Dominique Strauss-Kahn sei «sehr französisch, arrogant und süffisant» sagt jemand, der es wissen muss. Gérard Depardieu hat sich so über den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds geäußert. Der 63-jährige Filmstar, zuletzt vor allem als Obelix in Erinnerung, mag den gleichaltrigen Landsmann nicht. Er will ihn aber gerade deshalb spielen in der Verfilmung eines Skandals, der vor einem Jahr aus einem der mächtigsten Männer der Welt einen Arbeitslosen machte.
Für Strauss-Kahn dürfte es nun ein ganz bittere Woche werden. Auf allen Fernsehsendern wird der frühere Spitzenpolitiker an diesem Dienstag mitverfolgen können, wie sein Parteifreund François Hollande als neuer französischer Präsident in den Élyséepalast einzieht und damit den Job übernimmt, für den er lange als Topfavorit galt. Wenn überhaupt wird Strauss-Kahn in den Beiträgen eine tragische Nebenrolle spielen – als derjenige, dem Hollande das höchste Staatsamt indirekt zu verdanken hat.
Aus dem Flugzeug geholt
Strauss-Kahn war gerade auf dem Weg zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als Polizisten ihn am 14. Mai am New Yorker JFK-Flughafen aus der Ersten Klasse eines Air-France-Fluges holten. Anfangs habe er nicht einmal geahnt, worum es gehe, beteuerte der Franzose immer wieder. Die Vorwürfe: Strauss-Kahn soll im edlen Sofitel am New Yorker Times Square ein argloses Zimmermädchen splitternackt überfallen, bedrängt und zum Oralsex gezwungen haben.
Zweifel waren von Anfang an da. Ist einer der mächtigsten Männer der Welt und mögliche Präsidentschaftskandidat tatsächlich so dumm, für eine solche Tat alles wegzuwerfen? Wie kann man Oralsex erzwingen? Und warum räumte das Zimmermädchen in aller Ruhe noch das nächste Zimmer auf, bevor es sich bei der Hotelleitung meldete? Ihr späterer Anwalt Kenneth Thompson erklärt das mit einem Schockzustand, unter dem sie gestanden habe. Und Strauss-Kahn habe geglaubt, er könne sich alles erlauben – und alles nehmen.
Nach 100 Tagen auf freiem Fuß
Aus dem bevorzugt behandelten Suite-Bewohner wurde ein unrasierter Mann in Handschellen. Die Bilder erschütterten Frankreich, in den USA gab es nicht selten Häme. Doch auch das Bild des Opfers änderte sich: Aus der hart arbeitenden, streng religiösen Nafissatou Diallo, die den berühmten Franzosen gar nicht gekannt haben will, wurde eine für finanzielle Dinge durchaus aufgeschlossene Frau, die mit einem in Haft sitzenden Freund beraten haben soll, wie am meisten Geld aus dem Fall zu holen ist. Nach 100 Tagen in Haft und Hausarrest kam «DSK», ähnlich spektakulär wie bei seiner Verhaftung, wieder auf freien Fuß. Die Anklage gegen ihn wurde fallengelassen.
An ein Comeback ist allerdings bis heute nicht zu denken. Kaum zurückgekehrt nach Frankreich begannen auch dort Ermittlungen gegen Strauss-Kahn. Die heute 32 Jahre alte Schriftstellerin und Journalistin Tristane Banon warf ihm vor, im Jahr 2003 während eines Interviews über sie hergefallen zu sein. Das Verfahren wurde nur wegen Verjährung eingestellt.
Teilnahme an Sex-Partys
Wenig später wurde bekannt, dass Strauss-Kahn jahrelang an illegalen Sex-Partys mit Prostituierten teilnahm. Die Justiz hat deswegen ein Anklageverfahren wegen bandenmäßiger Zuhälterei eingeleitet. Der Ausgang ist völlig offen. DSK bestreitet eine Teilnahme an den Orgien nicht, will aber nichts davon gewusst haben, dass die freizügigen Damen bezahlt wurden. Rhetorisch stellte sein Anwalt jüngst die Frage in den Raum, wie man einer nackten Frau ansehen will, ob sie eine Prostituierte sei.
Auch wenn es in New York keinen Strafprozess geben wird, ist der Zivilprozess schon beschlossene Sache. Denn in den USA kann man auch dann zu Schadenersatz verurteilt werden, wenn strafrechtlich nichts vorzuwerfen ist. «An einer Einigung sind wir nicht interessiert, weil Nafissatou Schmerzen leidet und Gerechtigkeit braucht», behauptet ihr Anwalt Thompson. Für ihre Kolleginnen hat sich eines schon geändert: Seit diesem Jahr tragen alle Zimmermädchen elektronische Alarmknöpfe, mit denen sie im Notfall Hilfe rufen können.
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