Seit Jahren macht in Nigeria die islamistische Sekte Boko Haram mit Gewalttaten von sich reden. Mit der Häufung von Anschlägen mit zum Teil Dutzenden Toten in den vergangenen Wochen hat der Terror der Gruppe allerdings eine neue Stufe erreicht. Allein bei einer Serie von Attentaten in der nördlichen Metropole Kano wurden in der Nacht zum Samstag mehr als 160 Menschen getötet.
Boko Haram bedeutet auf Hausa, der im muslimischen Norden Nigerias überwiegend gesprochenen Sprache, so viel wie «Westliche Bildung ist Gotteslästerung». Der Name der radikalen Sekte ist Programm: Ihr erklärtes Ziel ist es, in dem Vielvölkerstaat Nigeria mit über 160 Millionen Einwohnern das islamische Recht, die Scharia, einzuführen.
Al-Kaida-Verbindung
Allein im vergangenen Jahr gingen mehr als 500 Tote im Nordosten Nigerias und in der Hauptstadt Abuja auf das Konto der Sekte, unter anderem bei Anschlägen auf Christen an Weihnachten. Die US-Regierung geht davon aus, dass Mitglieder von Boko Haram mit Ablegern des Terrornetzwerks Al-Kaida in Verbindung stehen. Auf Einflüsse von außen deutete zuletzt ein Video des Sektenführers Imam Abubakar Shekau hin, das auf dem Internet-Portal YouTube veröffentlicht wurde. Die Aufnahme von Shekau in schusssicherer Flecktarnweste, flankiert von zwei Kalaschnikows, ähnelt sehr den Auftritten von Mitgliedern anderer Terrorgruppen.
Landesweit bekannt wurde Boko Haram im Jahr 2009, als Sektenmitglieder in der Nähe ihrer Hochburg Maiduguri im Nordosten des Landes randalierten und Polizeireviere niederbrannten. Die nigerianischen Streitkräfte schlugen den Aufruhr nieder und zerstörten die Moschee der Sekte. Der damalige Anführer wurde verhaftet und starb in Polizeigewahrsam. Insgesamt wurden etwa 700 Menschen bei den Zusammenstößen getötet.
Drei Flügel
Danach übernahm Shekau die Führung. Von der Polizei zunächst ebenfalls totgesagt, tauchte er in Audio- und Videobotschaften auf, kurz bevor Boko Haram eine neue Welle der Gewalt entfesselte. Anfangs schossen die Täter ihre Opfer von Motorrädern aus nieder. Im Lauf der Zeit wurden die Anschläge aber komplexer, planvoller und folgenschwerer. Auch Selbstmordattentäter mit Autobomben schlugen zu. Die Steigerung nährte Spekulationen darüber, welche Verbindungen die Sekte geknüpft haben könnte.
Gewährsleuten aus Diplomaten- und Sicherheitskreisen zufolge hat sich die Gruppe in mindestens drei Flügel aufgespalten, deren radikalster mit Terrorgruppen in Nordafrika und in Somalia in Verbindung stehen soll. Boko Haram ist schwer zu fassen, da die Mitglieder der Sekte über den ganzen Norden Nigerias verstreut, aber auch in Kamerun, im Tschad und in Niger leben.
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