Der 19-Jährige macht auch keinen Hehl aus seinen eigenen Ambitionen sowie jenen seiner Mannschaft, in der noch Alexandr Pliuschin als Co-Kapitän sowie Julian Kern (D) und die drei Luxemburger Pit Schlechter, Joël Zangerlé und Alex Kirsch (sollte er krankheitsbedingt ausfallen, würde der Italiener Eugenio Alafaci nachrücken) stehen werden.
Auch die Organisatoren des ältesten Luxemburger Etappenrennens für Amateure, des schwersten Rennens im Großherzogtum überhaupt, haben alles unternommen, um Bob Jungels einen Parcours nach Maß zu schneidern. Fünf mörderische Etappen, aus welcher am kommenden Sonntag ein großer Champion als Sieger hervorgehen wird. Bob Jungels? Wir fragten nach.
Tageblatt: Du hast zu Saisonbeginn zunächst den Monat April sowie im Mai die Flèche du Sud als deine Ziele ausgegeben. Wie sehr bist du insofern mit deiner bisherigen Saison zufrieden?
Bob Jungels: «‹Et ass souguer nach e gutt Stéck besser verlaf wéi dat, wat ech mir erwaart hat.› Meinem Sieg beim ’Tryptique des Monts et Châteaux‘ (UCI 2.2/30. März und 1. April, d. Red.) hatten wir so nicht mit eingeplant. Dann folgte der Nations Cup, wo ich bewies, dass die Form stimmt. Die ’Tour des Flandres‘ (7. April/Platz 45) hat vom Renngeschehen her einfach nicht gepasst. Es wurde nicht wirklich ein Rennen gefahren. Wir kamen gruppiert ins Finale, und das liegt mir ganz einfach nicht. Es folgte die Côte Picarde (11. April/Platz 2), wo ich mir nicht großartig was vorgenommen hatte, wo ich meine Kraft ausspielen konnte. Und die Toscana Terra Di Ciclismo (17.-21. April/Platz 8) ist sehr schwer, da hat mir etwas das Bergtraining gefehlt, um ganz vorne mitzufahren. Ich war wohl stets vorne vertreten, doch der Rhythmus im Berg fehlte ganz einfach.»
Also voll im Soll?
«Ja, vor allem auch nach meinem 2. Platz jetzt Anfang des Monats beim Giro Della Regione Friuli (2.-6. Mai). ‹Do hunn ech och bewisen, dass et an de Bierger lo rullt.› Jetzt, kurz vor der Flèche du Sud, fühle ich mich wirklich gut; ich bin zuversichtlich.»
Der Parcours dieser 63. „Flèche“ scheint dir wie auf den Leib geschneidert von den Organisatoren. Wie sind deine Eindrücke?
«Die gesamte Strecke ist extrem schwer. Wir haben sie mit dem Team unter die Lupe genommen und da sind schon einige Passagen dabei, die extrem sind. In erster Linie die Etappe im Ösling (3. Etappe am 18. Mai über 154,4 km von Tandel nach Wiltz) sowie das Zeitfahren (4. Etappe am 19. Mai über 14,88 km von Tetingen nach Rümelingen). Das Zeitfahren hat mich wirklich überrascht, da ich die Koppen so in der Form gar nicht kannte. In Kayl, hoch zur ‹Léiffrächen›, das ist krass. ‹Do sinn der vill, dei do wäerten explodéieren.› Daher hoffen wir auf gutes Wetter, damit das Rennen nicht noch schwerer wird. Obwohl ich bei Regen und Kälte nicht benachteiligt bin. Auch die 2. Etappe mit der ’Wormer Mauer‘ ist heftig. Da geht es nicht einfach nur entlang der Mosel, es geht permanent rauf und runter. Das Gleiche gilt für die 1. Etappe am Mittwoch. Einzig die letzte Etappe scheint etwas normaler zu sein. ‹Mee bon, mat de véier Etappen do virdrun ass zum Schluss och jidderee gutt freckt.'»
Leopard-Trek hat mit dir selbst sowie Alexandr Pliuschin (u.a. nahm er 2010 mit Astana an der Tour de France teil, d. Red.) zwei fast gleichwertig starke Kapitäne. Was ist er für ein Typ?
