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Guernica – Stadt kämpft gegen das Vergessen

Guernica – Stadt kämpft gegen das Vergessen

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Vor 75 Jahren bombardierte Hitlers "Legion Condor" die baskische Kleinstadt Guernica. Es war einer der ersten systematischen Luftangriffe zur Zerstörung einer schutzlosen Stadt. Guernica wurde zu einem Symbol für die Schrecken moderner Kriegsführung.

Das Läuten einer Kirchenglocke warnte die Bewohner von Guernica vor der herannahenden Gefahr. Wenig später erschienen die ersten Flugzeuge der deutschen «Legion Condor» am Himmel der Kleinstadt im spanischen Baskenland. Mit einem dreieinhalbstündigen Bombenhagel legten sie den Ort am 26. April 1937 in Schutt und Asche. Die 6000-Seelen-Gemeinde war ohne Luftverteidigung und völlig wehrlos.

Seit dem Bombardement am Donnerstag vor 75 Jahren gilt Guernica (baskisch: Gernika) als die erste Stadt in der Geschichte Europas, deren Zivilbevölkerung das Ziel eines systematischen Luftangriffs wurde. Dies stimmt zwar nicht genau, denn im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) waren zuvor auch andere Städte – wie das ebenfalls im Baskenland gelegene Durango – aus der Luft bombardiert worden.

Zahl der Toten unbekannt

Aber Guernica wurde zu einem Inbegriff des Schreckens modernen Kriegsführung. Fast 80 Prozent der Gebäude wurden zerstört. Die Zahl der Toten wurde nie genau festgestellt, weil damals zahlreiche Flüchtlinge in der Stadt lebten, die registriert worden waren. Anfangs war man von mehr als 1000 Toten ausgegangen. Neuere Studien nennen deutliche niedrigere Opferzahlen in einer Größenordnung von 150. Sie verweisen darauf, dass Guernica damals über ein gutes Bunkersystem verfügte und viele Bewohner wegen des Alarms rechtzeitig ins Umland flüchten konnten.

Dass die Stadt weltweit zu einem Symbol für den Schrecken des Bombenkriegs wurde, hatte auch damit zu tun, dass der Maler Pablo Picasso sein berühmtes, monumentalen Anti-Kriegs-Gemälde nach der baskischen Stadt benannte. Das Bomben-Inferno soll den Künstler zu seinem «Guernica» inspiriert haben. Ob dies wirklich so war, ist allerdings nicht ganz sicher. Möglicherweise hatte Picasso das Werk bereits vor dem Bombardement begonnen. Ein spanischer Experte entdeckte kürzlich Anzeichen dafür, dass der Maler sich bei dem Gemälde von einer Szene aus einem US-Filmdrama beeinflussen ließ, das damals in den Kinos lief.

Ausstellungen und Konferenzen

Im Stadtbild von Guernica erinnert kaum noch etwas an das Bombardement. Der von bewaldeten Bergen und grünen Weiden umgebene Ort ist heute eine geschäftige Kleinstadt mit 16 000 Einwohnern. Fast alle Häuser sind Neubauten. Die Stadt kämpft gegen das Vergessen. Es leben nur noch wenige Augenzeugen, die den Angriff miterlebt hatten. Alle waren damals im Kindesalter gewesen. Zum 75. Jahrestag hält Guernica eine Serie von Ausstellungen und Konferenzen ab.

Deutschland hatte vor zehn Jahren – 60 Jahre nach dem Bombardement – die Schuld der «Legion Condor» bei der Zerstörung offiziell eingestanden. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog Roman bat die Überlebenden um Versöhnung. Ein Jahr später entschuldigte sich auch der Bundestag. Das Nazi-Regime hatte die Flugzeuge nach Spanien geschickt, um den späteren Diktator Francisco Franco im Bürgerkrieg gegen die Truppen der republikanischen Regierung zu unterstützen.

Grund ist weiterhin unklar

Weshalb die Bomber aus Nazi-Deutschland die Stadt zerstörten, ist bis heute nicht genau geklärt. Guernica war strategisch unbedeutend. Die Stadt hatte nur zwei Ziele, die für die Militärs eine Rolle hätten spielen können: eine Brücke am Ortseingang und eine Waffenfabrik. Ausgerechnet sie blieben intakt. Der Oberbefehlshaber der NS-Luftwaffe, Hermann Göring, erklärte den Angriff im März 1946 bei den Nürnberger Prozessen so: «Mir gab Spanien die Gelegenheit, meine junge Luftwaffe zu erproben.»

Eine andere Erklärung läuft darauf hinaus, dass Franco und die Deutschen den Widerstand der Basken brechen wollten. Danach hatten sie Guernica mit Bedacht als Ziel ausgewählt, weil es für die Basken eine «heilige Stadt» ist. Schon im Mittelalter hatten die spanischen Könige unter der Eiche von Guernica geloben müssen, die Freiheitsrechte der Basken anzuerkennen.