Der erste Auftritt auf der ganz großen internationalen Bühne führte gleich zum ersten Fauxpas: Zum Auftaktessen des G8-Gipfels in Camp David tauchte der französische Präsident Francois Hollande mit Krawatte auf – damit verstieß er gegen die Kleiderordnung, die Gastgeber Barack Obama ausgegeben hatte. «Camp casual» war angesagt: Helle Stoffhose, Jackett, offenes Hemd. Der Sozialist Hollande wollte sich den amerikanischen Freizeit-Look nicht aufdrängen lassen.
Die Erklärung, die er für sein eigenwilliges Outfit bereit hatte, überzeugte Gastgeber Obama aber dann doch: «Für meine Presse», sagte der französische Präsident. «Für die Presse muss man gut aussehen», stimmte Obama zu.
Hollandes Paukenschlag
Hollande fiel in Camp David allerdings nicht nur modisch aus dem Rahmen. Auch politisch leitete er seine Gipfel-Premiere mit einem Paukenschlag ein: Bei einem Treffen mit Obama kündigte er an, bei seinem Wahlkampfversprechen bleiben und die französischen Kampftruppen noch 2012 aus Afghanistan abziehen zu wollen. Die USA hatten alles versucht, das zu verhindern – vergeblich. Die Nato will ihren Kampfeinsatz erst 2014 beenden und hatte immer wieder die Devise «Zusammen rein – zusammen raus» ausgegeben. Das Ausscheren Hollandes könnte den zweiten Teil von Obamas Doppelgipfel – das Nato-Treffen am Sonntag und Montag in Chicago – nun massiv belasten.
Bei seinem zweiten international umstrittenen Wahlkampfversprechen, sich gegen den rigiden Sparkurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel stemmen und für mehr Wachstumsimpulse sorgen zu wollen, fand Hollande in Obama dagegen einen Verbündeten. «Wir stehen vor dringenden Herausforderungen – Jobs schaffen, die Schuldenkrise in der Eurozone anpacken, die Weltwirtschaft nachhaltig gesunden», sagte der US-Präsident vor Gipfelbeginn.
Merkels Kurs
Für Merkel gehen Forderungen nach mehr Wachstum in Ordnung, solange sie nicht zu konkret werden. Auch sie ist für mehr Wachstum, will aber nicht vom Konsolidierungskurs abrücken. «Wachstum auf Pump, das würde uns genau wieder an den Anfang der Krise zurückwerfen», sagt sie. Auch wenn vom G8-Gipfel keine konkreten Beschlüsse erwartet wurden, könnte Hollande die Diskussionen in Camp David als Rückenwind für den EU-Sondergipfel am kommenden Mittwoch nutzen.
Neben Hollande kamen mit dem italienischen Regierungschef Mario Monti und dem japanischen Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda zwei weitere Neulinge nach Camp David. Merkel war dagegen die dienstälteste Gipfelteilnehmerin. 2006 war sie erstmals dabei, im kommenden Jahr hat sie einen ganzen Zyklus von acht Treffen mitgemacht und selbst den Mega-Gipfel in Heiligendamm 2007 ausgerichtet.
Obamas Treffen
Obama führt das Treffen jetzt wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Aus seiner hektischen Heimatstadt Chicago, wo der Nato-Gipfel stattfindet, verlegte er das Treffen relativ kurzfristig auf seinen idyllisch gelegenen Landsitz 100 Kilometer nördlich von Washington. Noch nie waren so viele Staats- und Regierungschefs auf dem hermetisch abgeriegelten Militär-Gelände zu Gast. Für die wenigen Mitarbeiter, die mit aufs Gelände durften, wurde es eng. Einige mussten sich sogar Zimmer teilen. «Das ist eine ganz besondere Atmosphäre», hieß es in einer Delegation schon vor der Abreise leicht ironisch. Die Chefs bekamen allerdings komfortable Lodges mit Kaminzimmer für sich.
Der Gipfel ist wieder das, was er ganz am Anfang einmal war. 1975 waren Kanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valéry Giscard D’Estaing inmitten der Ölkrise auf die Idee gekommen, die wichtigsten westlichen Industriestaaten an einen Tisch zu bringen. Ganz in Ruhe, in aller Abgeschiedenheit und ohne unmittelbaren Entscheidungsdruck, sollte über die großen weltwirtschaftlichen Fragen beraten werden. Über die Jahrzehnte wuchsen die Treffen zu Mega-Konferenzen, die Themenpalette weitete sich auf Entwicklungshilfe, Sicherheitspolitik und schließlich auch auf den Klimaschutz aus – letztlich alles, was es global so zu besprechen gab.
Obama führt die G8 nun vielleicht auch deswegen zurück zu den Wurzeln, um ihr neben der G-20 überhaupt noch eine Existenzberechtigung zu geben. In drei Jahren ist Deutschland wieder Ausrichter – wenn es das Format dann noch gibt.
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