christmas Card». Tannenbäume, die deutsche Einwanderer um 1840 einführten, werden schon Ende November aufgestellt. Dabei sparen die Amerikaner nicht mit bunten Lichterketten. Chinatowns werden dagegen noch mit Papierlampions geschmückt. Hier bringt «Dun Che Lao Ren», der «Alte Vater Weihnacht», die Geschenke.
Das Christkind bleibt in den USA vom Pakete-Schleppen verschont. Das erledigt der Weihnachtsmann, eine Co-Produktion der Türken, Holländer, Skandinavier, Amerikaner und der Coca Cola Company. Seine Gestalt geht auf den heiligen Nikolaus zurück, der im vierten Jahrhundert Bischof von Myra in Kleinasien war. Die Niederländer wandelten den Namen in Sinter Claas ab, woraus die Amerikaner Santa Claus machten. Mythen über den Bischof verschmolzen mit denen über den nordischen Gott Odin, der auf seinem Wunderpferd Sleipnir durch Winternächte flog und brave Menschen belohnte. Die Einführung des Santa Claus in die Coca Cola-Werbung Ende der Zwanziger Jahre putzte ihn dann so heraus, wie ihn heute jeder liebt: Wohlbeleibt im roten Gewand, weißer Rauschebart und stets ein «Ho Ho Ho» auf den Lippen.
«Druck der Amerikanisierung»
Vielleicht erfreue sich das Brauchtum deshalb einer Renaissance, weil es individuellen Spielraum belasse, überlegt Modupe Labode, Chef-Historikern der Colorado Historical Society. Im Kalten Krieg sei der «Druck der Amerikanisierung» sehr stark gewesen. Bräuche des Herkunftslandes zu pflegen, galt als unpatriotisch. «Jetzt darf man Japan-Amerikaner, Italo-Amerikaner oder ein Deutsch-Amerikaner sein, ohne schief angesehen zu werden.»
Im Bundesstaat Minnesota, wo die Hälfte der rund fünf Millionen Einwohner nach Angaben des Swedish Council of America von Skandinaviern abstammt, könnte Sprecherin Elise Peters jeden Tag im Dezember zu einer anderen Lucia-Feier gehen: «Ich weiß von mindestens dreihundert.» Und Santa Lucia muss weder blond noch blauäugig sein. «Vor fünf Jahren hatten wir eine Lucia mit blauen Haaren.» Und auch Miako entsprach als Japan-Amerikanerin nicht dem schwedischen Ideal. Schließlich komme es auf die Botschaft an: Licht und Liebe in Zeiten der Dunkelheit zu überbringen.
Darin vermutet Historiker Moltke-Hansen den gemeinsamen Nenner der Winter-Feierlichkeiten. Christliche Traditionen wüchsen in einer säkularisierten Gesellschaft zusammen und näherten sich vielleicht sogar Festen an wie dem jüdischen Hanukkah oder dem Kwanzaa schwarzer US-Amerikaner. Menschen aller Kulturen lieben Geschenke, Gemeinschaft, Festschmaus und Kerzenschein – selbst wenn er von einer batteriebetriebenen Lichtquelle stammt.
Zu Demaart



















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