Genau 14 Unternehmen sind ihm gefolgt. Deshalb macht die Kommissarin seit einigen Monaten verstärkt Kampagnen, um Druck aufzubauen. Ein politisches Heimspiel.
Im europäischen Vergleich
Die Europäische Kommission darf selbst keine Gesetze zur Verbesserung der Geschlechtergleichstellung machen. Dafür braucht sie das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen.
Hier gibt es allerdings bereits Richtlinien.
Norwegen hat als erstes Land in Europa 2005 verpflichtende Quoten eingeführt. Seitdem hat sich die Zahl der Frauen in den Verwaltungsräten auf 40 Prozent erhöht. Auch Island hat mit dieser Richtlinie viel Erfolg.
Seit 2011 haben auch Frankreich, Belgien, Italien und die Niederlande entsprechende Gesetze verabschiedet. Die Umsetzung ist nicht abgeschlossen, verläuft mit Unterstützung der Frauenverbände in der Regel positiv. Spanien hat mit einem halbherzigen Gesetz nur einen sehr bescheidenen Erfolg, der gerade Mal 10 Prozent der Frauen in die Verwaltungsräte gebracht hat.
Österreich, Dänemark, Deutschland, Finnland, Polen, Slowenien, Schweden, Großbritannien und Luxemburg arbeiten an Maßnahmen zur Selbstverpflichtung.
Politische Machtspiele kennt Viviane Reding aus über 25-jähriger Karriere gut. Sie weiß auch, ihre Zuhörer zu gewinnen. Durch ihre Erscheinung genauso wie mit ihrem klaren, frei gesprochenen Diskurs, in den sie die Zuhörerinnen immer wieder einbindet. Er steht für das, was sie sich vorgenommen hat: Die Stärkung der Gleichstellung der Frauen in den Verwaltungsräten der börsennotierten Unternehmen. Wenn es nicht freiwillig geschieht, dann wird es erzwungen.
14 Prozent
Auch den Frauen redet die Kommissarin ins Gewissen: „Es kommt nichts von selbst, die Geschichte hat gezeigt, dass wir uns alle Rechte hart erkämpfen müssen.“ Ihr eigener Kampf ist auch noch nicht beendet. Ein Jahr nach ihrem Appell ist von sieben Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitgliedern führender europäischer Unternehmen nur eins weiblich. Mit einem Anteil von knapp 14 Prozent hat sich die Frauenquote leicht verbessert. Bis zu einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis würde es allerdings noch 40 Jahre dauern.
Zudem bestehen große Unterschiede zwischen den Ländern. In den Führungsgremien der finnischen Unternehmen sind 27 Prozent Frauen, in Lettland 26 Prozent. Mit sechs Prozent liegt Luxemburg an drittletzter Stelle vor Malta und Zypern. Die positive Entwicklung ist zur Hälfte Frankreich anzurechnen, das 2011 ein Gesetz über das Geschlechtergleichgewicht in Führungsgremien einführte.
Höhere Gewinne
Ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen in den Spitzenpositionen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und den wirtschaftlichen Gewinn, hat Ernst & Young festgestellt. Unternehmen mit mindestens einer Frau im Führungsgremium verzeichnen bedeutend höhere Gewinne als Firmen ohne Frauen in der Chefetage.
„Ich bin persönlich kein großer Befürworter von Quoten. Aber ich schätze ihre Ergebnisse“, kündigt Reding ihre künftige Vorgehensweise an. Sie kann sich vorstellen, dass Unternehmen, die auf dem Binnenmarkt über die Grenzen hinweg tätig sind, Quotengesetze erfüllen müssen, um an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Es sei höchste Zeit, die gläserne Decke zu durchbrechen, die weibliches Talent weiterhin von der Spitze der börsennotierten Unternehmen trennt. Die Quotenlösung sei ein guter Übergang. Danach muss sich das Talent durchsetzen, meint die Kommissarin.
Über Quotenfrauen zum Erfolg?
Die europäische Bevölkerung stärkt ihr den Rücken: 88 Prozent der Europäer befürworten Frauen bei gleicher Qualifikation in den Spitzenjobs der Unternehmen, sagt eine Eurobarometer-Umfrage. Den Einwand der fehlenden Qualifizierung räumt Reding aus: Unter den Abgängerinnen der großen Business-Schulen Europas sind 3.500 hoch qualifizierte Frauen zu finden.
Drei Viertel der Europäer befürworten Redings angekündigten Rechtsvorschriften, die Hälfte hält Geldbußen für das beste Mittel, um sie durchzusetzen.
„Wenn wir das Ziel der Strategie Europa 2020 erreichen und die Beschäftigungsrate für Frauen und Männer zwischen 20 und 64 Jahren auf 75% steigern wollen, müssen wir die geschlechterspezifische Diversität zu einem Wachstumsfaktor machen“, so Reding. Das gleiche Ziel verfolgt auch die europäische „Charta für Frauen“, die sie gemeinsam mit Kommissionspräsident Barroso initiiert hat. Die Kommission kündigt für 2012 Legislativmaßnahmen für ein ausgewogeneres Verhältnis von Männern und Frauen in Vorständen von börsennotierten Unternehmen an. Um Erfolg zu haben, braucht sie die Unterstützung der Frauen.
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