«Wir sind von unseren Qualitäten her recht ähnliche Typen. Ich bin einen Tick besser im Zeitfahren, dafür ist er etwas explosiver. Er besitzt vor allem ein ganzes Stück mehr Erfahrung als ich. Er führt mich manchmal, wie z.B. bei der Tryptique oder wenn der Wind wechselt, dann weiß er genau, wie man sich zu platzieren hat. Einen Fahrer wie ihn im Team zu haben, tut wirklich gut. Leider hatte er dieses Jahr noch nicht viel Glück.»
Von Leopard-Trek wird sehr viel erwartet bei der „Flèche“. Zu viel?
«‹Jidereen erwaart sech, dass mir d’Course an d’Hand huelen. An dat ass ëmmer geféierlech. Da kann een se och séier verléieren a mat eidelen Hänn do stoen. Mir däerfen eis do net uschäisse loossen.› Wir sind uns bewusst, dass wir erwartet werden. Daher ist es gut, dass auch der Sieger der beiden letzten Jahre (Lasse Bøchmann führt das Team Glud&Marstrand an, d. Red.) wieder startet. Insofern lastet auch auf deren Schultern Druck. Auch der letztjährige Zweite Harald Totschnig (Tyrol-Team) ist am Start.»
Deine Hauptkonkurrenten demnach. Und wer sonst?
«Wir punkten durch unsere mannschaftliche Geschlossenheit. Sollte Alex Kirsch tatsächlich ausfallen (siehe „T“ von gestern, d. Red.), dann würde Eugenio Alafaci nachrücken, ein Fahrer, der auch stets vorne zu finden ist. Diese Karte müssen wir ausspielen. Abwarten, wie sich das Rennen entwickelt.»
Wie sehr haben sich deine drei Luxemburger Teamkollegen Joël Zangerlé, Pit Schlechter und Alex Kirsch in den vergangenen Monaten entwickelt?
«Jeder von ihnen hat einen sehr großen Schritt nach vorne gemacht. Bedingt auch durch die Struktur, in welcher sie sich befinden. Die ganze Sicherheit und das Vertrauen, das man uns entgegenbringt, bilden einen enormen mentalen Rückhalt. Das ist sehr wichtig. Joël (Zangerlé) ist super in Form, wie man heute (das Interview wurde am Sonntag nach dem Sieg von Zangerlé beim GP Commune de Sanem geführt, d. Red.) sehen konnte, und auch bei Pit (Schlechter) stimmt alles. Eigentlich dürfte nicht viel dazwischenkommen – eigentlich …»
Wie sehr musst auch du in Zukunft mit Druck, der auf dir lastet, umgehen können?
«Ich erreiche langsam, aber sicher ein Stadium, ab dem man auch mit Druck muss umgehen können. Ich habe zuletzt einige gute Resultate erreicht, die einen bekannter werden lassen. Klar gibt es Druck, den mache ich mir aber nicht selbst, da ich meine gesteckten Ziele diese Saison bislang bereits erreicht habe. Von daher stelle ich mir nicht viele Fragen.»
Die „Flèche“ war in den vergangenen Jahren oft ein Sprungbrett für viele Fahrer zu einer großen Karriere. Welchen Stellenwert hat sie in deinen Augen?
«Sie ist vor allem ein Rennen, das seit Jahren von großen Champions gewonnen wurde. Sie dient in der Tat als Sprungbrett zu höheren Aufgaben. Vom Niveau her kommt sie all den anderen Rennen, die wir derzeit bestreiten, in etwa gleich. Da sie aber hierzulande gefahren wird, ist sie ‹unser› Rennen, unser Hauptziel diese Saison.»
Was spricht dafür, dass du auf Kim Kirchen, der das Rennen im Jahr 1999 gewinnen konnte, sowie auch Andy Schleck, den letzten Luxemburger Sieger im Jahr 2004, folgst?
«Die Strecke kommt mir entgegen, die Mannschaft steht hinter mir, es stimmt derzeit einfach alles. Ob dann auch alles während der ’Flèche‘ stimmt, wird sich zeigen. Es gibt Dinge, die während eines Rennens passieren, und welche man als Fahrer nicht beeinflussen kann. Ein Sturz, ein Defekt, so viel Sachen, bei denen man viel Kraft liegen lässt. Das müssen die Leute an der Strecke verstehen. Im Radsport ist es nicht so, dass wenn du ein Rennen dreimal in Folge gewinnen konntest, du auch automatisch den vierten Sieg in Folge einfahren wirst.»
Dein Programm, deine Ziele nach der Flèche du Sud?
«Zuerst Paris-Roubaix für Espoirs, dann die Tour de Luxembourg, die Meisterschaften, und anschließend mal eine Pause.»
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